Kofra

1982 in München als autonomes Selbsthilfeprojekt gegründeter Verein

Das Kommunikationszentrum für Frauen zur Arbeits- und Lebenssituation e. V. (Kofra e. V.) versteht sich als Zentrum und Verein, der Frauen zur Verfügung steht, um sich zu vernetzen und ihre Interessen selbst in die Hand zu nehmen.

Kommunikationszentrum für Frauen zur Arbeits- und Lebenssituation
(Kofra)
Logo
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 1982
Sitz München
Zweck Zentrum und Verein, der Frauen zur Verfügung steht, um sich zu vernetzen und ihre Interessen selbst in die Hand zu nehmen
Vorsitz Anita Heiliger (Gründerin)
Website www.kofra.de

Geschichte Bearbeiten

Der Verein wurde 1982 in München als autonomes Selbsthilfeprojekt von der Sozialwissenschaftlerin Anita Heiliger und Annette Stehr (1952–2015) gegründet.[1][2] Mit der Gründung von Kofra wurde das Thema „Frauen in der Arbeitssituation“ öffentlich. Kofra ist bundesweit das erste autonome Selbsthilfeprojekt bei dem von Anfang an die berufspolitischen Fragen von Frauen zentral sind.[3] Die Historikerin Elisabeth Zellmer ist der Meinung, dass die von ihr untersuchten Akteurinnen und Institutionen der Münchner Frauenbewegung wie beispielsweise Kofra, auf einer Mikroebene die institutionellen Rahmenbedingungen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft auf einer Makroebene beeinflussten und umgekehrt. „Sie waren Produkt als auch Produzentin der sie umgebenden längerfristigen Wandlungsprozesse.“[4]

Aufgaben und Ziele Bearbeiten

Laut Vereinssatzung vom 15. Juli 1982, soll der Verein u. a. das Bewusstsein über die vielfältigen, offenen und verborgenen Formen der Benachteiligung und der Diskriminierung von Frauen im Arbeitsbereich fördern und dazu beitragen, dass Frauen handlungsfähiger werden, ihre Interessen gemeinsam politisch zu vertreten und durchzusetzen. Der Verein schafft und fördert Einrichtungen, die die Selbsthilfetätigkeit der berufstätigen und arbeitslosen Frauen stärken, die ferner kollegiale und fachliche Beratung bieten und die Möglichkeit schaffen, Probleme und Förderung hinsichtlich der Arbeitssituation von Frauen an die Öffentlichkeit zu tragen. Der Verein wirkt darauf hin, dass Inhalte und Lernformen in die Aus- und Fortbildung hineingetragen werden, die die Lebenssituation und die Interessen von Frauen berücksichtigen.[5]

Arbeitsgruppen und Projekte Bearbeiten

Mitarbeitende organisieren den Alltag des Projektes und sind Ansprechpersonen für Beratung, Gespräche und Informationen zu Fragen des Arbeitslebens[6], bei sozialen, psychischen und rechtlichen Belangen. Es werden Vorträge[7], Diskussionen, Workshops und Seminare angeboten, in denen schwerpunktorientierte und arbeitsspezifische Themen vertieft werden können.[8] Kofra verfügt über eine gutsortierte Bibliothek und Videothek zu frauenspezifischen und feministischen Themen, die ausgeliehen werden können. Die Räume stehen für Treffen zur Verfügung, in denen Hilfestellung zur Bildung von Arbeits- und Selbsthilfegruppen angeboten werden.[9]

Im Kontext von Kofra entwickelte eine Arbeitsgruppe von Pädagoginnen einen Entwurf zur feministischen Mädchenarbeit. 1985 gründeten sie die IMMA – Initiative Münchner Mädchen Arbeit. Im Oktober 1985 startete das erste Projekt der IMMA: der Mädchenpower-Treff, aus dem später das Ragazza – Treff für Mädchen und junge Frauen wird. Heute besteht die Initiative Münchner Mädchenarbeit aus sechs verschiedenen Einrichtungen der Jugendhilfe, u. a. einer Beratungsstelle, einer Kontakt- und Informationsstelle für Mädchenarbeit und einer Zufluchtsstelle. Ziel der Arbeit ist die Verbesserung der Situation von Mädchen und jungen Frauen. Der Treffpunkt Mädchenpower ist der bundesweit erste selbstverwaltete Treffpunkt für Mädchen mit feministischer Ausrichtung.[10]

1997–1998 organisierte und koordinierte Kofra[11] die Münchner Kampagne gegen Männergewalt an Frauen, Mädchen und Jungen.[12] Diese Kampagne ist ein in der Bundesrepublik bisher einmaliger Ansatz, der von einem Netzwerk aus über 250 Münchner Institutionen und Gruppierungen getragen und unterstützt wurde.[13]

Seit 2010 gestaltet Kofra regelmäßig eine Sendung im Radio LORA in München. Jede Sendung beinhaltet einen Themenschwerpunkt z. B. Flüchtlingsfrauen, Sorge- und Umgangsrecht, Hartz IV, Ämterbegleitung.[14]

