Luftschiffhallen von Orly

Bauwerk in Frankreich

Die Luftschiffhallen von Orly in der französischen Gemeinde Orly südlich von Paris waren zwei von Eugène Freyssinet entworfene Luftschiffhallen aus parabolischen Tonnenschalen, die durch hintereinander gestaffelte Stahlbetonbögen gebildet wurden.[1] Die Luftschiffhallen von Orly gelten als Meilenstein in der Geschichte des Betonbaus.

Vorgeschichte Bearbeiten

Freyssinet hatte dem französischen Militär schon seit 1913 verschiedene Entwürfe von Flugzeughangars aus weiten Stahlbetonbögen angeboten, die aber wegen des Ersten Weltkriegs zunächst nicht weiterverfolgt wurden. Erst im Winter 1915–1916 kam man darauf zurück und ließ 8 Hangars mit 60 m Länge und einer Stützweite von 46 m auf dem Flugplatz von Avord östlich von Bourges bauen, der heutigen Base aérienne 702 Avord. Dem folgten 31 etwas kürzere Hangars in Istres und 1919 ein Hangar in Villacoublay mit einer Fläche von 120 × 45 m ohne Pfeiler.[2][3]

Geschichte und Beschreibung Bearbeiten

Planung Bearbeiten

Die Ausschreibung für die Luftschiffhallen auf dem Flugplatz von Orly[4] sah zwei 300 m lange Hangars vor, durch die eine Kugel mit einem Durchmesser von 50 Metern durchgängig manövriert werden konnte. Nach den Planungen von Freyssinet erwies sich dafür eine parabelförmige Bogenkonstruktion als geeignet, die überdies bei den riesigen Ausmaßen genug Widerstand gegen seitliche Winde bieten konnte.

Freyssinet ging bei seinen Überlegungen davon aus, dass eine doppelte parabolische Schale mit kurzen senkrechten Distanzstegen zwischen den Schalen aus statischer Sicht theoretisch die ideale Form wäre, aber praktisch nicht zu vertretbaren Kosten hergestellt werden könne. Denkbar wäre, die Schalen aufzulösen in innere und äußere streifenförmige Gurte, die sich abwechseln und durch die Stege verbunden sind. Dabei würden die senkrechten Flächen der Stege aber die Ausschalung erschweren. Verwende man schmälere, durch schräg gestellte Stege verbundene Gurte, ergäbe sich – ähnlich wie bei dem damals verbreiteten Zoreseisen oder dem heutigen Trapezblech – eine Form, die durch nur zwei Schalungen hergestellt werden könne, wobei sich die Schalungen von dem ausgehärteten Beton leicht abheben ließen. Aus statischen Gründen mussten die äußeren Gurtstreifen durch horizontale Stahlstäbe versteift werden, die in verschiedenen Höhen von einem Ende der Halle zum anderen verliefen.[5]

Beschreibung Bearbeiten

Im Ergebnis entstanden nach Freyssinets Plänen zwei Hallen von 300 m Länge, 91 m Breite und 59,30 m Höhe[6][7][8][9] Jede Halle war untergliedert in 40 einzelne, aus einem Profil bestehende Bögen aus Stahlbeton, die gleichbleibend 7,50 m breit waren. Die Profile hatten eine Bauhöhe von 5,40 m am unteren Ansatz und von 3,00 m am Bogenscheitel. Der innere Gurt des Profils hatte am Ansatz eine Stärke von 34 cm, die sich auf 20 cm am Scheitel verringerte. Die Stärke der schrägen Stege betrug anfangs 15,5 cm und reduzierte sich bis zum Scheitel auf 9 cm.[10][11]

Zwischen den einzelnen Bögen wurde im unteren Bereich je ein 1,24 m breites Fenster eingebaut, ab einer Höhe von 20 m wurden Fensterbänder aus speziell verstärktem gelbem Glas installiert, um einerseits Licht in die Halle zu lassen, anderseits die Luftschiffe vor starker Sonneneinstrahlung zu schützen. An den Scheiteln wurden kleine Dachreiter aus Stahlbeton zur Lüftung eingefügt. Um die Oberseite der Luftschiffe inspizieren und warten zu können, wurden im Inneren unter dem Dach fünf schmale Laufstege aufgehängt, an denen Gondeln mit Lasten von bis zu 2 Tonnen verfahren werden konnten.[6]

