Altes Funkhaus (Weimar)

Bauwerk in Weimar
(Weitergeleitet von Nietzsche-Gedächtnishalle)

Das Alte Funkhaus befindet sich hinter dem Nietzsche-Archiv in der Weimarer Humboldtstraße 36a. Es ist ein Bau aus der Zeit des Nationalsozialismus. Das Gebäude, das heute meistens leer steht, sollte ursprünglich eine Nietzsche-Gedächtnishalle werden. In diesem Sinne wurde das Gebäude niemals fertiggestellt, zumindest nicht eingerichtet.[1] Es diente nach dem Zweiten Weltkrieg als Rundfunkgebäude und steht auf der Liste der Kulturdenkmale in Weimar (Einzeldenkmale).

Altes Funkhaus, Weimar

Bau- und Nutzungsgeschichte Bearbeiten

Planung als Nietzsche-Gedächtnisstätte Bearbeiten

 
Nietzsche-Gedächtnishalle Weimar – Eingangsbereich, Modell Paul Schultze-Naumburg, 1937

Die Idee zu einer Nietzsche-Gedächtnisstätte kam vermutlich 1934 von Elisabeth Förster-Nietzsche. Adolf Hitler selbst, der zwischen 1932 und 1935 mehrfach im Nietzsche-Archiv und damit bei Elisabeth Förster-Nietzsche weilte, (sogar noch einen Monat vor ihrem Tod Oktober 1935, wie auch eine Fotografie bezeugt[2]) gab im Oktober 1934 den Anstoß für konkrete Planungen, als er bei einem Besuch im Archiv 50.000 Reichsmark „aus persönlichen Mitteln“ stiftete. Bis 1938 kamen Spenden in Höhe einer halben Million Reichsmark zusammen; neben Privatleuten und verschiedenen staatlichen Ebenen spendeten insbesondere Reichsinnenminister Wilhelm Frick, die Carl-Zeiss-Werke und die Wilhelm-Gustloff-Stiftung. Thüringens Gauleiter Fritz Sauckel verpflichtete für den Erweiterungsbau, der zur Nietzsche-Gedächtnishalle werden sollte, den Architekten Paul Schultze-Naumburg. Allerdings hatte sich Schultze-Naumburg mit Adolf Hitler hinsichtlich der Bauplanung mehrerer Projekte überworfen, sodass dessen Entwürfe hierfür immer wieder abgelehnt wurden. Albert Speer lieferte letztlich den überarbeiteten Entwurf, wie er schließlich gebaut wurde.[3] Es sollte eine Nietzsche-Kultstätte werden, in die inhaltlich auch das Nietzsche-Archiv einbezogen wurde. Für Schultze-Naumburg war es der letzte große Entwurf für einen Einzelbau. Dabei ist dieser Bau nicht den Bauaufgaben der Nationalsozialisten entsprungen, sondern diese nahmen ältere Planungsabsichten auf.[4] In diesem Falle lagen diese im Jahre 1911 bei Harry Graf Kessler und Henry van de Velde, die auf dem Ettersberg ein Nietzsche zu Ehren gewidmetes monumentales Stadion mit einem Tempel als Zentralbau errichten wollten[5], wogegen sich heftiger Widerstand formierte u. a. von Elisabeth Förster-Nietzsche. Es kam so nicht zur Ausführung.[6] Hitler hatte diesen Erweiterungsbau weitaus eher gefördert als das Goethe-Nationalmuseum.[7]

„Der Entwurf sah einen klosterartigen Gebäudegrundriss mit großer Bibliothek, einigen Büroräumen und imposanten Sälen vor. Im Jahr 1937 wurde mit dem Bau begonnen, doch nach finanziellen sowie materiellen Engpässen konnte der Bau erst im Jahr 1940 fertiggestellt werden. Während der Bauphase wurde nachträglich ein Luftschutzraum im Gebäudekomplex installiert.“[8] Als Baumaterial ist Travertin verwendet worden. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde die Arbeit am unfertigen Bau fast völlig eingestellt. Die Bauunterbrechungen lagen nicht zuletzt am Gauforum Weimar, worauf die verfügbaren Ressourcen konzentriert wurden. Sowohl innen als auch außen ist es insofern typische NS-Architektur, da hier auf Monumentalität abgezielt wurde.

In der Endphase des Krieges wurde die Halle von der Wehrmacht und als Lager für Kunstsammlungen sowie den Hausrat ausgebombter Familien benutzt.[9]

Umnutzung als Funkhaus Bearbeiten

Nach Versuchssendungen ab November 1945 nahm der Landessender Weimar als Außenstelle des Berliner Rundfunks am 1. Dezember 1945 seine Arbeit auf. Offizieller Sendestart war der 1. Januar 1946. Der provisorische Standort des Senders im Hotel Elephant erwies sich als zu klein, während die unvollendete und von Kriegsschäden weitgehend verschont gebliebene Nietzsche-Gedächtnishalle leer stand und zudem reichlich Platz bot. Durch Umbau, unter anderem den Einzug eines Zwischengeschosses, wurde die Nietzsche-Gedächtnishalle zum Funkhaus umfunktioniert. Die von Benito Mussolini gestiftete Dionysos-Statue, die zunächst infolge der Bauarbeiten in den Garten des Nietzsche-Archivs versetzt wurde, kam letztlich in das Pergamonmuseum in Berlin. An ihrem eigentlichen Bestimmungsort wurde sie nie aufgestellt, weil ihre Größe für die Nischen in der Nietzsche-Gedächtnishalle zu umfangreich war.[10]

