Massaker von Hola

Ereignis in Kenia 1959

Das Massaker von Hola ereignete sich im Jahr 1959 während des Mau-Mau-Kriegs in der britischen Kolonie Kenia. Im Gefangenenlager Hola nahe der gleichnamigen Stadt kamen 11 Insassen gewaltsam zu Tode; die Aufdeckung von Vertuschungsversuchen der Kolonialverwaltung beschleunigte das Erreichen der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1963.[1]

Hola
Hola (Kenia)
Hola (Kenia)
Hola
Koordinaten 1° 24′ S, 40° 0′ OKoordinaten: 1° 24′ S, 40° 0′ O
Basisdaten
Staat Kenia

Das Massaker Bearbeiten

Das Lager Hola wurde eingerichtet, um Häftlinge unterzubringen, die als besonders „hartgesotten“ eingestuft wurden. Im Januar 1959 zählte das Lager 506 Häftlinge, von denen 127 in einem abgelegenen geschlossenen Lager untergebracht waren. Dieses abgelegenere Lager war den unkooperativsten Häftlingen vorbehalten. Sie verweigerten sich selbst unter Androhung von Gewalt der Teilnahme am „kolonialen Rehabilitationsprozess“, körperlicher Arbeit und der Befolgung von Befehlen.

Der Lagerkommandant entwarf deswegen einen Plan, nach dem 88 der Häftlinge zur Arbeit gezwungen werden sollten. Am 3. März 1959 wurde dieser Plan in die Tat umgesetzt – mit dem Ergebnis, dass 11 der Häftlinge von Wachleuten zu Tode geprügelt wurden.[2] Die 77 überlebenden Häftlinge trugen schwere Dauerschäden davon.[3]

Umgang mit den Geschehnissen Bearbeiten

Vertuschungsversuch und Aufdeckung Bearbeiten

Der erste Bericht über den Vorfall erschien in der Zeitung East African Standard. Der Artikel auf der Titelseite berichtete, dass zehn Menschen im Hola-Gefangenenlager gestorben seien. Die Zeitung zitierte die offizielle Erklärung der Kolonialbehörden: „Die Männer gehörten zu einer Gruppe von etwa 100 Personen, die mit dem Ausheben von Gräben beschäftigt waren. Die Todesfälle ereigneten sich, nachdem sie Wasser aus einem Wasserwagen getrunken hatten, der von allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe und den Wächtern benutzt wurde.“[4][5]

Einige der frühen Berichte erwähnen den Vorfall höchstens am Rande, da viele dieser Berichte entweder von der britischen oder von der Kolonialregierung herausgegebene oder finanzierte Publikationen waren. Die Mehrzahl der Sekundärtexte, die im ersten Jahrzehnt nach dem Massaker veröffentlicht wurden, sympathisierten mit der britischen bzw. kolonialen Sichtweise.[6]

In den ersten Wochen wurden jedoch weitere Informationen über den Vorfall bekannt. Eine Untersuchung der Todesfälle ergab, dass die 11 Häftlinge nicht an verdorbenem Wasser, sondern an den Folgen von Gewalt gestorben waren. Der gerichtsmedizinische Befund lautete: „Sie starben […] nach zahlreichen Schlägen und anderen Verletzungen.“[7] Im Juni tauchte in internationalen Medien der Begriff „Hola Scandal“ auf. Berichten zufolge seien am 3. März 1959 85 Häftlinge zur Arbeit aufgefordert worden, doch hätten sich die meisten von ihnen auf den Boden geworfen und die Arbeit verweigert, woraufhin sie von den Wärtern geschlagen worden seien. Als Ergebnis lagen dem Bericht zufolge am Ende 11 Häftlinge im Sterben und weitere 23 mussten im Krankenhaus behandelt werden.[8]

 
Gedenkstätte für das Massaker am Stadtrand von Hola

Betrachtung im geschichtlichen Kontext Bearbeiten

Wissenschaftliche Forschungen deckten auf, dass ein Großteil der Geschichte der britischen und kolonialen Verwaltung während des Übergangs zur Unabhängigkeit in Kenia vertuscht und viele offizielle Dokumente während des Übergangs absichtlich vernichtet wurden.

