Ploiaphesia

Fest der Isis zum Beginn der Schifffahrtssaison

Die Ploiaphesia (altgriechisch πλοιαφέσια „Ausfahrt des Schiffes“, auf Lateinisch navigium Isidis „Ausfahrt der Isis“) waren ein der Isis gewidmetes Kultfest hellenistisch-römischer Zeit, das zu Beginn der Schifffahrtssaison im Frühling begangen wurde.

Navigium Isidis oder Rückführung des Osiris; Wandmalerei aus dem Isistempel in Pompeji; Archäologisches Nationalmuseum Neapel (Inv. 8929)

Name und Festdatum

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Der Name Ploiaphesia begegnet zuerst in einer Inschrift des 1. Jahrhunderts aus Byzantion, dann in den Metamorphosen des Apuleius im 2. Jahrhundert,[1] schließlich bei dem im 6. Jahrhundert schreibenden Johannes Lydos.[2] Johannes Lydos setzt das Festdatum auf den 5. März, und unter diesem Tag führen die wohl aus julisch-claudischer Zeit stammenden Menelogia rustica[3] das Fest navigium, das im Kalender des Filocalus aus dem 4. Jahrhundert Isidis navigium genannt wird.[4] Doch war es unter diesem Namen bereits Laktanz bekannt.[5]

Apuleius überliefert eine ausführliche Beschreibung dieses Festes der Isis,[6] die bereits bei den Griechen Schutzgöttin der Schifffahrt war, wie aus ihren Epitheta Euploia („die gute Seefahrt verleiht“), Pharia (nach ihrem Heiligtum auf der Leuchtturminsel Pharos) und Pelagia („vom Meer“) hervorgeht.[7] Laut Apuleius wurde das Fest am ersten Vollmondtag gefeiert, wenn die Sonne im Sternzeichen Widder stand, war also wie das Osterfest, mit dem es fast auf den gleichen Tag fällt, den Schwankungen eines Lunisolarkalenders unterworfen.

Prozession

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Der Schauplatz bei Apuleius ist das Isisheiligtum von Kenchreai, einem der Häfen Korinths, was bereits von der Verbreitung des Kultfestes zeugt. Das teilnehmende Volk war fröhlich gestimmt und phantasievoll maskiert, selbst Tiere wurden verkleidet. Nachdem der Zug Aufstellung genommen hatte, zog die Prozession vom Heiligtum der Isis zum Hafen. Angeführt wurde sie von Frauen in weißen Gewändern, die Blüten auf den Weg streuten und wohlriechende Flüssigkeiten ausgossen. Männer und Frauen trugen Fackeln und Lichter zu Ehren der Göttin, der Mutter der Gestirne. Ein Chor sang Lieder, Musiker begleiteten den Zug mit ihren Blasinstrumenten. Nachdem Herolde aufgefordert hatten, Platz zu schaffen, folgten die in den Kult Eingeweihten, denen sich die Priester anschlossen. Die Priester trugen die Symbole der Göttin: eine hellleuchtende Lampe, Hilfsaltäre, einen Palmzweig und weiteres. Am Hafen angekommen, wurden Geschenke und Opfergaben niedergelegt. Ein für diesen Anlass gebautes Schiff wurde kultisch gereinigt, dann mit den Opfergaben beladen. In das Segel des Schiffes, das einen hohen Mast trug, waren Segnungen für die Seefahrt des neuen Jahres gewebt. Schließlich wurden die Ankertaue gelöst, und das Schiff trieb unter einer Brise auf das Meer hinaus, bis es den Blicken entschwand. Anschließend kehrte die Prozession zurück und ein Grammateus genannter Priester rief die Pastophoren zusammen. Dann sprach er aus besonderen Schriften die Vota über Kaiser, Senat und Equites sowie das römische Volk, schließlich über alle Seeleute und Schiffe unter römischer Herrschaft aus.

Verbreitung

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Zum Kultpersonal der Isis, das sich im Zusammenhang mit den Ploiaphesia fassen lässt, gehörten ab spätrepublikanisch-hellenistischer Zeit inschriftlich überlieferte Nauarchen (ναύαρχοι), Trierarchen (τριήραρχοι), Hieronauten (ἱεροναῦται) und Naubatai (ναυβάται). Nauarch und Trierarch konnotieren Begriffe aus dem militärischen Schifffahrtswesen. Wer ein Schiff der Isis ausstattete, war „Herr des Schiffes“[8] und trat als Offiziant des Festes auf.[9] Inschriften von Inhabern dieser Titel sind aus verschiedenen Teilen des Römischen Reiches bekannt.

