Volksblatt für Stadt und Land zur Belehrung und Unterhaltung

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Das Volksblatt für Stadt und Land zur Belehrung und Unterhaltung war Mitte des 19. Jahrhunderts eine populäre, christlich-konservative Wochenzeitung.[2] Redaktionell stand der Titel gegen liberale Strömungen in Staat und Kirche und wandte sich gegen den Theologischen Rationalismus.[3] Das Blatt war volkstümlich aufgemacht und bildete einen der Kristallisationspunkte der christlichen-sozialen konservativen Bewegung der damaligen Zeit und der konfessionell-lutherischen Kreise innerhalb der preußischen Union. Neben den Fliegenden Blättern aus dem rauhen Hause war es das Hauptorgan der „Inneren Mission“.[3]

Titelblatt des Volksblattes von 1855[1]

Die 1844 gegründete Zeitung erschien in mehreren Verlagen unter diversen Herausgebern und Chefredakteuren („Redaktionsleitern“) und unter mehrfacher Titeländerung als Wochen- und später als Monatstitel bis 1922. Die wechselnden Verlagsstandorte befanden sich in Quedlinburg, Halle (Saale), Bad Kösen, Giebichenstein, Neinstedt, Wernigerode, Leipzig und Berlin.[4][5]

Geschichte Bearbeiten

1844 gründete der evangelische Theologe Friedrich von Tippelskirch[6] auf Anregung des preußischen Ministers Ludwig Gustav von Thile[7] die Zeitung und folgte damit der Politik der Regierung, die Mitte der 1840er Jahre mit der Förderung zur Gründung von konservativen Volks- und Lokalblättern eine Rückkehr zur Propagierung verbindlicher, christlich-konservativer Werte einleiten wollte.[8] Der Titel erschien im Verlag von Richard Mühlmann (Halle/Saale).

Bis 1848 blieb Tippelskirch Herausgeber des Blattes, danach verantwortete Franz von Florencourt die Redaktion.[9] 1849 übernahm der Unternehmersohn Philipp von Nathusius die Chefredaktion, „um den Grundsätzen und Anschauungen … bei der Landbevölkerung Eingang zu verschaffen“.[10] Er fungierte ab 1851 als Herausgeber und ab 1861 als Verleger der Zeitung. Bei den Verhandlungen zur Übernahme der Herausgeberschaft war die Ehefrau von Nathusius, die spätere Schriftstellerin Marie Nathusius, beteiligt. Sie publizierte im Volksblatt viele ihrer frühen Erzählungen.[3] Ein weiterer bekannter Autor war Friedrich Ahlfeld. 1871 übergab Nathusius seinen Posten bei der Zeitung an seinen Sohn,[11] den Theologen Martin von Nathusius. Dieser stellte später (1880) fest:

„Die lange Erfolgsgeschichte des Volksblattes hatte spätestens mit dem Tod des Vaters im Jahr 1872 ihr Ende gefunden. Die Vorreiterrolle, die das Blatt im Lauf der ‚wider den wilden Souveränitätstaumel … und das entfesselte Heidentum‘ der ersten nachrevolutionären Jahre übernommen hatte, war nicht mehr gegeben. Sie hatte darin bestanden, ‚das ganze öffentliche Leben an dem Maßstabe des Christentums zu messen und so den Sauerteig der christlichen Weltanschauung auf unser Volksleben in seinem gesammelten Umfange wirken zu lassen‘.“

Thomas Schlag mit Bezug auf: D. v. Oertzen: Ein Jubiläum 1843–1893. AKM 1893/1, S. 1 sowie AKM 1880/2, S. 292[12]
 
Titelblatt der Monatsschrift von 1895[13]

Allgemeine Konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland Bearbeiten

Der Sohn formte 1879 als Herausgeber die Zeitung zur Allgemeinen Konservativen Monatsschrift für das christliche Deutschland (Schreibweise bis 1884: Allgemeine Conservative Monatsschrift für das christliche Deutschland) um.[14][6] Statt der wöchentlichen Erscheinungsweise, in der das Volksblatt erschienen war, wurde die Allgemeine Konservative Monatsschrift nur noch im Monatsrhythmus herausgegeben. Die erste Ausgabe wurde an knapp 3000 Abonnenten verschickt – eine damals hohe Anzahl. Der nunmehr in Anmutung einer Zeitschrift erscheinende Titel ging 1879 vom Selbstverlag des Schriftleiters in den Kommissionsverlag der Hinrichschen Buchhandlung (Leipzig) über.[15]

