Orakelknochen

Altchinesische Schriftzeuge

Auf Orakelknochen (chinesisch 甲骨, Pinyin Jiǎgǔ – „Knochenpanzer“) aus Yinxu, die während der Shang-Dynastie (ca. 1600–1000 v. Chr.) entstanden, finden sich die ersten Zeugnisse der chinesischen Schrift, die sogenannte Orakel-Schrift (甲骨文, Jiǎgǔwén – „Knochenpanzerschrift“), auch Orakelknocheninschrift (甲骨卜辭 / 甲骨卜辞, Jiǎgǔ Bǔcí – „Knochenpanzerorakelschrift“) genannt oder als Schildkrötenpanzer- und Tierknochenschrift (龜甲獸骨文 / 龟甲兽骨文, guījiǎ shòugǔwén) bekannt.

Orakel-Schriftzeichen auf einem Schildkrötenpanzer
Ein Orakelknochen

Sie dienten der Weissagung mit dem sogenannten Tierknochen-Orakel. Bei der Befragung des Orakels wurden die Knochen mit heißen Gegenständen erhitzt, um den Willen der Ahnen zu erfahren. Die beim Erhitzen entstehenden Risse und Sprünge wurden als Antwort der Ahnen interpretiert.[1][2] Für jede Befragung wurden die Knochen mit einem Vorwort, der Absichtserklärung oder dem Wunsch, der Anzahl und Deutung der Risse, der daraus geschlussfolgerten Voraussage und der Bestätigung ihres Eintretens beschriftet. Dabei wurden die Informationen häufig auf mehrere nummerierte Knochen verteilt.[3] Anschließend wurden die Orakelknochen archiviert.[4] Heute leisten sie einen erheblichen Beitrag zur Erforschung der frühen chinesischen Schrift. Das bisher erst zu einem Drittel verständliche Vokabular umfasste bereits rund 4.500 verschiedene Schriftzeichen[5].

Die ersten beschriebenen Orakelknochen wurden 1899 bei Anyang entdeckt[6]. Später förderten die ersten systematischen archäologischen Ausgrabungen (1928–1937) bei Anyang eine Vielzahl von Orakelknochen zutage. Heute beträgt die Anzahl der gefundenen Orakelknochen über 100.000[3] und die Fundstätte bei Anyang ist in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen worden.[5]

Siehe auch: Bronzeinschrift

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Orakelknochen – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Dieter Kuhn: Ostasien bis 1800 (= Neue Fischer-Weltgeschichte. Band 13). S. Fischer, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-10-010843-2, S. 92.
  2. Walter Flemmer: Das alte China (= Was ist was. Band 109). Tessloff, Nürnberg 2000, ISBN 3-7886-0672-X, S. 8.
  3. a b Dieter Kuhn: Ostasien bis 1800 (= Neue Fischer-Weltgeschichte. Band 13). S. Fischer, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-10-010843-2, S. 134.
  4. Michael Schimmelpfennig: Grundlagen herrschaftlicher Entscheidungsfindung im früh-kaiserlichen China. In: Michael Grünbart (Hrsg.): Unterstützung bei herrscherlichem Entscheiden: Experten und ihr Wissen in transkultureller und komparativer Perspektive. Kulturen des Entscheidens, 5. 1. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2020, ISBN 978-3-525-36097-2, S. 192 f., doi:10.1515/hzhz-2022-1300 (deutsch, englisch, Vorschau in der Google-Buchsuche – Alternativ-ISBN 978-3-647-36097-3 [als E-Book]).
  5. a b Die Yin-Ruinen – Chinas 33. Eintragung auf der UNESCO-Liste der Weltkulturerbe. In: china.org.cn. China Internet Information Center, 17. Oktober 2006, abgerufen am 3. Juli 2023 (Bericht über Ausgrabungen bei Anyang).
  6. Die Geschichte der chinesischen Schrift. In: chinalink.de. Wolfgang Odendahl, 14. Juli 2006, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. November 2022; abgerufen am 3. Juli 2023.