Standrede

an Zuschauende gerichtete christliche Predigt unmittelbar nach der Hinrichtung eines Verbrechers

Eine Standrede war eine an Zuschauende gerichtete christliche Predigt, die meist unmittelbar nach der Hinrichtung eines Verbrechers oder einer Verbrecherin auf der Richtstätte von einem Geistlichen gehalten wurde. Die Gattung der Standrede war vom 17. bis ins 19. Jahrhundert sowohl im protestantischen als auch im katholischen Kulturbereich verbreitet.

Zweck Bearbeiten

Die Standrede erklärte dem bei der Hinrichtung anwesenden Publikum, welcher Straftat sich die zum Tode verurteilte Person schuldig gemacht hatte und sollte dadurch einerseits eine abschreckende Wirkung entfalten. Der Geistliche richtete in der Predigt ein mahnendes Wort an die Zuschauenden. Die zeitliche und physische Nähe der Rede zur Hinrichtung verlieh der Ermahnung besondere Wirksamkeit.

Andererseits wurde in den Standreden für das Seelenheil der hingerichteten Person gebetet. Neben Abschreckung und Vergeltung ging es bei Hinrichtungen nämlich immer auch um die Erlösung des Sünders nach dem Tod. Zu diesem Zweck wurde den Delinquenten zwischen Verhaftung und Todesstrafe ein geistlicher Beistand gewährt. Den Abschluss dieses Begleitungsprozesses bildete die Standrede.

Druck Bearbeiten

Viele Standreden wurden von städtischen Buchdruckern und Zeitungen publiziert und bei oder nach dem öffentlichen Vortragen verkauft. Der Erlös war für einen guten Zweck bestimmt: teilweise für Armeninstitutionen und sehr oft für die Angehörigen des Hingerichteten. Häufig wurden explizit deren Kinder genannt, denen mit dem Geld eine gute Erziehung ermöglicht werden sollte. Somit fungierten die Standreden auch als Medium zur Verbreitung christlicher Auffassungen einer sittlichen Lebensweise.

Begriff Bearbeiten

In zeitgenössischen Quellen werden weitere Begriffe gebraucht, die dasselbe oder ein vergleichbares Phänomen bezeichnen. Dazu gehören u. a.: Standesrede, Standpredigt, Stockrede, Anrede, Trauerrede, Galgenrede, Warnungsrede, Schafottrede.

Das heute gebräuchliche Wort Standpauke ist ursprünglich die studentensprachliche Verstärkung von Standrede.[1]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Romy Günthart: Predigten auf dem Schafott. Die Standreden aus der Eidgenossenschaft. In: Familienforschung Schweiz – Jahrbuch 46, 2019, S. 7–36.
  • Mireille Schnyder, Leonie Rohner (Hg.): Standreden. Fünfunddreissig Hinrichtungspredigten als kulturhistorische Quellen. Chronos-Verlag Zürich 2023 (Schweizer Texte, Neue Folge, Band 59)

Weblinks Bearbeiten

Forschungsprojekt «Standreden» der Universität Zürich

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. https://www.duden.de/rechtschreibung/Standpauke