Der Ce 4/6 der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) war ein schwerer elektrischer Personen-Triebwagen mit Vielfachsteuerung. Es handelte sich dabei um den ersten elektrischen Triebwagen, den die Schweizerischen Bundesbahnen selbst beschafften. In den Jahren 1923 und 1925 bis 1927 wurden insgesamt 19 Stück in zwei Baulosen ausgeliefert. Die Triebwagen, zuletzt als Be 4/6 bezeichnet, erreichten ein verhältnismässig hohes Alter, dies dank dem Ersatz des ursprünglichen Wagenkastens in verblechter Holzbauweise durch einen Neubauwagenkasten in Stahlbauweise in den 1960er Jahren. Das letzte Exemplar wurde erst 1995 ausser Betrieb genommen. Alle wurden zwischenzeitlich abgebrochen, es ist kein Exemplar erhalten geblieben.

Ce 4/6 (ab 1956 Be 4/6)
Erstes und zweites Lieferlos, ursprüngliche Ausführung mit verblechtem Holzkasten
(Abweichende Daten des zweiten Lieferloses in Klammer)
Ce 4/6 9808 im Originalzustand am Genfersee
Ce 4/6 9808 im Originalzustand am Genfersee
Ce 4/6 9808 im Originalzustand am Genfersee
Nummerierung: 9801 bis 9804 bis 1947
751 bis 754 von 1948 bis 1959
1601 bis 1604 ab 1961

(9805 bis 9819 bis 1947
755 bis 769 von 1948 bis 1959
1605 bis 1619 ab 1961)
Anzahl: 19
Hersteller: SIG, SWS, SAAS
Baujahr(e): 1923 (1925 bis 1927)
Ausmusterung: 1601 Abbruch 1967 als Ersatzteilspender
Achsformel: (A1A)(A1A)
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge über Puffer: 20'000 mm
Leermasse: 79,8 t (76,9 t)
Dienstmasse: 85,3 t (82,4 t)
Reibungsmasse: 58,2 t (56,2 t)
Höchstgeschwindigkeit: 75 km/h geschleppt 90 km/h
Stundenleistung: 780 PS
Anfahrzugkraft: 9'000 kg
Dauerzugkraft: 4'360 kg
Treibraddurchmesser: 1'040 mm
Laufraddurchmesser: 850 mm
Anzahl der Fahrmotoren: 4
Sitzplätze: 72
Besonderheiten: Vielfachsteuerung Typ I

Geschichte Bearbeiten

Da die ersten Strecken der SBB bereits elektrifiziert worden waren, entstand der Bedarf an einem elektrischen Fahrzeug für den Vorortsverkehr. Da dieses keine sehr hohe Leistung haben musste, konnte es als Triebwagen ausgeführt werden und musste keine Lokomotive sein.

 
Be 4/6 1602 noch vor dem Umbau mit zwei Leichtstahlwagen im Bahnhof Yverdon

Beim Bau der Personen-Triebwagen für die Schweizerischen Bundesbahnen konnte die Industrie nicht nur auf eine bereits mehr als zwanzigjährige Erfahrung beim Bau und Betrieb von Meterspur-Triebwagen für den Betrieb mit Gleichstrom zurückblicken, sondern auch auf bereits etwa 10 Jahre Erfahrung beim Bau und Betrieb von Meterspur- und Normalspur-Triebwagen für den Betrieb mit hochgespanntem Wechselstrom. So beispielsweise mit den drei meterspurigen Personen-Gepäcktriebwagen BCFe 4/4 1 bis 3 aus dem Jahre 1907 mit einer Leistung von 160 PS der Locarno-Ponte-Brolla-Bignasco-Bahn (LPB), auch als Maggiatalbahn bekannt, den acht normalspurigen Personentriebwagen BCe 4/4 51 bis 58 mit einer Leistung von ursprünglich 360 PS[1] aus den Jahren 1909 bis 1911 der ehemaligen Seetalbahn (STB), ab 1922 SBB BCe 4/4 4801 bis 4808, oder den drei normalspurigen Personentriebwagen Ce 2/4 781 bis 783 mit einer Leistung von ursprünglich 450 PS[2] aus dem Jahre 1910 der Berner Alpenbahn-Gesellschaft Bern–Lötschberg–Simplon (BLS).

