Meidlinger Friedhof

Friedhof in Österreich

Der Meidlinger Friedhof ist ein städtischer Friedhof im 12. Wiener Gemeindebezirk Meidling, Haidackergasse 6. Er besteht aus zwei Teilen, die durch die Eibesbrunnergasse getrennt werden, wo sich auch zwei weitere Eingänge befinden. Er erstreckt sich zwischen der Haidackergasse, der Unter-Meidlinger Straße, der Kundratstraße und der Kerschensteinergasse. Das Areal ist dem Meidlinger Bahnhof und der Südbahn benachbart.

Meidlinger Friedhof
Luftbild des Meidlinger Friedhofes, Blick von Nordosten; rechts der Bahnhof Wien Meidling
Grüfte der Familien Miller zu Aichholz und Sommaruga
Urnengräber
Feldhamster-Hinweis-Tafel am Meidlinger Friedhof
Grabvandalismus im Oktober 2010
Künstlerisch gestaltetes Grab am Meidlinger Friedhof

Geschichte

Bearbeiten

Der Meidlinger Friedhof gilt als einer der ältesten Friedhöfe Wiens, die heute noch benutzt werden. Der einstige Wiener Vorort Meidling hatte bereits 1784 einen ersten Friedhof, der an der Stelle der heutigen Vierthalergasse 11 lag und 1806 wieder aufgegeben werden musste, da es zu irreparablen Wassereinbrüchen kam.

In unmittelbarer Nähe dieses ältesten Meidlinger Friedhofs stellte der Bürger Johann Putz ein Grundstück kostenlos zur Verfügung, das sich ungefähr bei den heutigen Straßenzügen Sechtergasse, Pachmüllergasse, Zeleborgasse befand. Dieser zweite Friedhof wurde 1807 eingeweiht. Infolge einer Choleraseuche, die viele Todesopfer forderte, und auf Grund der allgemeinen Bevölkerungszunahme in Meidling musste der Friedhof 1831 und nochmals 1859 vergrößert werden.

Da aber auch diese Erweiterungen schließlich unzureichend waren, verlegte man den Friedhof neuerlich in weiter außerhalb gelegenes unbewohntes Gebiet beim Meidlinger Bahnhof. Die Gemeinden Obermeidling, Untermeidling und Gaudenzdorf beteiligten sich gemeinsam an dem Projekt und teilten sich auch die Kosten auf. Am 6. August 1862 wurde dieser Friedhof, der dem jetzigen Standort entspricht, eingeweiht. Im Laufe von 5 Jahren wurden die Gräber vom alten Friedhof hierher übertragen. Auch der neue Meidlinger Friedhof wurde einige Male erweitert. 1927 erhielt er eine Urnennischenanlage.

Laut einem Gemeinderatsbeschluss vom Jahr 1953 sollte unter anderem der Meidinger Friedhof gesperrt werden, was aber den Weiterbestand bedeutet hätte. Am 30. Mai 1975 fiel jedoch im Gemeinderat der Beschluss, den Meidlinger und 15 andere Friedhöfe ab dem Jahr 1995 aufzulassen, was die Freigabe der Flächen für andere Zwecke bedeutet hätte.

Nach zum Teil heftigen Protesten wurde zwischen dem 16. und 18. März 1980 eine Volksabstimmung über den Weiterbestand der bedrohten Friedhöfe abgehalten. Von 338.715 abgegebenen Stimmen entschieden 63,2 Prozent für die Erhaltung der Friedhöfe[1].

1984 wurde eine neue Aufbahrungshalle nach Plänen des Architekten Erich Boltenstern errichtet.