„Mit dem ersten Januar 1879 ist die Zeitschrift in ihrer neuen Gestalt in das Leben getreten und war unverrückt bestrebt, ein Centralorgan zur Vertretung d. christlich-conservativen Weltanschauung in Staat u. Kirche, Schule u. Familie, Kunst, Wissenschaft u. Literatur zu sein.“

Vorwort der Ausgabe 39/1882[14]

Ab 1882 wurde Dietrich von Oertzen neben Nathusius zum Mitherausgeber ernannt.[12] Von 1885 bis 1887 war Oertzen dann alleiniger Herausgeber, ab 1888 gemeinsam mit Theodor Müller-Fürer. Von 1889 bis 1896 waren erneut Nathusius und Oertzen zusammen Herausgeber der Zeitschrift.[12] Oertzen vertrat christlich-soziale Ansichten. Unter ihm spielte auch Eduard von Ungern-Sternberg eine wichtige Rolle, der parallel bei der Kreuzzeitung aktiv war.[15] Weitere bedeutende Autoren waren Ludovika Hesekiel, Arnold Kluckhuhn, Wilhelm Petersen, Adelheid von Rothenburg, Viktor von Strauß und Torney und Ernst Wynecken.[14] Als der von Oertzen unterstützte Adolf Stoecker 1896 im Streit die Deutschkonservative Partei verlassen musste, konnte Oertzen nicht länger als Chefredakteur des Blattes gehalten werden.[12]

1896 wurde Ullrich von Hassell, Vater des gleichnamigen Widerstandskämpfers, zum Schriftleiter ernannt; 1898 avancierte er neben Nathusius zum Mitherausgeber. Von 1885 bis 1888 wurde die Zeitschrift im Verlag von Georg Böhme, bis 1892 von Georg Böhme Nachf. und danach von E. Ungleich herausgegeben.[14] Ab 1902 erschien sie im Verlag von Martin Warneck (Berlin).[15]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es aufgrund von Verlusten bei Abonnenten- und Auflagenzahlen zu einer Krise der Zeitschrift. Auch die Umbenennung im Jahr 1900 (bis 1905) zur Monatsschrift für Stadt und Land[14] änderte daran nichts.

„Mein Entschluss stand fest, neues Blut musste der Monatschrift eingeimpft werden. Ein neuer Verleger, zugleich Herausgeber fand sich schnell im Sommer 1905 in der Person des Herrn Reimar Hobbing, der seinen Verlag in konservativer Richtung ausbauen wollte. Der Verkauf vollzog sich ohne die geringsten Schwierigkeiten und vom Herbst 1905 ab segelte es mit einem anderen Kapitän und anderen Offizieren im alten Fahrwasser lustig weiter. Ich rief ihm ein ‚Glück auf‘ zu und schrieb noch einige Zeit … in gewohnter Weise weiter um den Uebergang zu erleichtern.“

Ullrich von Hassel, 75 Jahre (KM 11/1917)[12]

Konservative Monatsschrift Bearbeiten

1905 übernahm der Berliner Verleger Reimar Hobbing den Titel.[15] Es kam zu einer erneuten Titeländerung in Konservative Monatsschrift für Politik, Kunst und Literatur und ein Jahr später in Konservative Monatsschrift für Politik, Literatur und Kunst.[14]

Von 1905 bis 1909 stand Wilhelm von Langsdorff an der Redaktionsspitze, gefolgt von Herbert von Berger[16] und schließlich (1913 bis 1914) von Walter Schmidt. Nach dessen Tod im Ersten Weltkrieg übernahm erneut Langsdorff und ab 1917 Lothar von Westernhagen. Nachfolgende Herausgeber waren Hans Wendland und Friedrich Everling.[14] Zu den freien Mitarbeitern der Monatsschrift gehörten der Breslauer Universitätsrektor Alfred Hillebrandt, die Rechtswissenschaftler Conrad Bornhak und Philipp Zorn, der Historiker Hermann von Petersdorff, der Schriftsteller Victor Blüthgen sowie Deutschkonservative wie Julius von Mirbach-Sorquitten, Kuno von Westarp, Hans von Schwerin-Löwitz und Gustav Roesicke.[15]

