Moliseslawen (moliseslawisch Zlav, veraltet auch Škavun), auch Molisekroaten[1] (kroatisch moliški hrvati) genannt, sind eine ethnische Minderheit in der italienischen Region Molise, die ganz überwiegend in den Ortschaften Acquaviva Collecroce (Kruč), Montemitro (Mundimitar) und San Felice del Molise (Štifilić) siedelt. In Italien wird die Bevölkerung als minoranza croata („kroatische Minderheit“) bezeichnet. In ersteren beiden Ortschaften bildet sie die Bevölkerungsmehrheit.[2] Es gibt etwa 1700 Sprecher des Moliseslawischen.

Im 18. und 19. Jahrhundert nahm man an, die Vorfahren der heutigen Moliseslawen seien im 13. Jahrhundert eingewandert.[3] Aufgrund geschichts- und sprachwissenschaftlicher Argumente wird heute jedoch davon ausgegangen, dass die Migration um 1500 erfolgte.[4] Das Auswanderungsgebiet der damaligen Migranten ist umstritten: Die Mehrzahl der Forscher nimmt Istrien als Quellregion an,[3] es gibt jedoch auch Stimmen, die das dalmatinische Hinterland des Neretvagebiets in der Herzegowina als Ursprungsgebiet favorisieren.[5]

Bevölkerungsentwicklung in den von Moliseslawen bewohnten Dörfern gemäß ISTAT-Daten[6]

Lange genossen die Moliseslawen in Italien keinen offiziellen Minderheitenstatus und verfügen, abgesehen vom World Wide Web, über keinerlei massenmediale Vehikel.[3] Seit Mitte 1997 ist „Kroatisch“ (il croato) als Minderheitensprache in der Provinz Molise anerkannt.[7]

Die Bevölkerung in den drei von Moliseslawen bewohnten Dörfern ist seit Jahrzehnten rückläufig;[6] eine große Zahl von Moliseslawen ist insbesondere nach Argentinien und Westaustralien ausgewandert.[2] Von kroatischer Seite wird eine Zugehörigkeit zum Kroatentum propagiert, die in Montemitro weitgehend akzeptiert wird, in Acquaviva jedoch nicht fruchtet.[2] Obwohl noch 1913 ihre Sprachkonservativität hervorgehoben wurde,[8] sind die Moliseslawen heute bilingual und sprechen auch Italienisch.[2]

Im September 1884 untersuchte Risto Kovačić, Mitglied der Serbischen Gesellschaft der Gebildeten (Srpsko uceno drustvo), Slawistikprofessor an der Universität Rom, die etwa 4000 Einwohner umfassende slawisch sprechende Gemeinde in Molise. Kovačić beschrieb, dass Moliseslawen damals die Eigenbezeichnung Slavi Serbi verwendeten und einen älteren serbischen Dialekt sprachen. Außerdem praktizierten sie den für orthodoxe Serben typischen Brauch des Badnjak, bei dem zu Weihnachten ein Eichenzweig oder eine junge Eiche geschlagen und verbrannt wird. In Häusern wohlhabender Moliseserben befänden sich Porträts des Königs Milan Obrenović II. und seiner Ehefrau Natalie, Petar II. Petrović-Njegoš', Dositej Obradovićs, Vuk Karadžićs und Branko Radičevićs. Jedoch sprächen nur ältere Personen die serbische Sprache.[9]

Quellen Bearbeiten

  1. Konrad Clewing, Oliver Jens Schmitt: Geschichte Südosteuropas. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2012, S. 165.
  2. a b c d Walter Breu: Moliseslawisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens (= Wieser-Enzyklopädie des europäischen Ostens. Band 10). Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002, ISBN 3-85129-510-2, S. 315–317, 315 (aau.at [PDF; 119 kB]).
  3. a b c Research Centre of Multilingualism (Universitat Oberta de Catalunya): Le croate en Italie, <http://www.uoc.edu/euromosaic/web/document/croat/fr/i2/i2.html>, letzter Zugriff: 28. Juni 2007.
  4. Walter Breu: Moliseslawisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens (= Wieser-Enzyklopädie des europäischen Ostens. Band 10). Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002, ISBN 3-85129-510-2, S. 315–317, 316 (aau.at [PDF; 119 kB]).
  5. Walter Breu: Moliseslawisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens (= Wieser-Enzyklopädie des europäischen Ostens. Band 10). Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002, ISBN 3-85129-510-2, S. 315–317, 315 (aau.at [PDF; 119 kB]).
    Toso, Fiorenzo et al.: „Schede sulle minoranze tutelate dalla Legge 482/1999 (Memento des Originals vom 23. Februar 2010 im Webarchiv archive.today)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/web.uniud.it“, <http://web.uniud.it/cip/min_tutelate_scheda.htm>, letzter Zugriff: 28. Juni 2007.
  6. a b Slawistik an der Universität Konstanz: „Statistik“, <http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Sprachwiss/slavistik/acqua/statistik.htm>, letzter Zugriff: 28. Juni 2007.
  7. Provinz Molise: Legge Regionale No. 15 (Memento des Originals vom 22. Juni 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/web.uniud.it, Campobasso: Regione Molise.
  8. Churchill, William (1913): „Review of Die serbokroatischen Kolonien Süditaliens by Milan Resetar“, Bulletin of the American Geographical Society 45 (4): 303f.
  9. Risto Kovačić: Srpske naseobine u Južnoj Italiji, Glasnik Srpskog učenog društva 62, 1885.

Literatur Bearbeiten

  • Josip Aranza (1892): Woher die südslavischen Colonien in Süditalien. In: Archiv für slavische Philologie 14: 78–82.
  • Walter Breu (2017): Moliseslavische Texte aus Acquaviva Collecroce, Montemitro und San Felice del Molise (= Slavische Mikrosprachen im absoluten Sprachkontakt, Teil 1). Harrassowitz, Wiesbaden, ISBN 978-3-447-10865-2.
  • Emil Heršak (1982): Hrvati u talijanskoj pokrajini Molise, Teme o iseljeništvu. br. 11, Centar za istraživanje migracija, Zagreb 1982, 49 str. lit 16.
  • Risto Kovačić (1885): Srpske naseobine u Južnoj Italiji, Glasnik Srpskog učenog društva 62, 1885.
  • Vesna Kukvica (2005): Iseljenički horizonti, Prikazi i feljtoni (ur.: Željka Lovrenčić), Hrvatska matica iseljenika, Zagreb, ISBN 953-6525-37-2, article "Migracije Moliških Hrvata u Zapadnu Australiju" (Migrations of Molise Croats in Western Australia).
  • Milan Rešetar (1911): Die serbokroatischen Kolonien Süditaliens. Hölder, Wien (= Schriften der Balkancommission, Linguistische Abteilung / Kaiserliche Akademie der Wissenschaften Bd. 9:1, Südslawische Dialektstudien; H. 5).

Weblinks Bearbeiten