Linde auf dem jüdischen Friedhof in Eschwege

Naturdenkmal im Werra-Meißner-Kreis

Das Alter der Linde auf dem jüdischen Friedhof in Eschwege im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis ist nur schwer zu bestimmen, schreibt der Kunsthistoriker und Fotograf Thomas Wiegand in seinem 1984 erschienenen Buch Bäume aus dem Werraland. Sicher scheint nur, dass der Baum schon an dem Ort einer alten Richtstätte stand, als die jüdische Gemeinde in den 1850er Jahren das Grundstück erwarb, um hier ihre Toten zu bestatten.[1] Bereits im Jahr 1926 wurde die Linde als schützenswertes Naturdenkmal ausgewiesen.

Linde auf dem jüdischen Friedhof in Eschwege

Ort Stadt Eschwege im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis
Bundesrepublik Deutschland
Baumart Linde
Geographische Lage 51° 10′ 56,4″ N, 10° 2′ 53,9″ OKoordinaten: 51° 10′ 56,4″ N, 10° 2′ 53,9″ O
Linde auf dem jüdischen Friedhof in Eschwege (Deutschland)
Linde auf dem jüdischen Friedhof in Eschwege (Deutschland)
Status Naturdenkmal Ausgewiesen im Jahr 1926 als Naturdenkmal
Alter etwa 350 Jahre
Baumhöhe rund 20 m

Standort Bearbeiten

Der Baum steht am südlichen Rand des jüdischen Friedhofs in Eschwege, der sich neben dem Parkplatz und dem Hubschrauberlandeplatz des Klinikums Werra-Meißner in der Elsa-Brandström-Straße befindet. Südwestlich begrenzen der Langenhainer Weg und die Stendellstraße die Friedhofsfläche. Zum Friedhof gelangt man über die Zufahrt zum Parkplatz des Krankenhauses.

Geschichte Bearbeiten

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts befand sich in diesem Bereich das „Alte Gericht“. Es war einer der Orte in Eschwege, auf denen auch Todesstrafen vollzogen wurden. Zu den dunklen Kapiteln der Stadtgeschichte gehört die öffentliche Hinrichtung der beiden vermeintlichen „Hexen“ Katharina Rudeloff und deren Mutter Martha Kerste auf diesem Platz. Unter der Beschuldigung, dass sie Butter verhext und damit bei zwei dreizehnjährigen Mädchen lebensgefährliche Krämpfe hervorgerufen haben, wurden sie gefoltert, zum Tode verurteilt, getötet und verbrannt.[2]

Die Fläche am damaligen Stadtrand, um die als verrufen geltende alte Gerichtsstätte, erwarb die jüdische Gemeinde in den 1850er Jahren. In dieser Zeit hatte Eschwege eine große jüdische Gemeinde, die der Stadt auch zu ihrem wirtschaftlichen Aufschwung und der kulturellen Blüte im 19. Jahrhundert verhalf. Vor der Anlage eines eigenen Begräbnisplatzes begrub die jüdische Gemeinde ihre Toten auf dem Friedhof in Jestädt, der als Sammelfriedhof für die Orte in der Umgebung diente.[3]

Mit der ersten Belegung durch die Beisetzung eines Kindes im April 1857 wurde der neue Platz eingeweiht. Zu den Besonderheiten des Friedhofs gehört die Grabmalgestaltung, zu der mehrere biedermeierliche Säulen und einige figürliche Darstellungen gehören. Ausgefallene Formen sind hier keine Seltenheit. Als Material wurde bei den älteren Grabsteinen ausschließlich Sandstein verwendet, später auch Granit, Marmor und Kunststeine. Nach der letzten Bestattung vor 1945, im Juli 1941, wurde der Friedhof geschlossen und der größere, noch nicht belegte Teil der Fläche zur Umnutzung freigegeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden auf dem Friedhof noch einige wenige Beisetzungen von sogenannten Displaced Persons, die fern von ihren Heimatländern starben, statt. Heute ist noch ein Bestand von fast fünfhundert Grabmalen vorhanden.

