Klebriger Violett-Milchling

Art der Gattung Milchlinge (Lactarius)

Der Klebrige Violett-Milchling oder Ungezonte Violett-Milchling (Lactarius uvidus) ist eine Pilz­art aus der Familie der Täublingsverwandten (Russulaceae). Der kleine bis mittelgroße Milchling hat einen sehr schmierigen, braungrauen Hut und eine weiße, sich aber schnell violett verfärbende Milch. Er wächst an feuchten Standorten unter Fichten und Birken in krautreichen Laub- und Nadelwäldern. Die Fruchtkörper des ungenießbaren Milchlings erscheinen von Ende Juli bis Oktober.

Klebriger Violett-Milchling

Klebriger Violett-Milchling (Lactarius uvidus)

Systematik
Klasse: Agaricomycetes
Unterklasse: unsichere Stellung (incertae sedis)
Ordnung: Täublingsartige (Russulales)
Familie: Täublingsverwandte (Russulaceae)
Gattung: Milchlinge (Lactarius)
Art: Klebriger Violett-Milchling
Wissenschaftlicher Name
Lactarius uvidus
(Fr.) Fr.[1]

Merkmale Bearbeiten

Makroskopische Merkmale Bearbeiten

Der mehr oder weniger dünn-fleischige Hut ist 3–8 (10) cm breit und lange Zeit gewölbt. Später flacht er sich ab und ist im Alter oft leicht niedergedrückt und hat bisweilen einen stumpfen Buckel. Er ist blasslila bis ockerlich oder beige gefärbt und ist meist ungezont oder nur angedeutet lilabraun gezont. Im Alter blasst der Hut fleischbräunlich aus. Die mehr oder weniger glatte Huthaut ist bei Trockenheit klebrig bis schmierig und bei feuchter Witterung sehr schleimig. Der zunächst weißliche Hutrand ist glatt und lange eingerollt. An der Hutkante ist der Hut sehr druckempfindlich und verfärbt sich beim Berühren durch die Milch schnell lila bis schwarzviolett.

Die gedrängt stehenden Lamellen sind anfangs cremeweißlich und verfärben sich an verletzten Stellen violett bis braunviolett. Sie sind dünn, annähernd horizontal oder leicht bogig und am Stiel breit angewachsen oder laufen ein wenig daran herab. Sie können vereinzelt bis zahlreich gegabelt sein.

Der zylindrische, weißliche Stiel ist 3–7,5 (10) cm lang und 0,8–1,5 (2) cm breit und wird im Alter hohl. Manchmal ist er etwas ocker gefleckt. Die Oberfläche ist glatt, hell cremefarben und klebrig bis schleimig.

Das Fleisch ist weiß, unter der Huthaut graulila und verfärbt sich im Schnitt mehr oder weniger rasch violett. Es ist nahezu geruchlos oder riecht schwach fruchtig und schmeckt bitterlich und adstringierend, aber kaum scharf. Die anfangs reichlich fließende Milch ist weiß, verfärbt sich aber an der Luft mehr oder weniger schnell violett, aber nur wenn sie einen direkten Kontakt zum Fleisch hat.[2][3][4]

Mikroskopische Merkmale Bearbeiten

Die rundlichen bis elliptischen Sporen sind 8,3–11 µm lang und 6,8–8,8 µm breit. Der Q-Wert (Quotient aus Sporenlänge und -breite) ist 1,1–1,3. Das etwa 1 µm hohe Sporenornament besteht aus mehreren Warzen und aus Rippen, die nur teilweise netzartig miteinander verbunden sind. Die viersporigen Basidien sind keulig bis bauchig und messen 40–60 × 11–13 µm.

Die zahlreichen Cheilomakrozystiden sind spindel- bis flaschenförmig. Sie sind 30–65 µm lang und 6–10 µm breit. Auch die Pleuromakrozystiden sind spindelförmig, aber auf der Lamellenfläche nur recht spärlich verteilt. Sie sind 50–100 µm lang und 10–12 µm breit.