Die ältesten Inschriften mit Nennung der auf den Isiskult bezogenen Nauarchen stammen aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. und wurden im böotischen Eretria gefunden. Eine dieser Inschriften nennt eine Frau in dieser Funktion.[10] Weitere derartige Inschriften wurden in den kleinasiatischen Städten Byzantion,[11] Nikomedia,[12] und Sinope,[13] auf der Kykladeninsel Tenos,[14] aber auch im kampanischen Misenum[15] und in Rom[16] gefunden. Hieronautai lassen sich für das 3. Jahrhundert in Tomoi nachweisen,[17] Trierarchen sind aus Elaia in Mysien[18] und Kios[19] bekannt. In einer Inschrift aus Ephesos[20] werden Naubatai erwähnt.[21] Für viele Träger dieser Titel kann man wahrscheinlich machen, dass sie zumindest im griechischen Osten in Kultvereinen organisiert waren. Einige der inschriftlich geehrten haben die mit dem Kult verbundenen Leiturgien mehrfach finanziert, in anderen Fällen hatten sie die damit verbundenen Pflichten wohl nur einmalig getragen.[22]

Einbindung und Nachleben

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Das Fest der Ploiaphesien wurde in hellenistischer Zeit eingeführt, als die Schifffahrt zunehmende Bedeutung für Ägypten erhielt.[23] Als navigium Isidis wurde es bis in die Spätantike gefeiert, und Isis in ihrem heiligen Schiff war lange Zeit ein Motiv der römischen Münzprägung.[24] Andreas Alföldi brachte das Fest mit den jährlichen vota publica für das Wohl des Kaisers in Zusammenhang, da Isis auf einem Schiff mit der Beischrift vota publica sich auf Münzen des 4. Jahrhunderts finden. Diese Veranstaltungen waren sehr beliebt, da sie mit freizügigen Spenden an Geld und Lebensmitteln seitens der Kaiser verbunden waren.[25] Doch konnte sich Alföldi mit dieser Sicht nicht durchsetzen.[26]

In Rom lebte der Isiskult bis zum Ende des 4. Jahrhunderts, eine letzte Anspielung auf den Kult in der Stadt liefert das carmen contra paganos, ein anonymes Gedicht. Weil es auf den Konsul des Jahres 394, Virius Nicomachus Flavianus, bezogen wurde, ist es auch als carmen adversus Flavianum bekannt.[27] In den Versen 98–99 tritt Isis unter ihrer Epiklese Pharia auf, an deren öffentlichem Fest der Adressat teilgenommen hat. Ob damit ein Bezug zum navigium Isidis herzustellen ist, bleibt unklar. Gleiches gilt für die Mitteilung des Rutilius Namatianus in seinem Gedicht De reditu suo,[28] dass die „fröhlichen Landleute“ von Portus Falesia im Jahr 416 die Wiedererweckung des Osiris feierten.[29] Dass die Ploiaphesia noch im 6. Jahrhundert im Bewusstsein wenigstens der Griechisch sprechenden Bevölkerung des Reiches waren, belegt das Zeugnis des Johannes Lydos. Ein Weiterleben des Festes im Karneval, wie es seit dem 19. Jahrhundert immer wieder vermutet wurde,[30] wird heute ausgeschlossen.[31]

Literatur

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  • Reinhold Merkelbach: Isis Regina – Zeus Sarapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt. 2., verbesserte Auflage. Saur, München 2001, S. 157.
  • Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Band 28). Walter de Gruyter, Berlin 1969 (abgerufen über De Gruyter Online).
  • Ladislav Vidman: Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern. Epigraphische Studie zur Verbreitung und zu den Trägern des ägyptischen Kultes (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Band 29) Walter de Gruyter, Berlin 1970, S. 76–87 (abgerufen über De Gruyter Online).
  • Sarolta Anna Takács: Ploiaphesia. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 9, Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01479-7, Sp. 1145.

