Roter Zerfall

Schadensbild bei Leder

Roter Zerfall (auch Roter Verfall) ist ein Schadensbild von Leder, bei dem sich die feste Lederoberfläche zu Staub auflöst.

Aus der Luft adsorbiert Leder neben Stickoxiden und Ozon vor allem Schwefeldioxid,[1] das in Verbindung mit Luftfeuchtigkeit zu schwefliger Säure reagiert. Durch säurekatalysierte Hydrolyse kommt es zu Verfärbungen und zum Zerfall des Kollagens. Bei älteren Ledern kann dies bei lohgegerbten Ledern auftreten.[2][3] Der Schaden ist irreversibel.

Der Namensteil „rot“ stammt von einem speziellen Schadensbild: Einige ab Mitte des 19. Jahrhunderts zur Beschleunigung der Gerbung den Gerbmitteln hinzugesetzte Chemikalien wirkten sich negativ auf die Alterungsbeständigkeit des Leders aus. Der dadurch ausgelöste beschleunigte Zerfall von Ledern ergibt einen rötlichen Staub.[1] Meist handelt es sich um Leder von Kalb, Ziege oder Schaf. Die Royal Society of Arts gründete im Februar 1900 ein ständiges Komitee zur Erforschung des Phänomens. Nach systematischer Forschung wurde einige Jahre später die Ursache entdeckt. In den folgenden Jahren wurden daraufhin die Gerbverfahren modifiziert.

Bei historischen Bucheinbänden in Bibliotheken oder Möbeln besteht dadurch das Problem, dass es bei diesem Schadensbild zu starkem Abrieb kommt, der einerseits Verschmutzungen verursacht und andererseits die Objekte weiter schädigt. In Bibliotheken mit historischem Buchbestand in diesem Zeitsegment verursacht dies Kosten innerhalb der Bestandserhaltung.

Mittels Lederfett kann eine gewisse Stabilisierung erreicht werden. Wegen der starken Verfärbung wird dies allerdings nicht mehr zur Bestandserhaltung bei Bucheinbänden angewendet. Eine Alternative stellt die Einbringung von Hydroxypropylcellulose (ein nichtionischer Celluloseether, z. B. Klucel®), die in Alkohol gelöst wird. Es kann aber zu Materialauflösung und Verfärbungen kommen. Die Verfärbungen sind allerdings wegen des wieder verdunstenden Alkohols weniger gravierend. Da eine irreparable Veränderung des Leders vorgenommen wird, ist der Einsatz dieses Verfahren genau abzuwägen. Prinzipiell kann der weitere Zerfall des Leders aber nicht aufgehalten werden, so dass aktuell (2020) von Lederpflegemaßnahmen bei Bucheinbänden und Archivalien abgeraten wird.[4]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Bernhard Trommer: Die Kollagenmatrix archäologischer Funde im Vergleich zu künstlich gealterten Ledermustern historischer Gerbverfahren. Dissertation. Techn. Univ. Bergakademie, Freiberg (Sachsen) 2005, DNB 973896922, S. 68 f. zu chemischen Grundlagen und zur Geschichte der Entdeckung des Phänomens
  2. marvin.iuw.h-da.de
  3. lederzentrum.de
  4. Maria Kobold, Jana Moczarski: Bestandserhaltung : ein Ratgeber für Verwaltungen, Archive und Bibliotheken. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Darmstadt 2020, ISBN 978-3-88443-058-3, S. 213 f., doi:10.25534/tuprints-00011407 (tu-darmstadt.de [abgerufen am 11. Februar 2020]).

Literatur Bearbeiten

  • Barbara Applebaum: Guide to Environmental Protection of Collections. Sound View Press, 1991, S. 185.
  • Todor Stambolov: Environmental influences on the weathering of leather. In: International leather and parchment symposium. vol 8. May 1989. Deutsches Ledermuseum/ Deutsches Schuhmuseum 1989, S. 1–5. (englisch/deutsch)
  • Lederlexikon. Verband der Deutschen Lederbekleidungsindustrie, München 1975.
  • Morris Charles Lamb, Ludwig Jablonski: Lederfärberei und Lederzurichtung. 1. Auflage. Julius Springer, Berlin 1912.
  • Vorschriften für Bibliotheks-Einbände, beschlossen vom Verein Deutscher Bibliothekare am 8. Juni 1911. – Leipzig : Harrassowitz, 1911. – 15 S. 8", Aus: Zentralblatt für Bibliothekswesen ; Jg 28, H. 7/8., S. 1f., S. 8–10.
  • Report of the Committee on leather for bookbinding. Edited for the Society of Arts and the Company of leathersellers by the Viscount Cobham and Sir Henry Trueman Wood. London, published for the Society of Arts by George Bell & Sons, 1905 (zuerst 1901).

Weblinks Bearbeiten

Siehe auch Bearbeiten