Kofra veranstaltet Vorträge und Diskussionen zur Arbeits- und Lebenssituation von Frauen unter anderem mit Kristina Hänel, Marlies Krämer, Luise Pusch, Inge Hannemann, Zana Ramadani, Anne Wizorek und Seyran Ates. Vom 5. bis 7. Dezember 2014 fand der von Kofra initiierte[15] erste abolitionistische, internationale Kongress Stopp Sexkauf in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt[16] in Deutschland statt.[17] Referentinnen des Kongresses waren u. a.: Mary Honeyball, Dorothee Schlegel, Lea Ackermann, Christine Strobl und Sabine Constabel. Die Kampagne Stopp Sexkauf ist ein bundesweites Bündnis in Zusammenarbeit u. a. mit Terre des Femmes, Solwodi und der Zeitschrift Emma.

Kofra kooperierte mit der Lernplattform Spaß oder Gewalt, um Pädagogen dabei zu unterstützen, Jugendliche zu sensibilisieren und mit ihnen sexualisiertes Verhalten und sexualisierte Gewalt zur Sprache zu bringen.[18][19]

#ichhabnichtangezeigt war eine bundesweite Social-Media-Aktion, die Frauen im Rahmen des Beratungszentrums Kofra in München 2012 privat organisiert haben, um Opfern von sexueller Gewalt eine Stimme zu geben.

Der Verein trug zu mehreren Veröffentlichungen der Münchener Stadtverwaltung bei, so zu den Broschüren „Tipps für Hellhörige. Was tun bei Verdacht auf sexuelle Kindesmisshandlung in der Familie?“,[20] und „Themengeschichtspfad: Die Geschichte der Frauenbewegung in München“.[21]

Arbeitsgruppen seit 1982 sind u. a. die AK[22]

  1. Frauen in Naturwissenschaften und in männerdominierten Berufen.
  2. Frauen im Alter.
  3. Existenzgründerinnen.
  4. Aktiv gegen Männergewalt.
  5. Mamas wehren sich.
  6. Abbau der Prostitution.
  7. Ämterbegleiterinnen.
  8. Künstlerinnen.
  9. Rassismus im Alltag.
  10. Ältles – Ältere Lesben.
  11. frauengerechte Sprache.
  12. Jufems – Junge Feministinnen.
  13. Hikedykes.
  14. Treff für arbeitssuchende und arbeitslose Frauen.
  15. Lesben und Arbeit.[23]
  16. Uferlos Lesbenpolitik[24]

Publikationen Bearbeiten

Seit 1982 erscheint etwa alle 2 Monate die Zeitschrift für Feminismus und Arbeit / Kofra[25] mit einem Schwerpunktartikel. Aktuelle und archivierte Ausgaben werden als PDF bereitgestellt.[26] In der Zeitschrift veröffentlichen auch international bekannte Wissenschaftlerinnen wie z. B. Gail Dines, Sheila Jeffreys und Luise F. Pusch.[27]

Finanzierung Bearbeiten

Das Angebot wird zum Teil durch Vereinsbeiträge unterhalten. Ein Teil der Sachkosten und 2,25 Personalstellen werden über einen Zuschuss vom Sozialreferat der Stadt München finanziert.[28]