Die Huthaut besteht aus aufsteigenden, teilweise unregelmäßig verflochtenen, knorrigen 1–5 µm breiten Hyphen. Darunter befinden sich mehr oder weniger parallel liegende, 2–4 µm breite Hyphen. Wie für eine Ixocutis typisch sind die Huthauthyphen stark gelatinisiert.[5]

Artabgrenzung Bearbeiten

Der Klebrige Violett-Milchling lässt sich normalerweise recht leicht bestimmen, da es nur wenige Milchlinge gibt, deren Milch sich violett verfärbt und diese sind, im Gegensatz zum Klebrigen Violett-Milchling, alle recht selten. Der Milchling könnte am ehesten noch mit dem nahe verwandten Gezonten Violett-Milchling (Lactarius violascens) verwechselt werden. Dieser Pilz wächst im Laubwald und ist äußerlich an seinem stärker rötlichviolett bis graubraun gefärbten und stets gezonten Hut zu erkennen. Sein Hut ist aber auch im feuchten Zustand nicht schleimig, sondern bestenfalls etwas schmierig. Beim Gezonten Violett-Milchling färbt sich nur das Fleisch violett, während die Milch sich ohne Kontakt zum Fleisch nicht verändert. Unter dem Mikroskop ist er an seinen kleineren Sporen zu erkennen.

Weitere Milchlinge mit violett verfärbender Milch sind der Violettmilchende Zotten-Reizker (Lactarius repraesentaneus), der Schild-Milchling (Lactarius aspideus) und der Silberwurz-Milchling (Lactarius dryadophilus). Alle drei Arten gehören wegen ihres mehr oder weniger zottig behangenen Hutrandes in eine andere Gruppe. Einige von ihnen sind außerordentlich selten und wachsen auf kalkhaltigen Böden.[4][5]

Ökologie Bearbeiten

Der Klebrige Violett-Milchling ist ein Mykorrhizapilz, der meist mit Birken, seltener mit Fichten eine symbiotische Partnerschaft eingeht. Bisweilen findet man ihn auch bei Weiden, Erlen, Eschen, Rotbuchen, Faulbäumen oder anderen Laubbäumen.

Der Milchling mag mehr oder weniger saure, nährstoffarme und mäßig bis stark feuchte oder wechselnasse Böden. Man findet ihn auf gleyigen oder anmoorigen Böden in Tannen-Fichten- und Fichtenwäldern, an Moorrändern, in Ufergebüschen mit Birken, Weiden- und/oder Faulbäumen oder in Birken- oder Erlenbrüchen sowie in Eschen-Erlen-Auwäldern. Nur selten kommt er auch in bodensauren Eichen- und in Hexenkraut-Waldmeister-Buchenwäldern auf pseudovergleyten Böden vor.

Die Fruchtkörper erscheinen meist gesellig von Ende Juli bis Oktober. Die Art kommt in Mitteleuropa bevorzugt im Berg- und Hügelland vor.[2][5]

Verbreitung Bearbeiten

 
Verbreitung des Klebrigen Violett-Milchling in Europa. Grün eingefärbt sind Länder, in denen der Milchling nachgewiesen wurde. Grau dargestellt sind Länder ohne Quellen oder Länder außerhalb Europas.[6][7][8][9][10][11]

Der Klebrige Violett-Milchling ist eine holarktisch verbreitete Art, die in Nordasien (Nord- und Ostsibirien, Japan, Südkorea), Nordamerika (Kanada, östliche USA, Mexiko), Grönland, Nordafrika (Marokko) und Europa nachgewiesen wurde. In Europa ist der Milchling als temperat bis boreale (subarktisch-alpine) Art vorwiegend in Mittel- und Nordeuropa verbreitet. In Fennoskandinavien ist der Milchling ziemlich häufig, während er in West- und Mitteleuropa deutlich seltener ist. Im Norden kommt er bis ins arktisch-alpine Lappland und auf Spitzbergen vor.

In Deutschland kommt der Milchling von der Küste bis in die Alpen hinein vor, ist aber sehr unregelmäßig und zerstreut verbreitet, da der Milchling auf kalkreichen oder stark wasserdurchlässigen und langzeitig trockenen Sand- und Sandsteinböden weithin fehlt. In einigen Gebieten, besonders in Moorgebieten ist der Milchling aber stellenweise nicht selten. Ansonsten scheint der Milchling nur in Sachsen zu fehlen.

Die Art ist in Deutschland in ihrem Bestand stark rückläufig. Auf der Roten Liste wird sie in der Gefährdungskategorie RL3 geführt. Der Milchling ist vor allem durch Grundwasserabsenkung und Drainagen sowie durch Kalkung und Düngung der Waldböden gefährdet.[2] In der Schweiz gilt die Art als nicht selten.[5]

Systematik Bearbeiten

Der Klebrige Violett-Milchling wurde zum ersten Mal 1789 durch August Batsch als Agaricus lividorubescens beschrieben.[12] 1818 gab ihm der schwedische Mykologe Elias Magnus Fries den neuen, sanktionierten Namen Agaricus uvidus, bevor er ihn 1838 in die Gattung Lactarius stellte, sodass er seinen heute gültigen wissenschaftlichen Namen bekam.[1] Das lateinische Epitheton "uvidus" bedeutet feucht oder nass, und bezieht sich auf den Standort, an den man den Milchling finden kann.[13]