Das Alter und die Form der Linde am südlichen Rand des Friedhofs lassen vermuten, dass sie einst als Gerichtsbaum auf dem Gelände des Richtplatzes gepflanzt wurde. Möglicherweise, vermutet Wiegand, ist sie als junger Baum „geleitet“ worden, indem man ihre Äste waagerecht über ein Stützgerüst gezogen hatte, um den Gerichtsplatz mit der flachen und breiten Krone des Baumes zu überdachen. Nach der Verlegung der Richtstätte zu dem „Neues Gericht“ genannten Platz „Am Galgen“ auf der Reichensächser Höhe wurde der Baum nicht mehr gepflegt und konnte so seine noch vorhandene vielstämmige Krone aufbauen.[1][3]

Unterschutzstellung Bearbeiten

Mit Verordnung des preußischen Regierungspräsidenten in Kassel vom 31. März 1926 wurde die alte Linde durch das Feld- und Forstpolizeigesetz[4] unter Schutz gestellt und damit ist jede Beschädigung sowie das Beseitigen des Baumes verboten worden.[5] Anlässlich der Neuregelung des Naturschutzes, durch das Naturschutzgesetz vom 26. Juni 1935, ist sie als eine von 101 Naturdenkmalen im Kreis Eschwege mit der laufenden Nummer 5 in das Naturdenkmalbuch eingetragen worden und erhielt mit dem Inkrafttreten der Verordnung zur Sicherung von Naturdenkmalen in den Stadt- und Landkreisen des Regierungsbezirks Kassel am 1. November 1936 den Schutz des Reichsnaturschutzgesetzes.[6] Die Linde, die in der Liste der Naturdenkmale des Werra-Meißner-Kreises die Nummer ND 636.118 besitzt, wird jetzt als rechtsverbindlich festgesetzte „Einzelschöpfung der Natur“ durch das Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt.[7]

Der jüdische Friedhof, zu der die Linde gehört, ist wegen seiner geschichtlichen und künstlerischen Bedeutung sowie als Zeugnis der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Eschwege ein geschütztes Kulturdenkmal.[3]

Literatur Bearbeiten

  • Thomas Wiegand: Bäume aus dem Werraland - Eine Fotodokumentation. Kreissparkasse Eschwege (Herausgeber), Eschwege 1984.
  • Susanne Jacob in Zusammenarbeit mit Thomas Wiegand: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen, Werra-Meißner-Kreis II, Stadt Eschwege. Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden 1992, ISBN 3-528-06241-X.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Naturdenkmal Linde auf dem jüdischen Friedhof in Eschwege – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Thomas Wiegand: Linde auf dem Judenfriedhof in Eschwege. In: Bäume aus dem Werraland. S. 22 f.
  2. Ursula Vaupel: „Sie wollen die Hexen brennen.“ Hexenprozesse 1657 in Eschwege. Verein für hessische Geschichte und Landeskunde. Kassel 1997, ISBN 3-925333-34-7.
  3. a b c Susanne Jacob in Zusammenarbeit mit Thomas Wiegand: Jüdischer Friedhof. In: Denkmaltopographie Werra-Meißner-Kreis II. Stadt Eschwege. S. 224.
  4. Feld- und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880 in der Fassung vom 8. Juli 1920.
  5. Amtsblatt der Regierung zu Kassel. Nr. 15 vom Sonnabend, 10. April 1926. S. 92.
  6. Verordnung zur Sicherung von Naturdenkmalen in den Stadt- und Landkreisen des Regierungsbezirks Kassel vom 21. Juli 1936. In: Beilage zum Amtsblatt der Regierung Kassel. Nr. 44 vom Sonnabend, 31. Oktober 1936.
  7. Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG). § 28 Naturdenkmäler. Website des Bundesministeriums der Justiz; abgerufen am 12. Mai 2023.