Medici-Kapelle
Die Medici-Kapellen (Cappelle Medicee) in Florenz sind die Grabkapellen des Fürstengeschlechtes der Medici an der Kirche San Lorenzo. Es handelt sich dabei um die Neue Sakristei und die Fürstenkapelle (zudem sind auch in der Alten Sakristei Angehörige der Medici begraben). Sie sind nicht von der Kirche aus zugänglich, sondern nur durch einen separaten Eingang.


Die Neue Sakristei Bearbeiten
Geschichte Bearbeiten
Der Medici-Papst Leo X. wollte seinen verstorbenen Verwandten ein Denkmal setzen, als er 1520 den Bau der Neuen Sakristei beauftragte. Sie gilt als eines der bedeutendsten Werke Michelangelos, der Skulptur und Architektur gestaltete.
Kunstgeschichte und Architektur Bearbeiten
In der Neuen Sakristei Michelangelos von 1521 sind die Gliederungsformen wesentlich reichhaltiger und dynamischer geworden im Vergleich zur alten Sakristei von 1418, die Tendenz geht wieder mehr in die Höhe. Die Fenster oben in der Mitte sind teilweise blind, also nur Dekoration, aber sie ziehen den Blick nach oben und machen den Raum größer. Das sind Tendenzen, die langsam den Barock ankündigen.
Viele Details der plastischen Formen erinnern an die Antike. Die Wand wird keineswegs mehr als glatte Fläche gelassen wie noch bei Brunelleschi in der alten Sakristei der Frührenaissance, auch die oberen Fenster sind mit deutlich profilierten Dreiecksgiebeln bekrönt usw. Das sind die Kunstformen der Hochrenaissance.
Die Skulpturen Michelangelos Bearbeiten
Michelangelo hat die Architektur des Raumes und ab 1524 (bis 1533) das plastische Programm geschaffen, das nicht ganz vollendet ist. Dieses Mausoleum ist das erste Beispiel neuerer Kunstgeschichte, in der Architektur und Ausstattung von einem Künstler konzipiert wurden.[1]
Michelangelo hat die Grabmäler der beiden Mediceer Lorenzo di Piero de’ Medici (Herzog von Urbino) und Giuliano di Lorenzo de’ Medici (Herzog von Nemours) mit einem neuartigen Figurenprogramm versehen. Jede Gruppe besteht aus drei Figuren, dem idealisierten Verstorbenen oben und jeweils zwei Gottheiten zu seinen Füßen,[1] die die vier Zeiten des Tages: den Abend und den Morgen bei Lorenzo, die Nacht und den Tag bei Giuliano, die Schöpfung und den Beginn des Lebens durch weibliche, die handelnde Seite des Tages und des Abends durch männliche Figuren darstellt. Geplant waren zunächst vier Gruppen, für jede Wand eine. Es fehlen die für Lorenzo, den Prächtigen, und für Giuliano, seinen Bruder. Diese groß angelegte Konzeption sollte den Herrschaftsanspruch des Hauses Medici dokumentieren, die mittlerweile fürstlichen und sogar päpstlichen Rang erlangt hatten.[1]
Die oberen Medici-Skulpturen sind keine bloßen Nachbildungen der Verstorbenen. Der symbolischen Ausdruckswerk des Skulpturenprogramms eröffnet unterschiedliche Deutungen zu den einzelnen Figuren und ihrem Verhältnis zueinander.[1]
Bei Lorenzo hat Michelangelo beispielsweise gleichzeitig die vita contemplativa, also das besinnliche Leben dargestellt (weshalb die Statue auch „Penseroso“ genannt wird und mit dem Gott Saturn verglichen wird); bei Giuliano die vita activa, das handelnde Leben (und Sinnbild des Gottes Jupiter). Deutlich ist die Anspielung zu römischen Porträts und antiken Kaiserbildnissen.[1]
Statue der Aurora Bearbeiten
Den Gestalten zu Füßen der Medici-Fürsten wohnt eine ernste, lastende Schwere inne ohne Ausdruck von Heldenverehrung. Stattdessen hat Michelangelo Symbolisierungen der unentrinnbaren Zeit geschaffen, die auch über fürstlichen Glanz triumphiert.
Bei der Statue der Aurora (Morgendämmerung) hat Michelangelo einer weiblichen Figur wie so häufig einen muskulösen Körper gegeben und bei der Gestaltung des Busens eine auffallend ungeschickte und unharmonische Form gefunden. Die Brüste wirken wie aufgesetzt und zeigen eine etwas merkwürdige ‚Einschnürung’. Hierfür wurden unterschiedliche Erklärungen, auch mit Blick auf die Persönlichkeit Michelangelos, gesucht. Teilweise wird dies mit Michelangelos Wahl männlicher Modelle, eher seinem Körperideal entsprachen erklärt.[2] Michelangelo konnte oder wollte keine nackten Frauen gestalten, weder malerisch noch bildhauerisch.
