Solidaritätsgewerkschaft

gewerkschaftliches Organisationsmodell

Solidaritätsgewerkschaft (engl.: Solidarity Unionism) ist ein Modell der gewerkschaftlichen Organisierung, auch Organizing genannt, bei dem die Beschäftigten selbst eine Strategie formulieren und direkt gegen das Unternehmen vorgehen, ohne Vermittlung der Regierung oder bezahlter Gewerkschaftsvertreter.[1] Es ist eine wichtige Säule des Anarcho-Syndikalismus.

Hauptmerkmale Bearbeiten

In der Praxis haben die Kampagnen der Solidaritätsgewerkschaften drei Hauptmerkmale:

  1. Aktive Organizer der IWW arbeiten fast immer in dem Betrieb, den sie organisieren. Dadurch werden Strategien und Taktiken immer der Situation angepasst und die Kampferfahrungen bleiben in der Arbeiterklasse.
  2. Die beteiligten Arbeiter übernehmen leitende Rollen innerhalb der betrieblichen Organisierungskampagnen und dem Ziel durch direkte Aktionen das Machtverhältnis am Arbeitsplatz zu ändern.
  3. Die aktive Betriebsgruppe, auch Organizing-Komitee genannt, entscheidet über Strategie, Taktik, Aktionsformen und Eskalationsgrad. Der Lern und Entwiscklungsporzess der beteiligten Arbeiter zielt darauf ab, die Bedingungen zu schaffen, nachdem die Arbeiterklasse die Fähigkeiten hat, eine Welt nach menschlichen Bedürfnissen verwalten zu können, statt nach der Logik des Pfiffs für Unternehmer.[2][3][4]

Entwicklung Bearbeiten

Der Begriff geht zurück auf Arbeiten von Staughton Lynd, der aus der Rekonstruktion der Befriedung der US-amerikanischen Arbeiterbewegung auf der Suche nach historischer, alternativer Ansätze gewerkschaftlicher Organisation auf Ansätze der historischen IWW und anderer linksgewerkschaftlicher Ansätze stieß.[5]

Die Entwicklung des Begriffes ist eng geknüpft an eine Experimentier- und Organisierungswelle zum Ende der 1990er Jahre. Begriffliche und strategische Vorläufer waren: Minority Unionism (dt.: Minderheitsgewerkschaft),[6] Direct Unionism (dt.: Direkte-Aktionen-Gewerkschaft)[7], Wobblying towards Communism (dt.: Richtung Kommunismus als Wobblies bewegen)[8] und eine Diskussion um kollektive Aktionen und die Verankerung an Arbeitsplätzen, ohne sich auf die offizielle Gewerkschaftsgesetzgebung der USA zu verlassen, die hohe Hürden für die Durchsetzung einer kollektiven Vertretung schafft. Der Diskussionsprozess umfasste hitzige Debatten über de Charakter einer Gewerkschaft wie Organisierung aussieht und welche Rolle Revolutionären zukommt. darüber, was eine Gewerkschaft ist, was es bedeutet, sich zu organisieren, und welche Rolle Revolutionäre einnehmen sollten.[9]

Eine der Auswirkungen dieser Debatte war die Überarbeitung des Bildungsprogrammes.[10] Sowohl die eigenen Praxiserfahrungen, als auch Einflüsse anderer Gewerkschaftslinker Ansätze und Autoren flossen in das Programm ein. Es knüpft an Traditionen der Arbeiter*innenklasse in den Vereinigten Staaten zurückführenden. Dazu gehören unter anderem die Johnson-Forest-Tendenz (JFT) und Stan Weir. CLR James, Raya Dunayevskaya, Grace Lee Boggs, James Boggs und Martin Glaberman hatten zu ihrer Zeit eine einzigartige Kritik an den Gewerkschaften. Sie kritisierten das Verhältnis zwischen der Autonomie der Arbeiter und der Rolle von Gewerkschaften und reformistischer Kräfte.[9]

Die Lektüre der Arbeitergeschichten Martin Glaberman, in denen Erfahrungen von Automobilarbeiter mit Erkenntnissen zur Gewerkschaftshierarchie sowie zur Rolle von Revolutionären verschmolzen, war entscheidend für die Entwicklung des Direct Unionism in der IWW, das wiederum zentral für den politischen Reifungsprozess des Internetblogs Recomposition (dt. Klassenneuzusammensetzung) war.[9] Dessen Autoren Einfluss auf das Bildungsprogramm der IWW hatten. Der Nachfolgeblog ist organizing.work, herausgegeben von Marianne Garneau.[3]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Indymedia Milwaukee | Starbucks Targeted in 20 Cities 4 Countries by IWW. 15. Februar 2012, abgerufen am 25. Februar 2023.
  2. Erik Forman: Revolt in Fast Food Nation: The Wobblies Take on Jimmy John's. In: Immanuel Ness, Staughton Lynd (Hrsg.): New Forms of Worker Organization: The Syndicalist and Autonomist Restoration of Class-Struggle Unionism. PM Press, Oakland, Kalifornien 2014, ISBN 978-1-60486-956-9, S. 213 ff. (englisch).
  3. a b Mark Richter, Lemke Asyr, Ada Anhang, Scott Nappalos: Spuren der Arbeit. Geschichten von Jobs und Widerstand. 3. Auflage. Die Buchmacherei, Berlin 2021, ISBN 978-3-9823317-1-3, S. 11.
  4. Alex Riccio: The Future of the IWW: Building One Big Union w/ Nick Driedger & Marianne Garneau. In: Laborwaveradio Podcast. 15. Dezember 2020, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  5. Solidarity Unionism: Rebuilding the Labor Movement from Below. In: Immanuel Ness, Staughton Lynd. 2. Auflage. PM Press, Oakland, Kalifornien 2015, ISBN 978-1-62963-096-0, S. 2.
  6. Alexis Buss: Minority Report. In: Industrial Workers of the World. Juli 2002, abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  7. Industrial Workers of the World im deutschsprachigen Raum: Strategiebroschüre - "Direct Unionism". In: Industrial Workers of the World (IWW) im deutschsprachigen Raum. 2015, abgerufen am 10. März 2023 (deutsch).
  8. Wobbling Towards Communism statement and response | libcom.org. Abgerufen am 10. März 2023 (englisch).
  9. a b c Scott Nikolas Nappalos: Aussagekräftige Geschichten vom Malochen und Kämpfen: Eine Einführung. In: Mark Richter, Lemke Asyr, Ada Amgang, Scot Nappalos (Hrsg.): Spuren der Arbeit. Geschichten von Jobs und Widerstand. 3. Auflage. Die Buchmacherei, Berlin 2021, ISBN 978-3-9823317-1-3, S. 18.
  10. Marianne Garneau: A history of the IWW’s organizer training program. In: Organizing.Work. 17. September 2020, abgerufen am 10. März 2023 (amerikanisches Englisch).