Jede Halle stand auf je zwei 1 m dicken und 7,50 m breiten Streifenfundamenten aus Stahlbeton, deren Oberkante sich 2 m unter der Geländeoberfläche befand. Mit diesen Fundamenten konnte die Vorgabe eingehalten werden, dass die Bodenpressung auf dem sandigen Tonboden unter 1,5 kg/cm² bleiben müsse.[10]

Bau Bearbeiten

Die Hallen wurden zwischen 1922 und 1924[12] innerhalb der vertraglichen Bauzeit von zwei Jahren von den Entreprises Limousin (Procédés Freyssinet) unter der Leitung ihres technischen Direktors Freyssinet gebaut. Große stählerne Tore gehörten nicht zum Auftrag, sie sollten später aufgrund einer getrennten Ausschreibung errichtet werden. Auch die später angebauten Verwaltungs- und Betriebsgebäude gehörten nicht zum ursprünglichen Auftragsumfang.[10]

Freyssinet war bestrebt, den Bauablauf in Serien gleichbleibender Arbeitsvorgänge aufzuteilen, bei denen möglichst wenige Schalungen immer wieder eingesetzt werden konnten. Dazu entwickelte er Vorrichtungen, mit denen die Schalungen der Bögen auf Gleisen verfahren, in die richtige Position gebracht, mit Armierung und Beton gefüllt, nach dem Abbinden des Betons abgehoben und 7,50 m seitlich zur Position des nächsten Bogens gefahren werden konnten. Die Schalungsformen selbst wurden aus Kieferplanken gefertigt, die nach jedem Einsatz gereinigt und geölt und für den nächsten Einsatz vorbereitet wurden.[10]

Auf den Fundamenten wurden zunächst die untersten 3 m der Bogenprofile betoniert – auf beiden Seiten einer Halle und bei beiden Hallen gleichzeitig. In einem zweiten Durchgang wurden die Profile auf 17 m erhöht. Dabei wurden die äußeren Schalungen je nach Wetter schon nach einer Aushärtezeit des Betons von 2 bis 5 Tagen abgenommen. Auf diesen 17 m hohen Profilen wurden die eigentlichen Bögen betoniert. Das Lehrgerüst bestand aus zwei Bogenschenkeln mit je 45 t Gewicht, die auf den verfahrbaren Stützen aufgerichtet wurden, und einem 30 t schweren Mittelstück, das von den Bogenschenkeln aus hochgezogen und befestigt wurde. Der ganze Bogen wurde mit einem ausgeklügelten Netz aus Kabeln und Bändern so verspannt, stabilisiert und justiert, dass seine korrekte Form während des Betoniervorgangs gesichert war. Für den Beton verwendete man eine Mischung aus 350 Kilogramm Zement pro 1 m³ Sand und Kies. Nach dem Abbinden des Betons konnte der vollständige Bogen abgesenkt werden. Anfänglich, im kalten Winterwetter, dauerte die Herstellung eines dieser Bögen oberhalb 17 m Höhe 12 Tage,[6] mit zunehmender Routine und besserem Wetter sank der Takt auf fünf bis sechs Tage. Die Bögen beider Hallen wurden in insgesamt 44 Wochen hergestellt.[5]

Die Hallen wurden 1944 während des Zweiten Weltkriegs durch amerikanische Luftstreitkräfte zerstört.[1]