Infragenerische Systematik Bearbeiten

Der Milchling wird in die Untersektion Uvidini gestellt, die ihrerseits in der Sektion Uvidi steht. Die Vertreter der Untersektion haben eine weiße Milch, die sich lila oder violett verfärbt. Ihre Hüte sind weinrötlich, grau oder bräunlich gefärbt, mehr oder weniger klebrig oder schleimig und manchmal am Rand behaart.[14]

Bedeutung Bearbeiten

Der Milchling ist gilt wegen seines bitteren, leicht schärflichen Geschmacks als ungenießbar.

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Elias Magnus Fries: Epicrisis systematis mycologici. seu synopsis hymenomycetum. Typographia Academica, Upsala 1838, S. 338 (Latein, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b c German Josef Krieglsteiner (Hrsg.), Andreas Gminder, Wulfard Winterhoff: Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 2: Ständerpilze: Leisten-, Keulen-, Korallen- und Stoppelpilze, Bauchpilze, Röhrlings- und Täublingsartige. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3531-0, S. 365.
  3. Marcel Bon (Hrsg.): Pareys Buch der Pilze. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-09970-9, S. 86.
  4. a b Ewald Gerhardt (Hrsg.): Pilze Band 1: Lamellenpilze, Täublinge, Milchlinge und andere Gruppen mit Lamellen. BLV Verlagsgesellschaft, München/ Wien/ Zürich 1984, ISBN 3-405-12927-3, S. 288.
  5. a b c d Josef Breitenbach, Fred Kränzlin (Hrsg.): Pilze der Schweiz. Beitrag zur Kenntnis der Pilzflora der Schweiz. Band 6: Russulaceae. Milchlinge, Täublinge. Mykologia, Luzern 2005, ISBN 3-85604-060-9, S. 116.
  6. Lactarius uvidus in der PILZOEK-Datenbank. In: pilzoek.de. Abgerufen am 15. September 2011.
  7. Weltweite Verbreitung von Lactarius uvidus. In: GBIF Portal / data.gbif.org. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. April 2015; abgerufen am 14. September 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/data.gbif.org
  8. Jacob Heilmann-Clausen u. a.: The genus Lactarius. Fungi of Northern Europe. Hrsg.: The Danish Mycological Society,. Vol. 2, 1998, ISBN 87-983581-4-6, S. 271–73 (englisch).
  9. Z. Tkalcec, A. Mešic: Preliminary checklist of Agaricales from Croatia V:. Families Crepidotaceae, Russulaceae and Strophariaceae. In: Mycotaxon. Band 88, 2003, ISSN 0093-4666, S. 289 (cybertruffle.org.uk [abgerufen am 9. Januar 2012]). cybertruffle.org.uk (Memento des Originals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cybertruffle.org.uk
  10. Interactive map of Lactarius uvidus. In: NBN Gateway / data.nbn.org.uk. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. Dezember 2012; abgerufen am 3. März 2012 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/data.nbn.org.uk
  11. T. V. Andrianova u. a.: Lactarius of the Ukraine. Fungi of Ukraine. In: www.cybertruffle.org.uk/ukrafung/eng. 2006, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Oktober 2012; abgerufen am 3. März 2012 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cybertruffle.org.uk
  12. August Johann Georg Karl Batsch: Elenchus fungorum. Continuatio secunda. 1789, S. 51, t. 36:202 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch:. uvidus. In: zeno.org. 1913, abgerufen am 15. Mai 2012.
  14. Jacob Heilmann-Clausen u. a.: The genus Lactarius. Fungi of Northern Europe. Hrsg.: The Danish Mycological Society,. Vol. 2, 1998, ISBN 87-983581-4-6, S. 23–28 (englisch).

Weblinks Bearbeiten

Commons: Klebriger Violett-Milchling (Lactarius uvidus) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  • Synonyme von Lactarius uvidus. In: speciesfungorum.org. Index Fungorum, abgerufen am 20. Juni 2011.
  • Lactarius uvidus. In: Russulales News / mtsn.tn.it. Abgerufen am 20. Juni 2011 (englisch, Fotos und lateinische Originaldiagnose).
  • Lactarius uvidus. In: Funghi in Italia / funghiitaliani.it. Abgerufen am 2. März 2012 (italienisch, Gute Fotos vom Klebrigen Violett-Milchling).