Die amerikanische Historikerin Caroline Elkins konnte anhand von verfügbaren Originaldokumenten und durch Interviews mit überlebenden Kenianern und Kolonialbeamten nachweisen, dass ein Teil des Hola-Gefängnisses als Straflager für diejenigen Mau-Mau-Aufständischen genutzt wurde, die sich weigerten, ihren Eid oder ihre Zugehörigkeit zur Bewegung zu widerrufen. Die Gefangenen dort wurden systematisch physisch und psychisch misshandelt, um ihren Willen zu brechen.[9]

Politische Konsequenzen Bearbeiten

Nach der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse kam es auf Betreiben der Opposition zu einer Debatte im Unterhaus.[10] Die zunehmende negative Publizität und die Forderung nach weiteren Untersuchungen der Menschenrechtsverletzungen in den Lagern führten dazu, dass die britische Regierung ihre Unterstützung für die Verwaltung der Kolonie Kenia einschränkte und den Weg zur Unabhängigkeit Kenias rascher beschritt.[11]

Die in der Öffentlichkeit geführte Debatte veranlasste die britische Regierung, Maßnahmen zu ergreifen, um das sich verschlechternde Bild Großbritanniens aufzubessern. Die kolonialen Gefangenenlager in Kenia wurden geschlossen und die Gefangenen bald darauf freigelassen.[12] In diesem Zusammenhang wurde auch versucht, die britischen Interessen in Afrika ohne Gewaltanwendung zu wahren, was indirekt zu einer Beschleunigung der Unabhängigkeit der britischen Kolonien in Afrika führte.[13]

Die Kolonialregierung änderte den Namen von Hola in Galole, um die Erinnerung an das Massaker zu dämpfen. Im Jahr 1971 machte Präsident Kenyatta diese Entscheidung nach einem Treffen mit einer großen Delegation aus Tana River rückgängig. Seitdem ist der Ort wieder als Hola bekannt.[6]

Erst im Jahr 2013 einigte sich die britische Regierung mit den Vertretern der Opferverbände auf umfassende Entschädigungen für von der britischen Kolonialregierung begangene Unrechtstaten während des Mau-Mau-Aufstands. Gemeldet wurde ein Gesamtvolumen der Entschädigungsleistungen in Höhe von 20 Millionen Pfund.[14]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Mark Curtis: Web Of Deceit: Britain’s Real Foreign Policy. Vintage, 2003, ISBN 978-0-09-944839-6, S. 327.
  2. Wunyabari O. Maloba: Mau Mau and Kenya: An Analysis of a Peasant Revolt. In: University Press of Florida (Hrsg.): Journal of Third World Studies. Band 19, Nr. 1, 2002, S. 227–229, JSTOR:45194027.
  3. Horrors of Hola detention camp. In: The Daily Nation. 22. April 2004, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Oktober 2004; abgerufen am 27. August 2021 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ogiek.org
  4. East African Standard, 5. März 1959, S. 1.
  5. Rose Wild: The Times on the Mau Mau deaths cover-up. 4. April 2011. The Times, London
  6. a b Robbie Bolton: Mau Mau – Kuririkana - Gitene. In: University of Michigan. 12. Dezember 2004, archiviert vom Original; abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
  7. New York Times. 23. März 1959. S. 2
  8. The Hola Scandal. In: Time Magazine. 8. Juni 1959, archiviert vom Original; abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
  9. Caroline Elkins: Imperial Reckoning: The Untold Story of Britain’s Gulag in Kenya. Hrsg.: Henry Holt, Jonathan Cape. 2005, ISBN 0-8050-8001-5, S. 344–353.
  10. HOLA CAMP, KENYA (REPORT). House of Commons Debates vol 610. In: Hansard. House of Commons, 27. Juni 1959, S. 181–262, abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
  11. Mau Mau trial: imperial amnesia. In: The Guardian. 5. Oktober 2012, abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
  12. Kikuyu hammered on the Anvil. In: The Daily Nation. 15. April 2004, abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
  13. Ritchie Ovendale: Macmillan and the wind of change in Africa, 1957–1960. In: The Historical Journal. Band 38, Nr. 2. Cambridge University Press, Juni 1995, S. 455–477, doi:10.1017/S0018246X00019506.
  14. Mau Mau torture victims to receive compensation - Hague. In: BBC. 6. Juni 2013, abgerufen am 29. August 2021 (englisch).