Literatur Bearbeiten

  • Les hangars à dirigeables à l'Aéro-port d'Orly. In: L'Aéronautique. N° 45, Paris, Februar 1923, S. 74–78 (Digitalisat auf BnF Gallica).
  • Eugène Freyssinet: Hangars à dirigeables en ciment armé en construction à l'aéroport de Villeneuve-Orly (Seine-et-Oise).
    In: Le Génie Civil.,
    • N° 2145 vom 22. September 1923, S. 265–273. (Digitalisat auf BnF Gallica)
    • N° 2146 vom 29. September 1923, S. 291–297. (Digitalisat auf BnF Gallica)
    • N° 2147 vom 6. Oktober 1923, S. 313–319. (Digitalisat auf BnF Gallica)
  • P. E. M.: Luftschiffhallen aus Eisenbeton in Villeneuve-Orly. In: Schweizerische Bauzeitung. Halbband 82, Nr. 12, 22. September 1923, S. 154 f. (Digitalisat auf ETH – e-periodica)
  • Eugène Freyssinet: Les hangars à dirigeables de l'aeroport d'Orly. In: Bulletin Technique de la Suisse Romande. N° 22, 2. November 1929, S. 255–257. (nach einer Vorlesung auf einer Veranstaltung der Société suisse des ingénieurs et des architectes in Lausanne vom 8. bis 12. Oktober 1929) (Digitalisat auf ETH – e-periodica)
  • Günter Günschel: Große Konstrukteure. Band 1: Freyssinet – Maillart – Dischinger – Finsterwalder. (= Bauwelt-Fundamente. ISSN 0522-5094, Band 17). Ullstein, Berlin 1966, S. 49–51, S. 57–65.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Eintrag Nr. IA00089815 in der Base Mérimée des französischen Kulturministeriums (französisch)
  2. Eugène Freyssinet: Hangars à dirigeables en ciment armé ... In: Le Génie Civil, 1923, S. 266.
  3. Le hangar «Freyssinet» in Avord; auf Hangars d'aérodromes
  4. Die Koordinaten wurden entnommen aus: Seite Paris-(Villeneuve-Orly) In: Internationales Flughandbuch: Flug-Atlas 1931. herausgegeben von Digitale Luftfahrt-Bibliothek
  5. a b Eugène Freyssinet: Les hangars à dirigeables de l'aeroport d'Orly. In: Bulletin Technique de la Suisse Romande. N° 22, 2. November 1929, S. 255–257 (Digitalisat auf ETH – e-periodica).
  6. a b c Les hangars à dirigeables à l'Aéro-port d'Orly. In: L'Aéronautique, N° 45, Paris, Februar 1923, S. 74.
  7. Anzeige der Société Anonyme des Entreprises Limousin (procédés Freyssinet). In: L'Aéronautique N° 68, Paris, Januar 1925, (digital S. 13/91)
  8. Freyssinet gab später Außenmaße von 300 × 92 × 58 m an (Les hangars à dirigeables de l'aeroport d'Orly. In: Bulletin Technique de la Suisse Romande. N° 22, 2. November 1929, S. 255)
  9. In dem Artikel Luftschiffhallen aus Eisenbeton in Villeneuve-Orly in Schweizerische Bauzeitung, September 1923, werden 300 m Länge, eine Stützweite von 91 m und eine lichte Höhe von 59 m angegeben.
  10. a b c d Eugène Freyssinet: Hangars à dirigeables en ciment armé ... In: Le Génie Civil, 1923.
  11. In Freyssinets ausführlichem Artikel von 1923 wie auch in dem von 1929 ist laufend von béton armé (Stahlbeton) die Rede, aber nirgends von béton précontraint (Spannbeton). Wenn spätere Autoren im Zusammenhang mit den Luftschiffhallen Orly von Spannbeton schreiben, entspringt das deren Phantasie, hat aber mit der Realität nichts zu tun.
  12. Freyssinet schrieb 1929 in seinem Artikel im Bulletin Technique de la Suisse Romande, er habe die Hallen 1923-24 ausgeführt. Der Artikel in L'Aéronautique vom Februar 1923 zeigt in seinen Fotos aber einen schon so weit fortgeschrittenen Bauzustand, dass der formelle Baubeginn schon 1922 stattgefunden haben muss.

Koordinaten: 48° 43′ 29″ N, 2° 22′ 44″ O