 
Aus Etzwilen kommender Perso­nenzug in Winterthur mit dem Be 4/6 1601. Der Triebwagen wurde nicht umgebaut und diente als Ersatzteil­spender.

Trotz dieser Erfahrung musste, um mit diesen Triebwagen auch Nebenlinien befahren zu können, das Gewicht auf zwei zusätzliche Laufachsen verteilt werden. Nur so erreichte die maximale Achslast nicht mehr als rund 16 Tonnen. Alle damals neu abgelieferten elektrischen Lokomotiven hatten eine Achslast von rund 20 Tonnen und waren für den Einsatz auf Nebenlinien längere Zeit nicht geeignet.

Die Triebwagen erreichten als Erstgenerationen-Fahrzeuge ein sehr hohes Alter, wurde doch der letzte erst 1995 ausrangiert. Schon seit der Auslieferung konnten die Triebwagen von einem zweiten Triebwagen oder seit 1925 von den soeben gelieferten Steuerwagen aus ferngesteuert werden. Sie besassen allerdings keine elektrische Bremse und durften deshalb auf langen Gefällstrecken keine Züge alleine führen.

Die anfängliche Bezeichnung bis 1947/1948 war Ce 4/6 9801 bis 9819. Danach wurde die Nummer neu vergeben, so dass sie unter Ce 4/6 751 bis 769 zu finden war. Für mehrere Jahre nach dem Wegfall der dritten Wagenklasse 1956 trugen sie mit der Nummer auch die Bezeichnung Be 4/6. Seit der Neuorganisation der Nummern und Bezeichnungen 1959/1960 trugen sie die Bezeichnung Be 4/6 1601 bis 1619. Gerade letztere Bezeichnung führte verschiedentlich zu Verwechslungen mit den ursprünglich von den Schweizerischen Bundesbahnen für den Schnellzugdienst am Gotthard beschafften Lokomotiven Be 4/6. Unter dieser Bezeichnung wurden sie auch ausrangiert.

Als letzter seiner Art war der per 31. Mai 1994 ausrangierte Be 4/6 1613 jahrelang als Triebfahrzeug des Schulreferentenzuges im Einsatz, wofür er einen bunten Anstrich erhielt.

Konstruktion Bearbeiten

Der Triebwagen besass zwei dreiachsige Drehgestelle. Die beiden äusseren Achsen waren angetrieben, während dazwischen eine Laufachse angeordnet war, um den Achsdruck gering zu halten.

 
Ce 4/6 mit Ft 16021, der versuchs­weise als Steuerwagen eingesetzt wurde
Be 4/6
Ausführung mit neu gebautem Wagenkasten in Stahlbauweise
 
Nummerierung: 1602 bis 1619
Abtausch Nummer während des Umbaus 1619 ex 1615 (abweichende Daten des Umbau Prototyp in Klammer), 1615 ex 1619
Anzahl: 18
Hersteller: SBB Hauptwerkstätte Zürich
Baujahr(e): Umbau 1961 bis 1966 (1957)
Ausmusterung: 1968 bis 1994
Achsformel: (A1A)(A1A)
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge über Puffer: 20'000 mm
Leermasse: 72 t
Dienstmasse: 86 t
Reibungsmasse: 52 t
Höchstgeschwindigkeit: 90 km/h
Stundenleistung: 854 PS
Anfahrzugkraft: 9'000 kg
Dauerzugkraft: 4'360 kg
Treibraddurchmesser: 1'040 mm
Laufraddurchmesser: 850 mm
Anzahl der Fahrmotoren: 4
Sitzplätze: 56
Besonderheiten: Vielfachsteuerung Typ IIIe (Typ I)

