Noyan ist ein persischer und türkischer männlicher Vorname und Familienname mongolischer Herkunft mit der Bedeutung „Herr“[2], „Führer (einer Gruppe)“, „Prinz“, „Fürst“, „Edler“, „Oberbefehlshaber“, „Beschützer“, der auf eine Bezeichnung für nomadische Stammesführer, den daraus hervorgegangenen Adelstitel im Mongolischen Reich bzw. einen späteren mongolischen Ehrentitel zurückgeht.

Shiktur (Mitte), Noyan und Vizekönig im persischen Ilkhanat[1]. Timuridische Miniaturmalerei, 1430, Herat, heutiges Afghanistan

Der mongolische Ursprungsbegriff findet sich auch in der Schreibweise Noyon.

Geschichte Bearbeiten

Vor dem Mongolischen Reich regierten die Noyad (Plural von Noyan) als erbliche Stammesführer die nomadischen Gemeinschaften[3].

 
Lama, Dichter, Komponist und Pädagoge: Dulduityn Rawdschaa, der fünfte Noyan Qutuytu. Bild im Danzanrawdschaa Museum, Sainschand, Mongolei

Dschingis Khan griff bei der Gründung seines Reiches um 1190 auf diese bestehenden Strukturen zurück und ordnete sie nach dem Dezimalsystem. In seiner Gesellschaftsreform wurde die Bevölkerung in Einheiten von 1.000 oder 10.000 Haushalten eingeteilt, die sogenannten Minghan und Tumen. Über diese Familien und ihre Weideländer herrschte jeweils ein Noyan. Zu Kriegszeiten stellte ihm jeder Haushalt einen Kämpfer bereit. Die in Teilen der Literatur verwendete Übersetzung von Noyan als „Kommandant“ kritisiert der Sozialanthropologe und Mongolei-Experte David Sneath als irreführend. Durch die Reduzierung der Dezimaleinheiten und ihrer Herrscher auf das Militärische werde die ebenso bedeutsame soziale und zivile Ebene ausgeblendet.[4]

Im Zuge der Ausdehnung des Reiches erhielten die Noyad in den eroberten Ländern Gebiete, die sie weitgehend autonom regierten[3].

Nach dem Ende des Mongolischen Reiches existierte der Titel in den verschiedenen Nachfolgestaaten weiter, beispielsweise im persischen Ilkhanat oder im Tschagatai-Khanat. Je nach Region und Zeitraum konnte es sich um einen klar definierten Rang oder eine allgemeine Bezeichnung für Adelige handeln. Während der mongolisch-chinesischen Yuan-Dynastie wurde der Titel an alle Regierungsbeamten vergeben[3]. Im Laufe der Jahrhunderte verloren die offiziellen Funktionen an Relevanz und es erfolgte ein Bedeutungswandel hin zum Ehrentitel. Heute wird Noyan in der Mongolei als höfliche Anredeform wie „Sir“ oder „Mister“ verwendet sowie in einigen Ländern, die zuvor unter mongolischem Einfluss standen, als Vor- und Familienname.

Auch im mongolischen Buddhismus wird Noyan als Ehrentitel verwendet, wie für die Inkarnationsreihe der Noyon Khutagt (auch Noyan Qutugtu). Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist der als mongolischer Nationaldichter angesehene Dulduityn Rawdschaa.

Mythologie Bearbeiten

 
Schamanenfelsen am Übergang des Baikalsees in die Angara. Laut mongolischer Mythologie die Wohnstätte des Flussgeistes Ama Sagaan Noyon

In der mongolischen Mythologie ist Noyan eine Bezeichnung für Naturgeister. Sie gehören zu den sogenannten Herrengeistern und werden als Besitzer und Beschützer natürlicher Phänomene und Gebiete verehrt (z. B. Feuer, Wald, Fluss, Berg), mit denen sie eine Einheit bilden. Die Geister können in menschen- oder tierähnlicher Gestalt in Erscheinung treten. Sie gelten als Nachfahren von Gottheiten oder Ahnen. Verwandeln sich die Seelen verstorbener Schamanen oder Familien- und Sippenältester in einen Noyan, werden sie als Schutzgeister der Familie und Sippe angesehen.[5]

Namensträger Bearbeiten

Vorname Bearbeiten

  • Noyan Öz (* 1991), deutsch-türkischer Fußballspieler

Familienname Bearbeiten

Titel Bearbeiten

Sonstiges Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Jackson, Peter. "10. UNBELIEVING MONARCHS AND THEIR SERVANTS". The Mongols and the Islamic World: From Conquest to Conversion, New Haven: Yale University Press, 2018, p. 238 doi:10.12987/9780300227284-015
  2. Noyan im Namenswörterbuch der türkischen Sprache (türk.)
  3. a b c D. O. Morgan: Noyan. In: Encyclopaedia of Islam, Second Edition, Edited by: P. Bearman, Th. Bianquis, C. E. Bosworth, E. van Donzel, W. P. Heinrichs. doi:10.1163/1573-3912_islam_SIM_5959 2012, ISBN 978-90-04-16121-4, 1960–2007
  4. Sneath, David: The Headless State: Aristocratic Orders, Kinship Society, and Misrepresentations of Nomadic Inner Asia. Columbia University Press, New York 2007, ISBN 978-0-231-51167-4, S. 114 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Agnes Birtalan: Die Mythologie der mongolischen Volksreligion. in: Hans W. Haussig und Egidius Schmalzriedt (Hrsg.): Wörterbuch der Mythologie Band VII – Götter und Mythen in Zentralasien und Nordeurasien. (Zweiter Teil) Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-12-909871-2, S. 877–1098 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).