Literatur Bearbeiten

  • Gisela Jaspersen, Ingeborg Kraus: Liebe Männer, wir müssen reden!: Gegen Sexkauf im 21. Jahrhundert. Verlag Marta Press, Hamburg 2018, ISBN 978-3-944442-41-9.
  • Ellen Sessar-Karpp, Berufsbezogene Bildungsangebote für Frauen nach der Familienphase: Analyse ausgewählter Bildungsmassnahmen und -konzeptionen. Verlag Kohlhammer, Stuttgart 1987, ISBN 978-3-17-009909-8.
  • Christina Aman: Das neue Umgangsrecht: Kritische Bestandsaufnahme aus Sicht der Frauen. Diplomica Verlag, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8366-9440-7.
  • Rosemarie Nave-Herz: Die Frauenverbände und die Neue Frauenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Leske + Budrich, Opladen 1994, ISBN 978-3-322-99708-1.
  • Anita Heiliger: Zur Therapie von Sexualstraftätern – eine kritische Perspektive, S. 4–18, Kofra 91/2000.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Landeshauptstadt München, Kulturreferat. (Hrsg.): ThemenGeschichtsPfad. Die Geschichte der Frauenbewegung in München. MDM Maristen Druck und Verlag, Furth 2014, S. 154–167.
  2. Elisabeth Zellmer: Töchter der Revolte?: Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München. Hrsg.: Institut für Zeitgeschichte. De Gruyter Oldenbourg, München 2011, ISBN 978-3-486-70254-5, S. 265.
  3. Karin Jurczyk, Carmen Tatschmurat: Frauen ante portas? Bericht über die Jahrestagung der Sektion „Frauenforschung in den Sozialwissenschaften“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 27. bis 29. Mai 1983 in München. de Gruyter, Berlin 1983, S. 170, doi:10.1515/fs-1983-0216.
  4. Elisabeth Zellmer:  Töchter der Revolte. Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München, De Gruyter, Berlin 2011. Schlussbetrachtung, S. 266.
  5. Amtsgericht München, Registergericht. 80325 München. Vereinsregister 10502.
  6. Landeshauptstadt München. Stellen für berufliche Beratungen. muenchen.de, 2021, abgerufen am 28. Februar 2021.
  7. Kofra München Lesung / Vortrag. Stadtbund Münchner Frauenverbände, 2020, abgerufen am 28. Februar 2021.
  8. Kofra. In: Meta Katalog. ida-Dachverband, 2021, abgerufen am 28. Februar 2021.
  9. Kommunikationszentrum für Frauen zur Arbeits- und Lebenssituation e. V. Kofra e. V., 2020, abgerufen am 28. Februar 2021.
  10. ThemenGeschichtsPfad. Die Geschichte der Frauenbewegung in München. (PDF) Landeshauptstadt München, Kulturreferat., 2014, abgerufen am 10. März 2021.
  11. Elisabeth Zellmer: Töchter der Revolte?: Frauenbewegung und Feminismus der 1970er Jahre in München. De Gruyter, Berlin 2011, ISBN 978-3-486-70254-5, S. 265.
  12. Anita Heiliger, Steffi Hoffmann: Aktiv gegen Männergewalt. Kampagnen und Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen international. Hrsg.: Anita Heiliger und Steffi Hoffmann. Verlag Frauenoffensive, München 1997, ISBN 3-88104-302-0.
  13. Anita Heiliger: Männergewalt gegen Frauen beenden: Strategien und Handlungsansätze am Beispiel der Münchner Kampagne gegen Männergewalt an Frauen und Mädchen/Jungen. Leske + Budrich Verlag, Opladen 2000, ISBN 3-8100-2652-2.
  14. Sendungen bei Radio LORA. Kofra e. V., 2021, abgerufen am 11. März 2021.
  15. Pressemitteilung des „Bündnisses Stop Sexkauf“ anlässlich des Inkrafttretens des „Prostituiertenschutzgesetzes“ am 1. Juli 2017. (PDF) Kofra e. V., 2017, abgerufen am 12. März 2021.
  16. Stopp Sexkauf. Bündnis für ein Sexkaufverbot in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt. (PDF) Kommunikationszentrum für Frauen zur Arbeits- und Lebenssitiation e. V., 2020, abgerufen am 9. März 2021.
  17. Anne Kostrzewa: Gemeinsam gegen käuflichen Sex. (PDF) Süddeutsche Zeitung, 8. Dezember 2014, abgerufen am 10. März 2021.
  18. Lernplattform Spaß oder Gewalt. Inhalt und Produktion: Cristina Perincioli, Stückener Dorfstr.46, 14552 Stücken. Förderung: Stiftung Deutsche Jugendmarke e. V., Träger: Cream e. V. gemeinnütziger Verein Berlin. Kooperation mit der Fachhochschule Erfurt.
  19. Gewalt in der Schule: Geschlechterdifferenzierung und Handlungsperspektiven, in: Pädagogisches Forum 6/2001, S. 448–453.
  20. „Tipps für Hellhörige. Was tun bei Verdacht auf sexuelle Kindesmisshandlungin der Familie?“ Herausgegeben von der Landeshauptstadt München, Gleichstellungsstelle für Frauen, Redaktion der 1. Auflage: Andrea Naica-Loebell
  21. Themengeschichtspfad: Die Geschichte der Frauenbewegung in München, Kulturreferat der Landeshauptstadt München, ab S. 155 (79)
  22. Kofra e. V. Flyer. (PDF) Kommunikationszentrum für Frauen zur Arbeits- und Lebenssituation e. V., 2021, abgerufen am 28. Februar 2021.
  23. Ariane Rüdiger: Sag ich’s oder sag ich’s nicht? Lesbenforschung auf eigene Faust: Die Geschichte des AK Lesben und Arbeit. Forum Queeres Archiv München e. V., München 2017, ISBN 978-3-935227-22-3.
  24. Ariane Rüdiger: Lesben sichtbar machen. Die Arbeit des AK Uferlos Lesbenpolitik. Münchner Lesbenpolitik in den 1990er Jahren. Forum Queeres Archiv München e. V., München 2015, ISBN 978-3-935227-18-6.
  25. Zeitschrift für Feminismus und Arbeit, Kofra. In: ZDB Katalog. 2020, abgerufen am 9. März 2021.
  26. Feministische Frauenprojekte. ida - Dachverband deutschsprachiger Lesben/Frauenarchive,-bibliotheken und -dokumentationsstellen., 2021, abgerufen am 28. Februar 2021.
  27. Kofra 150, Zeitschrift für Feminismus und Arbeit, Sept./Okt.2014, 32.Jg., ISSN 0949-0000/ISSN 1862-5568
  28. Was ist Kofra? Kofra e. V., 2021, abgerufen am 10. März 2021.