Immergrün

Gattung der Familie Hundsgiftgewächse (Apocynaceae)

Immergrün (Vinca) ist eine Pflanzengattung in der Familie der Hundsgiftgewächse (Apocynaceae). Sie ist eine der beiden auch in Mitteleuropa vorkommenden Gattungen der vor allem in den Tropen verbreiteten Familie Apocynaceae.

Immergrün

Großes Immergrün (Vinca major)

Systematik
Euasteriden I
Ordnung: Enzianartige (Gentianales)
Familie: Hundsgiftgewächse (Apocynaceae)
Unterfamilie: Rauvolfioideae
Tribus: Vinceae
Gattung: Immergrün
Wissenschaftlicher Name
Vinca
L.
Blätter von Vinca major (unten) und Vinca minor (oben)

Beschreibung Bearbeiten

Vegetative Merkmale Bearbeiten

Die Vinca-Arten sind mehrjährige krautige Pflanzen bis Halbsträucher. Entgegen dem Gattungsnamen sind nicht alle Vinca-Arten immergrün: Das Krautige Immergrün verliert im Winter seine Laubblätter und ist daher sommergrün. Sie besitzen Stolonen und einen wässerigen, klaren Milchsaft. Die gegenständig angeordneten Laubblätter sind kurz gestielt. Die Blattspreiten sind einfach und ganzrandig.

Generative Merkmale Bearbeiten

Die Blüten stehen meist einzeln in den Blattachseln, oder selten zu zweit in zymösen Blütenständen.

Die zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Der Kelch ist klein und beständig. Die fünf blauen, violetten oder weißen Kronblätter sind röhrig verwachsen. Die Innenfläche der Kronröhre ist behaart oder es sind Schüppchen vorhanden. Die Kronlappen sind kürzer als die Kronröhre und überlappen sich. Es ist nur ein Kreis mit fünf Staubblättern vorhanden; sie sind mit der Kronröhre verwachsen, aber untereinander frei. Zwei oberständige Fruchtblätter sind genährt und der eine Griffel ist schlank mit einem Griffelkopf. Es sind längliche, oft beständige, Nektarien vorhanden.

Aus jeder befruchteten Blüte entwickeln sich zwei Balgfrüchte. Die Balgfrüchte sind 35 bis 40 Millimeter lang und enthalten vier bis acht Samen. Die Samen sind glänzend.

 
Mittleres Immergrün (Vinca difformis)
 
Krautiges Immergrün (Vinca herbacea)
 
Kleines Immergrün (Vinca minor)

Systematik und Verbreitung Bearbeiten

Die Gattung Vinca wurde 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Tomus 1, S. 209 aufgestellt. Der botanische Gattungsname Vinca ist abgeleitet von lateinisch[1] vinca pervinca, von pervincire für „umwinden, Kränze binden“; in Bezug auf die langen biegsamen Stängel.[2]

Die Vinca-Arten sind von Europa bis Westasien verbreitet.

Es gibt fünf bis sieben (bis zwölf) Arten in der Gattung Vinca (Auswahl):[3]

  • Mittleres Immergrün (Vinca difformis Pourr.): Es gibt etwa zwei Unterarten:
    • Vinca difformis Pourr. subsp. difformis
    • Vinca difformis subsp. sardoa Stearn
  • Aufrechtes Immergrün (Vinca erecta Regel & Schmalh.): Es kommt von Zentralasien bis ins nordöstliche Afghanistan vor.[3]
  • Krautiges Immergrün (Vinca herbacea Waldst. & Kit.)
  • Vinca ispartensis Koyuncu & Eksi: Sie wurde 2015 aus der Türkei erstbeschrieben.[3]
  • Kleines Immergrün (Vinca minor L.)
  • Großes Immergrün (Vinca major L.): Je nach Autor gibt es wenige Unterarten:
    • Vinca major subsp. balcanica (Pénzes) Kozuharov & A.V.Petrova
    • Vinca major subsp. hirsuta (Boiss.) Stearn
    • Vinca major L. subsp. major
  • Vinca soneri Koyuncu: Sie wurde 2012 aus der Türkei erstbeschrieben.[3]

Einige ehemalige bei Vinca eingeordnete Arten gehören heute zu Catharanthus, darunter auch das arzneilich bedeutsame Madagaskar-Immergrün. Verschiedene Sorten von Catharanthus werden als Beet- und Balkonpflanzen mit unterschiedlichen Blütenfarben kultiviert.

Verwendung Bearbeiten

Zwei Arten werden als Zierpflanzen in Parks und Gärten genutzt und verwildern leicht.

Bekannt ist vor allem das Kleine Immergrün (Vinca minor), welches eine alte Volksarznei-Pflanze ist und noch in der Homöopathie verwendet wird. Vincaalkaloide aus Catharanthus roseus werden als Zytostatika verwendet.