Zuletzt erfolgte 1910 noch eine Titelverkürzung in Konservative Monatsschrift.[12] Ab 1921 wurde sie bei Kärner (Berlin) herausgegeben.[14] Der Verlag stellte die Zeitschrift im 79. Jahrgang im September 1922 ein.[6]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. hier: XII Jahrgang, Mittwoch, 4. April 1855, Nr. 27.
  2. Hans Fuhrmann, Werner Krause, Paul Meis (Arbeitskreis): Neinstedter Anstalten. Zum 125jährigen Bestehen am 15. Oktober 1975. Evangelische Verlagsanstalt Berlin, Berlin 1974, DNB 750320311, S. 29.
  3. a b c Matthias Puhle (Hrsg.): Die Seele möchte fliegen. Ein Frauenleben zwischen Anpassung und Aufbruch. Marie Nathusius (1817–1857). Mitteldeutscher Verlag, Halle/Saale 2007, ISBN 978-3-89812-466-9, S. 81 ff.
  4. Datensatz bei Deutscher Nationalbibliothek, siehe Normdaten
  5. Wolfgang Ollrog (Bearb.): Johann Christoph Gatterer, der Begründer der wissenschaftlichen Genealogie. Eine Untersuchung der bisher bekannten Quellen und Veröffentlichungen über seine Herkunft, sein Leben und Werk sowie seine Nachkommen. In: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete mit Praktischer Forschungshilfe. 47. Jahrgang, Heft 81/82. Starke, Limburg a. d. Lahn 1981, S. 44.
  6. a b c Schlagwort Nr. 1021, Konservative Monatsschrift. In: Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917–1929), bei: www.pacelli-edition.de (abgerufen am 11. Januar 2014)
  7. Otto Kraus: Das Volksblatt für Stadt und Land unter Friedrich von Tippelskirch. In: Allgemeine konservative Monatsschrift. 50, 1893, S. 129–143 und 241–256.
  8. Lothar Dittmer: Beamtenkonservativismus und Modernisierung. Untersuchungen zur Vorgeschichte der Konservativen Partei in Preussen 1810–1848/49. (Studien zur modernen Geschichte, Band 44). Franz Steiner Verlag, 1992, ISBN 3-515-06045-6, S. 231 ff.
  9. Lebensbild der heimgegangenen Maria Nathusius, geb. Scheele. Für ihre Freunde nah und fern. 2. Band: Frauenleben in Althaldensleben. Julius Fricke, Halle 1868, S. 662 ff.
  10. Nathusius, Philipp Engelhard von. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. 12. Band: Nathusius-Phlegmone. Verlag des Bibliographischen Institutes, Leipzig 1888, S. 1.
  11. gem. Nathusius (1840, 1861), II. Linie (Neinstedt), Philipp Engelhard v. Nathusius. In: Genealogisches Handbuch des Adels. Band 57 der Gesamtreihe, Adelige Häuser B, Band XI, C. A. Starke Verlag, Limburg a. d. Lahn, 1974, S. 312.
  12. a b c d e f Thomas Schlag: Martin von Nathusius und die Anfänge protestantischer Wirtschafts- und Sozialethik. (Theologische Bibliothek Töpelmann, Band 93). Walter de Gruyter, 1998, ISBN 3-11-015862-0, S. 57.
  13. hier: Halbjahresband, 52. Jahrgang
  14. a b c d e f g h Thomas Dietzel, Hans-Otto Hügel, Deutsche literarische Zeitschriften 1880–1945. Ein Repertorium. (Deutsches Literaturarchiv). Walter de Gruyter, 1988, ISBN 3-11-097671-4, S. 46 ff.
  15. a b c d e Michel Grunewald, Uwe Puschner: Krisenwahrnehmungen in Deutschland um 1900. Zeitschriften als Foren der Umbruchszeit im Wilhelminischen Reich. (Convergences, Band 55). Peter Lang, 2010, ISBN 978-3-03911-743-7, S. 246 ff.
  16. Matthias Lau: Pressepolitik als Chance. (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, Band 14). Franz Steiner Verlag, 2003, ISBN 3-515-08071-6, S. 136, Fußnote 62.

Literatur Bearbeiten

  • Volksblatt für Stadt und Land zur Belehrung und Unterhaltung Quedlinburg, 1/1844, 3. Jan. - 35/1878, 27. Dez. ZDB-ID 500849-9