So wenig ‚weiblich‘ die Allegorie der Morgenröte auch wirken mag, für Michelangelos Zeitgenossen war sie – und die gegenüberliegende Allegorie der Nacht – eine revolutionäre Neuerung der Darstellung des unverhüllten weiblichen Körpers, die erst im 2. Drittel des 16. Jh. üblich wurde.[1]
Die Giuliano-Gruppe Bearbeiten
Bei der weiblichen Figur der „Nacht“ greift Michelangelo in der Gestaltung des Kopfes deutlich klassische griechische Vorbilder auf, aber auch nur hier. Der Rest des Körpers hat mit griechischer Kunst wenig zu tun.
Auch bei dieser Plastik der „Tages“ zeigt sich dagegen die fast quälende Gespanntheit, mit der die massige Figur in ihrem Material „ruht“ und es zu sprengen scheint, also gleichsam seine materiale Gebundenheit verlassen will. Eine ganze Reihe verschiedener Bewegungsmotive sind hier in einer einzigen Figur zusammengefasst, was sich in etwa mit der Form einer Serpentine vergleichen lässt, also einer in sich gedrehten Figur, ähnlich wie vorhin bei der Pietà. Auch hier also eine „Figura serpentinata“. Mit solchen Bewegungsstudien hat sich Michelangelo in der zweiten Hälfte seines Lebens immer wieder auseinandergesetzt.[1]
Madonna mit Kind Bearbeiten
Die Gruppe „Madonna mit Kind“ ist unvollendet. Michelangelo hat auch hier in dieser Zweiergruppe eine spiralförmige Aufwärtsbewegung geschaffen, wobei die beiden Bewegungen des Kindes mit der der Mutter als Ausdruck besonders enger Verbindung ineinander verschränkt wurden. Die Beine der Madonna sind übereinander gelegt und das Kind reitet in einer Art auf dem Schenkel, als dass eine Bewegung zum Trinken vermutet werden kann. Während sie mit der einen Hand das Kind stützt, stützt sie sich selbst mit der anderen Hand.[3]
Die Fürstenkapelle Bearbeiten
In der 1605 von Matteo Nigetti und dem mediceischen Hausarchitekten Bernardo Buontalenti erbauten Fürstenkapelle (Cappella dei Principi), einer großen gewölbten oktogonalen Halle, befindet sich die Grablege jener späteren Angehörigen der Familie, die in der alten und der neuen Sakristei der Basilika keinen Platz mehr fanden. Sie stammt aus der Zeit nach der Erhebung der Medici in den Großherzogsstand. Die Ausstattung in Marmorintarsien (pietra dura) gilt als Meisterwerk der Florentiner Steinschneiderschule Opificio delle Pietre Dure. Fast fünfzig weniger bedeutende Familienmitglieder sind in der Krypta begraben.
Grabmonumente in der Fürstenkapelle Bearbeiten
- Cosimo I. (Cappella dei Principi)
- Cosimo II. (Cappella dei Principi)
- Cosimo III. (Cappella dei Principi)
- Ferdinando I. (Cappella dei Principi)
- Ferdinando II. (Cappella dei Principi)
- Ferdinando III. (Krypta)
- Francesco I. (Cappella dei Principi)
Literatur Bearbeiten
- James S. Ackerman: The Architecture of Michelangelo. Band 1: Text and plates (= Studies in Architecture. Bd. 4, ISSN 0562-3588). Zwemmer, London 1961, S. 71–96.
- Renzo Chiarelli: San Lorenzo und die Medici-Kapellen. Becocci, Florenz 1976, S. 36–66.
- Alessandro Nova: Michelangelo. Der Architekt. Belser, Stuttgart u. a. 1984, ISBN 3-7630-1798-4, S. 37–112.
- Anny E. Popp: Die Medici-Kapelle Michelangelos. O. C. Recht, München 1922.
- Klaus Zimmermanns: Florenz. Ein europäisches Zentrum der Kunst. Geschichte, Denkmäler, Sammlungen. 6. Auflage. DuMont, Köln 1990, ISBN 3-7701-1441-8, S. 252, Abb. 87–92.
- Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Könemann, Köln 1994, ISBN 3-89508-054-3, S. 224.
- Edith Balas: Michelangelo’s Medici Chapel. A new Interpretation (= Memoirs of the American Philosophical Society. 216). American Philosophical Society, Philadelphia PA 1995, ISBN 0-87169-216-3.
- James Beck, Antonio Paolucci, Bruno Santi: Michelangelo. The Medici Chapel. Thames and Hudson, London u. a. 2000, ISBN 0-500-23690-9.
- Peter Barenboim: Michelangelo Drawings. Key to the Medici Chapel Interpretation. Letny Sad, Moskau 2006, ISBN 5-98856-016-4.
- Peter Barenboim, Alexander Zakharov: Мышь Медичи и Микеланджело. Капелла Медичи. = Il topo dei Medici e Michelangeio. Capella Medicea. Letny Sad, Moskau 2006, ISBN 5-98856-012-1.
- Peter Barenboim, Sergey Shiyan: Загадки капеллы Медичи. = Michelangelo. Mysteries of Medici Chapel. Slowo, Moskau 2006, ISBN 5-85050-825-2.
Einzelnachweise Bearbeiten
Weblinks Bearbeiten
Koordinaten: 43° 46′ 30,5″ N, 11° 15′ 12,9″ O