Sankarismus

politische Ideenlehre

Unter dem Begriff Sankarismus versteht man eine politische Ideenlehre, die nach dem burkinischen Präsidenten und sozialistischen Revolutionär Thomas Sankara benannt wurde.

Grundgedanken und Politik Sankaras Bearbeiten

Unter der Präsidentschaft Thomas Sankaras wurde eines der größten sozioökonomischen Programme in Kraft gesetzt.[1] Seine Politik war geprägt von sozialen Wohnbauprojekten, Aufforstungen, Autonomie vom Westen und vom Ausland, sowie von der Gleichberechtigung von Frauen, die er als einer der ersten Staatschefs der Welt durchführte, da er sie in den Staats- und Militärdienst aufnahm.[2][3][4] Wohnbeihilfen wurden unter seiner Präsidentschaft eingerichtet, die Mieten wurden niedriger und bezahlbar.[2] Sankara verfolgte zudem eine strikt antiimperialistische Außenpolitik.[4] Er verweigerte zum Beispiel auch die Rückzahlung von Schulden an den Westen, da sich so Burkina Faso und Afrika besser entwickeln könnten und das laut ihm der Preis für die ehemalige Kolonialherrschaft war.[2] Um die Desertifikation aufzuhalten, ließ er 10.000.000 Bäume pflanzen, so musste zum Beispiel in jedem Dorf ein kleines Wäldchen existieren.[1][4][5][6] Eine umfassende Impfkampagne wurde ebenfalls von ihm ins Leben gerufen. So wurden innerhalb einer Woche 2,5 Millionen Burkiner geimpft.[2][4][7] Ein umfangreicher Bau von Krankenhäusern, Schulen, Eisenbahnstrecken und Straßen wurde ebenfalls umgesetzt.[5][8] Die durchschnittliche Lebenserwartung stieg auf 40 Jahre an. Frauenrechte waren Sankara ebenfalls sehr wichtig, zumal er weibliche Genitalverstümmelung und die Vielehe verbot und Verhütungsmittel lobte. Mit einer Agrarreform wurden Agrarsteuern abgeschafft und Land an Bauern verteilt, die zudem durch Preiserhöhungen einen fairen Preis für ihre Erzeugnisse bekamen.[2] Sankara kämpfte ebenfalls gegen die frühere massive Korruption im Land (damals Obervolta), die nach seiner Ermordung wieder aufflammte, und ließ die Täter öffentlich bestrafen.[2][9]

Wirtschaftliche Standpunkte Bearbeiten

Sankara hatte zum Ziel, eine „unabhängige, autarke und geplante Wirtschaft im Sinne einer demokratischen und dem Volk dienenden Gesellschaft“ zu etablieren.[6] Der erste Wirtschaftsplan wurde jedoch erst kurz vor dem Sturz der Regierung eingeführt und demnach nicht vollendet.[5][6] Das Konzept der Ernährungsautarkie des Landes gelang schlussendlich aufgrund mehr als verdoppelter Weizenproduktion.[1][10]

Unterschied zu anderen sozialistischen Ideologien Bearbeiten

Ein großer Unterschied zu den damals üblichen realsozialistischen Systemen war das Fehlen einer „Avantgardepartei der Arbeiterklasse“, die Sankara angeblich beabsichtigte zu gründen, es jedoch niemals tat.[5] Stattdessen gab es „Komitees zur Verteidigung der Revolution“, die in allen Betrieben und vielen Nachbarschaften eingerichtet wurden.[5]

Kritik des Begriffs Bearbeiten

Bénéwendé Stanislas Sankara kritisierte den Begriff 2001, da er laut ihm „zu ungenau definiert sei“, weil Sankarismus „sowohl von Kommunisten, als auch von Sozialisten, Patrioten und Nationalisten“ verwendet wird.[11]

Liste sankaristischer Organisationen Bearbeiten

Eine der ersten Organisationen, die sich als sankaristisch bezeichnete, war eine nur wenige Wochen nach der Ermordung Sankaras im Pariser Exil gegründete Gruppe.[12]

Einige Parteien, besonders in Burkina Faso, stehen hinter den Ideen und der Staatstradition Sankaras und bezeichnen sich ausdrücklich als sankaristisch.

Burkina Faso Bearbeiten

  • Union pour la Renaissance/Parti Sankariste
  • Union sankaristischer Parteien
  • Burkinische Partei für „Neugründung“
  • Burkinischer Sozialistischer Block
  • Konvergenz für Sozialdemokratie
  • Konvergenz der Hoffnung
  • Strömung der Demokraten, die dem Ideal von Thomas Sankara treu sind
  • Demokratische und Volksversammlung
  • Bewegung für Toleranz und Fortschritt
  • Nationale Partei der Patrioten
  • Partei der Sozialdemokratie
  • Sankara-Kollektiv
  • Sankaristische Demokratische Front
  • Sankaristische Bewegung
  • Panafrikanische Sankaristische Konvention
  • Front des Forces Sociales
  • „Besen der Bürger“

Außerhalb Burkinas Fasos Bearbeiten

Die Economic Freedom Fighters sind eine linke politische Partei in der Republik Südafrika, die sich teilweise als sankaristisch bezeichnen.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c California Newsreel - THOMAS SANKARA: THE UPRIGHT MAN. In: California Newsreel. Abgerufen am 19. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  2. a b c d e f Sa politique. In: Thomas Sankara. 4. September 2005, abgerufen am 6. September 2021 (französisch).
  3. Thomas Sankara - der Che Schwarzafrikas (Teil 1). Arte, abgerufen am 24. Mai 2021.
  4. a b c d Thomas Sankara - der Che Schwarzafrikas (Teil 2). Arte, abgerufen am 24. Mai 2021.
  5. a b c d e Ernest Harsch: Thomas Sankara: An African revolutionary. In: Ohio Short Stories of Africa. Ohio University Press, Athens, Ohio, ISBN 978-0-8214-2126-0.
  6. a b c We Are Heirs of the World's Revolutions: Speeches from the Burkina Faso Revolution 1983-87. Pathfinder Press, 2007, ISBN 978-0-87348-989-8.
  7. Mohamed Keita: Why Burkina Faso’s late revolutionary leader Thomas Sankara still inspires young Africans. Abgerufen am 25. Mai 2021 (amerikanisches Englisch).
  8. ZCommunications | Commemorating Thomas Sankara by Farid Omar | ZNet Article. 24. Januar 2012, archiviert vom Original am 24. Januar 2012; abgerufen am 19. April 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.zcommunications.org
  9. Bruno Jaffré: Burkina Faso: 25 Years On - the Mixed Legacy of Burkina Faso's Thomas Sankara, Socialist Soldier. In: Thomas Sankara. 11. Februar 2013, abgerufen am 19. April 2022 (englisch).
  10. Thomas Sankara, l’écologiste. In: Le Monde.fr. 3. Januar 2020 (lemonde.fr [abgerufen am 19. April 2022]).
  11. Opposition leader advocates Sankarism. In: panapress.com. Abgerufen am 5. November 2014 (englisch).
  12. Arnold Hughes: Marxism's Retreat from Africa. Psychology Press, London 1992, ISBN 0-7146-4502-8, S. 100.