Mandarinentum ist eine von Fritz K. Ringer 1969 geprägte Bezeichnung für den Sozialcharakter des typischen europäischen Geistes- und Sozialwissenschaftlers in der Zeit von 1890 bis 1933.[1] Der Begriff wurde in die sozialwissenschaftliche Diskussion über die Rolle der Intellektuellen aufgenommen.[2] Sinngemäß hatte Simone de Beauvoir den Begriff bereits 1954 in ihrem Schlüsselroman Die Mandarins von Paris verwendet.[3]

Laut Ringer bezeichnet das Mandarinentum eine gesellschaftliche und kulturelle Elite, „welche ihren Status in erster Linie ihren Bildungsqualifikationen und nicht Reichtum oder vererbten Rechten verdankt.“[4] Mit dem von der chinesischen Bezeichnung Mandarin abgeleiteten Begriff benennt Ringer eine autonome soziale Schicht in der Phase des Übergangs von einer primär agrarischen zu einer vollständig industrialisierten Gesellschaft. In dieser Phase verleihe Großgrundbesitz nicht mehr und industrielles Kapital noch nicht eindeutigen führenden gesellschaftlichen Status, so dass die Bildung einen gleichen gesellschaftlichen Stellenwert bekomme. Volker Kruse definiert das Mandarinentum zusammenfassend als eine Intelligenzschicht, „die ein eigenes gesellschaftliches Gruppenbewußtsein entwickelt, verbunden mit einem elitären Selbstverständnis und Anspruch auf ‚geistige Führung‘.“[5]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Fritz K. Ringer: Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890–1933. Stuttgart 1983 (engl. Original 1969).
  2. So zum Beispiel von Hauke Brunkhorst: Der Intellektuelle im Land der Mandarine. Frankfurt am Main 1987.
  3. In diesem Roman beschränkt sie sich jedoch auf das Milieu der Linksintellektuellen, vgl. Simone de Beauvoir: Die Mandarins von Paris. Hamburg 1955, franz. Original 1954.
  4. Fritz K. Ringer: Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890–1933. Stuttgart 1983. S. 15.
  5. Volker Kruse: „Geschichts- und Sozialphilosophie“ oder „Wirklichkeitswissenschaft“. Frankfurt am Main 1999, S. 66.