Spiroplasmen

Gattung der Familie Spiroplasmataceae

Spiroplasmen (Spiroplasma) (abgeleitet von den beiden altgriechischen Wörtern σπεῖρα spéïra „Spirale“ und πλάσμα plásma „Geformtes“) sind eine Gattung von kleinen Bakterien ohne Zellwand in der Klasse der Mollicutes. Alle Spiroplasmen leben parasitisch in Pflanzen, Gliederfüßern oder Nagetieren oder saprophytisch.

Spiroplasmen

Spiroplasma kunkelii in Zellen des Phloems.

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Tenericutes
Klasse: Mollicutes
Ordnung: Entomoplasmatales
Familie: Spiroplasmataceae
Gattung: Spiroplasmen
Wissenschaftlicher Name
Spiroplasma
Saglio et al. 1973

Beschreibung Bearbeiten

Arten der Gattung Spiroplasma haben pleomorphe, rundliche Formen und bewegliche helikale oder verzweigte, nichthelikale Filamente. Der Durchmesser beträgt ungefähr 120 nm und die Länge 2 bis 4 μm oder mehr. Die Genomgröße beträgt 109 Dalton. Der GC-Gehalt liegt zwischen 25 und 26,4 Mol%.

Pathogenität Bearbeiten

 
An Maisstauche erkrankte Maispflanze, verursacht durch Spiroplasma kunkelii

Die Übertragung von pflanzenpathogenen Formen geschieht durch Zikaden als Vektor. Dabei ist die Infektion auf das Phloem beschränkt. Es wurde der Zusammenhang zwischen Spiroplasmen und zahlreichen Pflanzenkrankheiten beschrieben. Allerdings ist nur in wenigen Fällen ihre Pathogenität im Sinne der Kochschen Postulate bewiesen.

Im Vektor besiedeln die Spiroplasmen zahlreiche Organe wie den Verdauungskanal, die Hämolymphe, die Speicheldrüse, das Fettgewebe, die Malpighischen Gefäße, das Bindegewebe, das Nervensystem und die Ovarien. Dabei gibt es allerdings kaum pathogene Einflüsse. Selten treten Vitalitätsminderung, Reduktion der Überlebensfähigkeit, Hypertrophie von Zellen und Zellkernen und in einigen Fällen Gewebeläsionen auf.

Bei Pflanzen ist die Wirkung jedoch häufig beträchtlich. Es treten Chlorosen auf. Das Phloem verändert sich degenerativ durch eine starke Desorganisation. Befallene Zellen verfärben sich und neigen zur Hyperplasie. Nekrotisierung und Obliteration von Phloemteilen folgen. In vergilbten Blättern tritt das Palisadenparenchym zugunsten von dicht angeordnetem Schwammparenchym zurück, Chloroplasten degenerieren. Störungen im Stoffwechsel der Wachstumsregulatoren führen zur Aufhebung von Wachtumshemmungen. Zum Beispiel wird das akropetale Wachstum nach der Blütenbildung fortgesetzt oder die Induktion der Winterruhe unterbunden. Umgekehrt kann auch Wachstum inhibiert werden, mit Folgen wie Verzwergungen, Kleinblättrigkeit oder Kleinfrüchtigkeit.

Bei zwei Arten von Spiroplasma wurde sogenanntes Male-Killing beobachtet. Das heißt, dass die Wirte keine männlichen Nachkommen mehr zur Welt bringen. Dies geschieht entweder durch Feminisation von genetischen Männchen während der sexuellen Differenzierung, durch Induktion der Parthenogenese oder durch Tod der männlichen Nachkommen während der Embryogenese. Male-Killing wurde bisher nahezu exklusiv mit Bakterien der Gattung Wolbachia assoziiert.[1] Spiroplasma poulsonii verursacht jedoch Male-Killing bei der Taufliege Drosophila willistoni und bei zwei Käfern, dem Zweipunkt-Marienkäfer (Adalia bipunctata) und dem Asiatischen Marienkäfer (Harmonia axyridis). Spiroplasma ixodetis hat denselben Effekt auf Zecken.[2]

Es gibt einige umstrittene Hinweise auf die Rolle von Spiroplasmen in der Ätiologie der Transmissiblen spongiformen Enzephalopathie (TSEs), vor allem in der Arbeit von Frank Bastian. Andere Forscher konnten diese Ergebnisse nicht replizieren, wohingegen das Prionen-Modell für TSEs inzwischen eine breite Akzeptanz erreicht hat.[3] Eine Studie aus dem Jahr 2006 widerlegt auch die Rolle von Spiroplasmen bei Scrapie von Hamstern.[4]

Innere Systematik Bearbeiten

Die Gattung Spiroplasma wurde noch nicht abschließend untersucht und die innere Systematik unterliegt noch Änderungen. Eine Arbeit aus dem Jahr 2004 untersucht die 16S rDNA und versucht die Gattung zu ordnen.[5] Folgende Arten scheinen einigermaßen gesichert:

Literatur Bearbeiten

Soweit nicht anders angegeben entstammen die Angaben diesem Artikel:

  • Franz Nienhaus: Viren, Mykoplasmen und Rickettsien. Ulmer, Stuttgart 1985, ISBN 3-8001-2536-6.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. S. L. O’Neill, A. A. Hoffmann, J. H. Werren: Influential Passengers. Oxford University Press, Oxford 1997 (englisch).
  2. J. Hinrich Graf von der Schulenburg, Tamsin M. O. Majerus, Chorduraa M. Dorzhu, Ilia A. Zakharov, Gregory D. D. Hurst, Michael E. N. Majerus: Evolution of male-killing Spiroplasma (Procaryotae: Mollicutes) inferred from ribosomal spacer sequences. In: Journal of General and Applied Microbiology. Band 46, 2000, S. 95–98, PMID 12483596 (englisch).
  3. R. H. Leach, W. B. Mathews, R. Will: Creutzfeldt–Jakob disease. "Failure to detect spiroplasmas by cultivation and serological tests". In: Journal of Neurological Science. Band 59, Nr. 3, 1983, S. 349–353, PMID 6348215 (englisch).
  4. I. Alexeeva, E. J. Elliott, S. Rollins, G. E. Gasparich, J. Lazar, R. G. Rohwer: Absence of Spiroplasma or Other Bacterial 16S rRNA Genes in Brain Tissue of Hamsters with Scrapie. In: Journal of Clinical Microbiology. Band 44, Nr. 1, 2006, S. 91–97, doi:10.1128/JCM.44.1.91-97.2006, PMID 16390954 (englisch).
  5. Gail E. Gasparich, Robert F. Whitcomb, Deborah Dodge, Frank E. French, John Glass, David L. Williamson: The genus Spiroplasma and its non-helical descendants: phylogenetic classification, correlation with phenotype and roots of the Mycoplasma mycoides clade. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 54, Nr. 3, 2004, doi:10.1099/ijs.0.02688-0 (englisch).
  6. C. Saillard, J. C. Vignault, J. M. Bové, A. Raie, J. G. Tully, D. L. Williamson, R. F. Whitcomb: Spiroplasma phoeniceum sp. nov., a new plant-pathogenic species from Syria. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 37, Nr. 2, 1987, S. 106–115, doi:10.1099/00207713-37-2-106.