In den 1990er Jahren lebte am Meidlinger Friedhof eine große Feldhamster-Population, auf deren besondere Schutzwürdigkeit mehrere Tierschutzorganisationen durch Hinweisschilder aufmerksam gemacht haben, die Ende der 1990er Jahre sukzessive entfernt wurden, da der Meidlinger Friedhof seither wieder verstärkt für Begräbnisse genutzt wird. Nachdem im Frühjahr und Sommer 2018 mehrere Dutzend teils verstümmelte Hamsterkadaver gefunden wurden, die den Verdacht erweckt haben, dass den artgeschützten Hamstern systematisch nach dem Leben getrachtet werde, haben das Wiener Umweltamt und die Wiener Friedhofsverwaltung im Herbst 2018 eigens eine Hinweistafel aufgestellt, die auf die besondere Schutzwürdigkeit der vom Aussterben bedrohten Feldhamster aufmerksam macht.[2][3]

Zwischen 2004 und 2012 wurde der Meidlinger Friedhof regelmäßig von Vandalen heimgesucht. So brachen etwa am 16. Oktober 2004 Vandalen in die Aufbahrungshalle ein, wo sie den Sarg einer Aufgebahrten auf den Boden geworfen haben, die dabei aus dem Sarg fiel.[4] In der Folge kam es laufend zu mehr oder weniger umfangreicheren Grabschändungen: allein Ende November 2009 wurden 55 Gräber demoliert.[5] Im Herbst 2010 kam es zu besonders massiven Zerstörungen: alleine im September und Oktober 2010 wurden an die 250 Gräber (Grabsteine und Grabplatten) demoliert, was einen geschätzten Sachschaden von 300.000 Euro ausmacht.[6][7] Auch im November 2011 kam es zu Verwüstungen.[8]

Grabstätten bedeutender Persönlichkeiten

Bearbeiten

Obwohl der Meidlinger Friedhof über eine große Anzahl an alten Gräbern verfügt, sind hier nur wenige bedeutende Persönlichkeiten begraben, und auch diese sind meist nur lokal relevant.

Ehrenhalber gewidmete Gräber

Bearbeiten
 
Carl Lorens
 
Josephine Haas

Der Meidlinger Friedhof weist 42 ehrenhalber gewidmete Gräber auf.[9] Dazu zählen auch die Grabstellen von 24 Franziskanerinnen und die Gräber von drei der Opfer des Ringtheaterbrandes von 1881.

Name Lebensdaten Tätigkeit
Hanna Berger 1910–1962 Choreographin und Tänzerin
Hans Weiner-Dillmann 1903–1990 Operettenkomponist
Max Fiebiger 1867–1958 Stadtbaudirektor
Josef Leopold Gierster 1800–1863 Brauhausbesitzer und erster Bürgermeister von Gaudenzdorf
Otto Glöckel 1874–1935 Politiker und Schulreformer
Emanuel Herrmann 1839–1902 Nationalökonom, Erfinder der Postkarte
Carl Lorens 1851–1909 Komponist von Wienerliedern
Sophie von Löwenthal 1810–1889 Schriftstellerin
Alois Massak 1922–1984 Polizeioberst und Sprengstoffexperte
Franz Palm –1878 Gründer einer Kindergartenstiftung
Karl Richter 1872–1935 Politiker und Redakteur
Josef Rucker 1826–1893 Baumeister und Politiker
Rudolf Satran 1886–1963 Theater- und Varietedirektor
Anton Steinböck 1858–1889 Löschmeister der städtischen Feuerwehr
Johann Wollinger 1915–1965 Politiker
Ignaz Zelebor 1816–1890 Bürgermeister von Untermeidling

Gräber weiterer Persönlichkeiten

Bearbeiten

Weitere bedeutende Persönlichkeiten, die am Meidlinger Friedhof begraben wurden bzw. deren Grab sich dort befindet oder befand:

