Die Lisene (von frz. lisière „Saum“, „Rand“, „Kante“; auch Lesine, Laschene[1][2]) ist im Bauwesen an Fassaden eine schwach vortretende, senkrechte Wandvorlage, selten mit Basis und kleinem Kämpfer, aber im Unterschied zum Pilaster ohne Kapitell.[3]

Lisenen und Bogenfries am Turm von Alt-St. Martin, Kaarst

Funktion Bearbeiten

Lisenen werden in der Architektur zur optischen Gliederung einer Fassade oder sonstigen Wandfläche verwendet, allerdings – im Unterschied zum Pilaster – ohne Basis und Kapitell. Sie dienen nicht nur zur Verzierung von glatten Wänden, sondern auch als Ecklisenen zur Betonung der Gebäudekanten – an technisch relevanten Stellen kommt hier aber auch durchaus der Effekt als statische Verstärkung hinzu: So kann die romanische Lisene als Stammform des in der Gotik aus dem Gebäude herausgezogenen Strebepfeilers angesehen werden.

Verwendung Bearbeiten

Lisenen wurden in verschiedenen Epochen verwendet, so auch in der römischen und in der Folge in der byzantinischen Architektur. Diesen in Norditalien (vor allem in Ravenna) verbreiteten Stil griffen die dort siedelnden germanischen Langobarden auf, so dass durch Rundbogenfriese miteinander verbundene Lisenen nahezu stilprägende Merkmale der lombardischen Architektur wurden. Lombardische Baumeister waren wegen ihrer Kunstfertigkeit berühmt und im Ausland begehrt und förderten so die Verbreitung dieses Stils.

Nördlich der Alpen finden sich diese Gestaltungselemente bereits sehr früh an den Stiftskirchen St. Cyriakus in Gernrode (vor 1000) oder dem nahegelegenen St. Servatius in Quedlinburg (997–1021). Von großem Einfluss war die Verwendung von Lisenen am Speyerer Dom (1030–1106), was viele Baumeister zur Nachahmung anregte. Man findet sie an vielen romanischen Kirchen.

 
Eckquaderung

Seit der Renaissance wird die Lisene vom Pilaster verdrängt – obschon formal orientierte Architekten wie Palladio und die Baumeister des klassizistischen Barocks durchaus sehr reduzierte, lisenenhafte Elemente verwenden. Sie lebt aber im Historismus (Neugotik) wieder auf und findet sich durchgängig in der Zweckarchitektur des Hochindustrialismus, insbesondere in der Ziegelarchitektur. Auch die Putzfassaden des Historismus verwenden die Lisene als Gliederung, insbesondere als Ecklisene zur Einfassung der Fassade an der Gebäudekante. In genuteter Form wird sie dort zur Eckquaderung.

Seit dem Brutalismus findet sich die Lisene wieder als sichtig stehengelassenes Tragelement des Skelettbaus in Beton – nicht als Scheinstütze, sondern als funktionales tragendes Element.

Galerie Bearbeiten

Andere Wortverwendungen Bearbeiten

In der Möbeltischlerei bezeichnet man mit Lisene eine erhabene senkrechte Leiste, die eingetiefte Felder rahmt, insbesondere an einer Kante des Möbelstücks. Beispiele finden sich beim Frankfurter Schrank und im Klavierbau. Im Fensterbau wird als Lisene ein senkrechtes Bauelement bezeichnet, das das Fenster unterteilt.

Literatur Bearbeiten

  • Günther Binding: Lisene – Pilaster – Wandpfeiler. In: Denkmal-Kultur im Rheinland. Festschrift für Udo Mainzer zum 65. Geburtstag, Werner Verlag, Worms 2010 (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 75.2010), ISBN 978-3-88462-300-8, S. 128–141.
  • Wilfried Koch: Baustilkunde. 32. Auflage. Prestel, München 2014, ISBN 978-3-7913-4997-8, S. 465.
  • Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 31. Januar 2024), S. 313: Lisene.
  • Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 3: H bis P. Leipzig 1883, S. 265: Laschene. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 31. Januar 2024)

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Lisenen. In: Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Auflage. Band 2. Brockhaus, Leipzig 1911, S. 66 (Digitalisat. zeno.org). Andere Wortformen für Lisene.
  2. Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 3: H bis P. Leipzig 1883, S. 265: Laschene. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 31. Januar 2024)
  3. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 31. Januar 2024), S. 313.