Die Fertigstellung des Funkhauses erfolgte 1946. Es nahm 1947 seinen Betrieb auf. Die offizielle Einweihung war am 11. Juni 1947. Erste Wortsendungen wurden ab dem 1. Juni 1947 ausgestrahlt. Zeit seines Bestehens hatte der Regional-Rundfunksender Sender Weimar hier sein Domizil, der im Rundfunk der DDR als Regionalsender für den Bezirk Erfurt vorgesehen war.[11] In dem Räumlichkeiten hatte auch das Studio Gera zeitweilig seine Redaktion. Das war zu einer Zeit, als das Funkhaus als Rundfunkschule genutzt wurde. Die Redaktion zog 1952 nach Gera. Das Geraer Funkhaus wurde aus Beständen aus dem Weimarer ausgestattet.

Von 1955 bis 1985 betrieb die DEFA im Funkhaus ein Synchronisationsstudio. Neben den Produktionsstätten in Berlin und Leipzig war dies das dritte Studio dieser Art. Die DEFA nutzte dafür als Untermieter den Kleinen Sendesaal des Weimarer Funkhauses.[12] Nach Auszug des DEFA-Synchronisationsstudios im Jahre 1985 nutzte der Sender Weimar wieder den Kleinen Sendesaal für eigene Produktionen.[11]

Nach der politischen Wende und der Umstrukturierung der Rundfunklandschaft Thüringens nutzte der Mitteldeutsche Rundfunk das Objekt bis zum Jahr 2000.[13]

Leerstand und Nutzungsperspektiven Bearbeiten

Seit dem Auszug des MDR steht das frühere Funkhaus meistens leer. Verhandlungen mit möglichen Investoren bzw. Versteigerungen scheiterten bislang.[14] Gelegentlich wird das Haus als Veranstaltungsraum genutzt.[15]

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. In der Doku-Reihe Böse Bauten wurde das Alte Funkhaus erwähnt. https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/boese-bauten-hitlers-architektur-von-weimar-bis-zum-krieg-106.html
  2. Matthias Steinbach: >>Also sprach Sarah Tustra<<. Nietzsches sozialistische Irrfahrten, Mitteldeutscher Verlag, Halle 2020, S. 25. ISBN 978-3-96311-424-3
  3. Altes Funkhaus Weimar auf Weimar-Lese
  4. Karina Loos: Die Inszenierung der Stadt. Planen und Bauen im Nationalsozialismus in Weimar. Bauhaus-Universität, Diss., Weimar 1999 online, S. 196.
  5. Art. Nietzsche-Denkmal, in: Gitta Günther, Wolfram Huschke, Walter Steiner (Hrsg.): Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1998, S. 334.
  6. Justus H. Ulbricht: »Deutsche Religion« und »Deutsche Kunst« Intellektuelle Sinnsuche und kulturelle Identitätskonstruktionen in der »Klassischen Moderne«, Diss. Jena 2006., S. 205.
  7. Karina Loos: Die Inszenierung der Stadt. Planen und Bauen im Nationalsozialismus in Weimar. Bauhaus-Universität, Diss., Weimar 1999 online, S. 197.
  8. Altes Funkhaus Weimar auf Weimar-Lese
  9. Simone Bogner: Die ehemalige Nietzsche Gedächtnishalle in Weimar von Paul Schultze Naumburg – Von der Kultstätte zum Rundfunkhaus. In: Weimar-Jena: Die große Stadt – Das kulturhistorische Archiv. Jahrgang 7, Heft 1, Jena 2014, S. 52–71. Auf VerlagVopelius.de, abgerufen am 30. September 2020.
  10. Karina Loos: Die Inszenierung der Stadt. Planen und Bauen im Nationalsozialismus in Weimar. Bauhaus-Universität, Diss., Weimar 1999 online, S. 194.
  11. a b Christian Handwerck: Funkhaus Weimar – Der vergessene Sender, http://www.history-weimar.de/sender/pdf/FG205_Seiten%20148-151_Weimar.pdf
  12. Klaus-Peter Wolf: Besuch im Synchronisationsstudio, in FF-Dabei 10/83, Berliner Verlag Berlin (DDR) 1983
  13. Nietzsche-Gedächtnishalle. In: Weimar im Nationalsozialismus – ein Stadtplan. Förderverein Buchenwald e.V., abgerufen am 24. November 2023.
  14. Funkstille beim alten Weimarer Funkhaus. In: thueringer-allgemeine.de. 2. März 2022, abgerufen am 24. Februar 2024.
  15. Simone Bogner: Die ehemalige Nietzsche Gedächtnishalle in Weimar von Paul Schultze Naumburg – Von der Kultstätte zum Rundfunkhaus. In: Weimar-Jena: Die große Stadt – Das kulturhistorische Archiv. Jahrgang 7, Heft 1, Jena 2014, S. 52–71.

Koordinaten: 50° 58′ 17,8″ N, 11° 19′ 1,5″ O