Anmerkungen

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  1. Apuleius, Metamorphosen 11,17.
  2. Johannes Lydos, De mensibus 4,45 (100 Wünsch).
  3. CIL I² p. 280.
  4. CIL I² p. 260.
  5. Laktanz, Divinae institutiones 1,11,21: certus dies habetur in fastis quo Isidis navigium celebratur („es gibt einen festen Tag im Kalender, an dem das Isidis navigium gefeiert wird“).
  6. Apuleius, Metamorphosen 11,8–17.
  7. Ladislav Vidman: Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern. Epigraphische Studie zur Verbreitung und zu den Trägern des ägyptischen Kultes (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Band 29) Walter de Gruyter, Berlin 1970, S. 86.
  8. Reinhold Merkelbach: Isis regina − Zeus Sarapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt. 2., verbesserte Auflage. Saur, München 2001, S. 157.
  9. Sarolta Anna Takács: Ploiaphesia. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 9, Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01479-7, Sp. 1145.
  10. Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 38 f. Nr. 80–82 (Nr. 82 mit der Nennung einer Nauarchin).
  11. Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 58 f. Nr. 130 (Anfang 1. Jahrhundert oder früher).
  12. Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 168 Nr. 327 (aus dem 3. Jahrhundert).
  13. CIL 3,6980, Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 168 Nr. 328 (augusteisch).
  14. Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 94 Nr. 154 (1. Jahrhundert?).
  15. CIL 10,3350 Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 233 Nr. 500 (3. Jahrhundert).
  16. CIL 6,32772; Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 209 Nr. 428 (3. Jahrhundert).
  17. Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 304 Nr. 709.
  18. Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 162 Nr. 315 a (kaiserzeitlich).
  19. Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 165 Nr. 324 (hellenistisch?).
  20. Ladislav Vidman: Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapiacae. 1969, S. 155 f. Nr. 302 (zwischen 145 und 161 n. Chr.).
  21. Zusammenfassend: Ladislav Vidman: Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern. Epigraphische Studie zur Verbreitung und zu den Trägern des ägyptischen Kultes (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Band 29) Walter de Gruyter, Berlin 1970, S. 78–87.
  22. Ladislav Vidman: Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern. Epigraphische Studie zur Verbreitung und zu den Trägern des ägyptischen Kultes (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Band 29) Walter de Gruyter, Berlin 1970, S. 86 f.
  23. Kurt Latte: Römische Religionsgeschichte. (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Abt. 5, Teil 4). Beck, München 1960, S. 362 f.
  24. Andreas Alföldi: A festival of Isis in Rome under the Christian emperors of the IVth century (= Dissertationes pannonicae. Band 7). Harrassowitz, Leipzig 1937, bes. S. 46 f., zu den Münzprägungen: passim.
  25. Andreas Alföldi: A festival of Isis in Rome under the Christian emperors of the IVth century (= Dissertationes pannonicae. Band 7). Harrassowitz, Leipzig 1937, S. 36–50, derselbe: Die alexandrinischen Götter und die Vota publica. In: Jahrbuch für Antike und Christentum. Band 8–9, 1965–1966, S. 53–87.
  26. Als nicht zwingend sieht die Verbindung zum navigium Isidis Ladislav Vidman: Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern. Epigraphische Studie zur Verbreitung und zu den Trägern des ägyptischen Kultes (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Band 29) Walter de Gruyter, Berlin 1970, S. 77 f.; eher ablehnend auch John Gwyn Griffiths: Apuleius of Madaura: The Isis Book (Metamorphoses, Book XI). Brill, Leiden 1975, S. 267.
  27. Herbert Bloch: The Pagan Revival in the West at the End of the Fourth Century. In: Arnaldo Momigliano (Hrsg.): The Conflict Between Paganism and Christianity in the Fourth Century. Oxford 1963, S. 193–218; Alan Cameron schlug hingegen als Adressat den 384 gestorbenen Vettius Agorius Praetextatus vor: Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford University Press, Oxford/New York 2011, 273–319.
  28. Zu Rutilius Namatianus siehe Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford University Press, Oxford/New York 2011, 273–319.
  29. Einen Bezug stellt her Gail Corrington Streete: An Isis Aretalogy. In: Richard Valantasis (Hrsg.): Religions of Late Antiquity in Practice. Princeton University Press, Princeton 2000, S. 370, die sich auf Sharon Kelly Heyob: The Cult of Isis Among Women in the Graeco-Roman World. Brill, Leiden 1975, S. 35 beruft. Heoyb nimmt die Überlieferung jedoch nur als allgemeines Zeugnis für das Fortbestehen des Isiskultes zu dieser Zeit; so auch Reinhold Merkelbach: Isis Regina − Zeus Sarapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt. 2., verbesserte Auflage. Saur, München 2001, S. 156 § 290, der die Szene als ländliches Osirisfest auffasst.
  30. Andreas Alföldi: A festival of Isis in Rome under the Christian emperors of the IVth century (= Dissertationes pannonicae. Band 7). Harrassowitz, Leipzig 1937, S. 57 f.; Kurt Latte: Römische Religionsgeschichte. (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Abt. 5, Teil 4). Beck, München 1960, S. 362; Giampaolo di Cocco: Alle origini del Carnevale: Mysteria isiaci e miti cattolici. Pontecorboli, Florenz 2007.
  31. Hellmut Rosenfeld: Fastnacht und Karneval. Name, Geschichte, Wirklichkeit In: Archiv für Kulturgeschichte. Band 51, 1969, S. 175–181; zur Zusammenfassung des Forschungsstandes Wolfgang Herborn: Die Geschichte der Kölner Fastnacht von den Anfängen bis 1600 (= Publikationen des Kölnischen Stadtmuseums. Band 10). Olms, Hildesheim u. a. 2009, bes. S. 124–144.