Die Personen-Triebwagen hatten von Anfang an eine Vielfachsteuerung vom Typ Vst I und konnten sowohl von einem anderen baugleichen Personen-Triebwagen, von einem der etwas später gebauten Fe 4/4 Gepäck-Triebwagen oder von einem der ab 1925 zu den Triebwagen beschafften vierachsigen Bt4, BCt4 und CFt4 Steuerwagen aus ferngesteuert werden. Sie besassen keine elektrische Bremse und wurden anfänglich längere Zeit im Vorortsverkehr von Zürich und am Genfersee eingesetzt. Ausgelegt waren die Triebwagen für eine Anhängelast von 150 t, diese konnten die Triebwagen auf einer Steigung von 10 ‰ noch mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h ziehen. Bei 26 ‰ Steigung, der Steigung der die alpenquerenden Verbindung durch den Gotthard-Scheiteltunnel hat, betrug immer noch 100 t. Einfachfenster mit Messingrahmen von 600 und 900 mm Breite und den in der damaligen Zeit üblichen Beschriftung mit Emailleschildern prägen die Aussenansicht. Als Anhänge- oder Zwischenwagen wurden anfänglich mehrheitlich dreiachsige Personenwagen und dreiachsige Gepäckwagen mit an beiden Enden offener Plattformen verwendet, einer Bauart die die Schweizerischen Bundesbahnen zur Erneuerung des Wagenparkes der Vorgängergesellschaften in einer grossen Stückzahl beschaffte.

Der Wagenkasten bestand aus einem eisernen Unterrahmen, auf dem ein verblechter Wagenkasten aufgebaut war. Der Transformator war mittig unterflur unter dem Wageneingang angebracht. Beidseitig vom Eingang waren zwei Grossraumabteile vorhanden. Davon war eines als Raucher, das andere als Nichtraucherabteil ausgewiesen. Markant waren die aussen am Wagenkasten auf Höhe des Tragrahmens, unterhalb der Abteile, angebrachten Ölkühlschlangen des Transformators. An beiden Enden besass er einen Führerstand mit Stirntüren, ohne Faltenbalg. Der Übergang zwischen Wagen und Triebfahrzeug war somit nur dem Personal erlaubt. Anfänglich besassen die Triebwagen zwei Stromabnehmer, die umgebauten Triebwagen mit Stahlkasten nur noch einen.

Umbauten Bearbeiten

Die Triebwagen 1602 bis 1618 erhielten zwischen 1961 und 1966 einen neuen Wagenkasten in Stahlbauart. Dieser Umbau wurde von den Schweizerischen Bundesbahnen in der Hauptwerkstätte Zürich selbst durchgeführt. Dabei wurde eine Vielfachsteuerung vom Typ Vst IIIe anstelle der Vielfachsteuerung vom Typ Vst I eingebaut. Ein entsprechender Umbauprototyp, der Be 4/6 1619 entstand bereits im Jahre 1957. Dieser Triebwagen behielt die Vielfachsteuerung vom Typ Vst I. Der Triebwagen Be 4/6 1601 wurde nicht umgebaut und nach Abschluss der Umbauaktion als Ersatzteilspender abgebrochen. Dabei gilt auch zu berücksichtigen, dass im Zusammenhang mit dem Umbau zwei Triebwagen ihre Nummern abtauschten. Der Be 4/6 1619 war der ehemalige Be 4/6 1615 beziehungsweise der Be 4/6 1615 war der ehemalige Be 4/6 1619.

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Claude Jeanmaire: Die elektrischen und Dieseltriebfahrzeuge Schweizerischer Eisenbahnen. Band 10: Die Triebwagen der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Archiv 17. Verlag Eisenbahn, Villingen 1994, ISBN 3-85649-037-X.
  • Peter Willen: Lokomotiven der Schweiz, Normalspur Triebfahrzeuge. Orell Füssli Verlag, Zürich 1975, ISBN 3-280-00800-X
  • Hans Schneeberger, Die elektrischen und Dieseltriebfahrzeuge der SBB, Band I: Baujahre 1904-1955. Minirex, Luzern, 1995, ISBN 3-907014-07-3
  • Hans Schneeberger: Die ersten elektrischen Personentriebwagen der SBB. in: Schweizer Eisenbahn-Revue 2/1988, Seiten 61–66, 4/1988, Seiten 142–145 und 5/1988, Seiten 177–193

Weblinks Bearbeiten

Commons: SBB Ce 4/6 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.seetalkroki.ch www.seetalkroki.ch, abgerufen am 30. März 2015
  2. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gdi-adi.ch www.gdi-adi.ch, 100 Jahre Lötschbergbahn, Bahnstromversorgung Lötschberg-Basistunnel von Gerold Kuonen, Seite 16, abgerufen am 18. März 2015