Name Lebensdaten Tätigkeit
August Aichhorn 1878–1949 Pädagoge und Psychoanalytiker
Adolf Ario 1907–1981 Schauspieler
Christian Awart 1933–2009 Tischtennisspieler
Eugenie Bernay 1891–1971 Schauspielerin
Ignaz Rudolf Bischoff 1784–1850 Arzt
Karl Bohmann 1909–1999 Motorradrennfahrer
Ernst Bokon 1922–1991 Fußballspieler
Friedrich Chlubna 1946–2005 Schachkomponist
Edmund Czada 1861–1920 Stadtbaumeister[10]
Leopoldine Glöckel 1871–1937 sozialistische Politikerin
Josephine Haas von Längenfeld-Pfalzheim 1783–1846 Wohltäterin und Stifterin
Franz Hemala 1877–1943 Politiker
Josef Hofbauer 1875–1936 Architekt
Margarethe Hübsch 1903–1983 Oberärztin (Grab aufgelassen)
Gertrud Jaklin 1916–1998 Richterin (Grab aufgelassen)
Karl Jestrab 1907–1980 Fußballspieler
Franz Korinek 1907–1985 Jurist und Politiker
Karl Korinek 1940–2017 Verfassungsjurist
Otto Kratky 1902–1995 Physikochemiker
Ingrid Kretschmer 1939–2011 Kartographin
Wilhelm Liwanec 1915–1968 Politiker
Walter Macher 1915–1993 Politiker
Familie Miller zu Aichholz Großindustrielle
Theo Öhlinger 1939–2023 Verfassungsjurist
Karl Pink 1884–1965 Numismatiker
Michael Maria Rabenlechner 1868–1952 Lyriker
Eugen Seydel 1879–1958 Polizeipräsident (Grab aufgelassen)
Franz Seraph von Sommaruga 1780–1860 Politiker
Helmut Siderits 1939–2023 Schauspieler
Gerhard Steinacher 1920–1940 Von den Nationalsozialisten hingerichteter Kriegsdienstverweigerer[11]
Karl Stojka 1931–2003 Roma-Künstler
Fritz Stüber-Gunther 1872–1922 Schriftsteller (wurde in ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof verlegt)
Anton Velim 1892–1954 Maler (Grab aufgelassen)
Josef Vytiska 1905–1986 Architekt
Hans Wiltschek 1911–1999 Boxer
Karl Zlatarits 1877–1970 Bergarbeiter

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Werner T. Bauer: Wiener Friedhofsführer. Genaue Beschreibung sämtlicher Begräbnisstätten nebst einer Geschichte des Wiener Bestattungswesens. Falter Verlag, Wien 2004, ISBN 3-85439-335-0
  • Ludwig Varga: Friedhöfe in Meidling – Geschichte der sechs Friedhöfe auf dem Gebiet des 12. Wiener Gemeindebezirks, Blätter des Meidlinger Bezirksmuseums, Wien 2017, Heft 80.
Bearbeiten
Commons: Meidlinger Friedhof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Werner T. Bauer: Wiener Friedhofsführer
  2. Presseaussendung der "Stadt Wien": Ein friedvolles Zuhause für die Meidlinger Feldhamster.
  3. Richard Rode: Hamster im Novemberglück.
  4. Kurier: Vandalen stießen Leiche aus Sarg. 16. Oktober 2004. S. 12
  5. Friedhof Meidling: 55 Grabsteine umgestoßen. ORF: Wien. 23. November 2009.
  6. Kronen Zeitung: Friedhof Wien-Meidling über Nacht verwüstet. 2. November 2010.
  7. ORF: Friedhof Meidling: 300.000 Euro Schaden. 2. November 2010.
  8. Vandalen verwüsteten Meidlinger Friedhof. ORF Wien, 20. November 2011
  9. Friedhöfe Wien GmbH – Ehrenhalb gewidmete Gräber des Friedhofs Meidling, Jänner 2008 (PDF, abgerufen am 15. Dezember 2008; 83 kB)
  10. Edmund Czada im Architektenlexikon. Wien 1770-1945
  11. Orange 94.0: Die Akte Steinacher.

Koordinaten: 48° 10′ 25″ N, 16° 20′ 23″ O