Geschichte Bearbeiten

Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde eine „Singrüen“ „Ingrüen“ (Immergrün) genannte Pflanze[4][5][6] als die „Klematis“ des Dioskurides und des Galen[7][8], und/oder als die „Vicapervica“ des Plinius[9] gedeutet.[10][11][12][13] Die Beschreibungen des Habitus der Pflanze und die beigefügten naturgetreuen Abbildungen in den Büchern der Väter der Botanik ermöglichten eine eindeutige Zuordnung der Pflanze „Immergrün“ zur Art Vinca minor.

Nach Otto Brunfels wurde das Immergrün in der Volksmedizin („bei den gemeinen Empirici“) äußerlich als Auflage zur Behandlung der ausbleibenden Monatsblutung („der erkalteten Gebärmutter“) und des „erkalteten Magens“ verwendet. Als Symbol der Unsterblichkeit diente es nach Hieronymus Bock als Grabbeilage. Bock gab auch an, dass „trüber und abgefallener Wein“ wieder lauter werde, wenn man etwas Immergrünkraut darin wirken lasse.[14][15][16][17]

Im Bundesanzeiger Nr. 173 vom 18. September 1986 veröffentlichte die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes eine (Negativ-)Monographie über Immergrünkraut. Darin wird eine therapeutische Anwendung nicht empfohlen.[18][19]

Historische Abbildungen Bearbeiten

Quellen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Immergrün (Vinca) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Immergrün – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Vgl. auch Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 159 (Vinca pervinca: Vinca pervinca L., Sinngründ).
  2. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. Birkhäuser, Basel/Stuttgart 1976, ISBN 3-7643-0755-2, S. 383.
  3. a b c d Vinca. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science, abgerufen am 19. Dezember 2020..
  4. Konrad von Megenberg, 14. Jahrhundert. Buch der Natur. Ausgabe. Franz Pfeiffer. Aue, Stuttgart 1861, S. 422 (V/78): Singrüen – semperviva (Digitalisat)
  5. Gart der Gesundheit. Mainz 1485, Kapitel 79: Berwinca syngrun (Digitalisat)
  6. Hieronymus Brunschwig. Kleines Destillierbuch, Straßburg 1500, Blatt 63v–64r: Ingrüen (Digitalisat)
  7. Pedanios Dioskurides. 1. Jahrhundert. De Medicinali Materia libri quinque. Übersetzung. Julius Berendes. Des Pedanius Dioskurides Arzneimittellehre in 5 Büchern. Enke, Stuttgart 1902, S. 369 (Buch IV, Kapitel 7): Klematis (Digitalisat)
  8. Galen, 2. Jahrhundert. De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus, Buch VII, Kapitel X/31 (nach der Ausgabe Kühn 1826, Band XII, S. 31): Clematis (Digitalisat)
  9. Plinius, 1. Jahrhundert Naturalis historia Buch XXI, Kapitel XXXIX (§ 68): Vicapervica (Digitalisat); Übersetzung Külb 1855 (Digitalisat). - Kapitel XCIX, (§ 172): Vicapervica (Digitalisat); Übersetzung Külb 1855 (Digitalisat)
  10. Otto Brunfels. Contrafayt Kreüterbůch. Johann Schott, Straßburg 1532, S. 101: Yngryen (Digitalisat)
  11. Hieronymus Bock. New Kreütter Bůch. Wendel Rihel, Straßburg 1539, Teil I, Kapitel 130: Yngrün (Digitalisat)
  12. Leonhart Fuchs. New Kreütterbuch … Michael Isingrin, Basel 1543, Kapitel 135: Syngrüen (Digitalisat)
  13. Pietro Andrea Mattioli. Commentarii, in libros sex Pedacii Dioscoridis Anazarbei, de medica materia. Übersetzung durch Georg Handsch, bearbeitet durch Joachim Camerarius den Jüngeren, Johan Feyerabend, Franckfurt am Mayn 1586, Blatt 325v–326r: Singrün (Digitalisat)
  14. Nicolas Lémery. Dictionnaire universel des drogues simples. Paris 1699, S. 584–585: Pervinca (Digitalisat); Übersetzung. Vollständiges Materialien-Lexicon. Zu erst in Frantzösischer Sprache entworffen, nunmehro aber nach der dritten, um ein grosses vermehreten Edition […] ins Hochteutsche übersetzt / Von Christoph Friedrich Richtern, […]. Leipzig: Johann Friedrich Braun, 1721, Sp. 859–860: Pervinca (Digitalisat)
  15. Albrecht von Haller (Herausgeber). Onomatologia medica completa oder Medicinisches Lexicon das alle Benennungen und Kunstwörter welche der Arzneywissenschaft und Apoteckerkunst eigen sind deutlich und vollständig erkläret […]. Gaumische Handlung, Ulm/ Frankfurt am Main/ Leipzig 1755, Sp. 1323: Vinca pervinca (Digitalisat)
  16. Philipp Lorenz Geiger: Handbuch der Pharmacie zum Gebrauche bei Vorlesungen & zum Selbstunterrichte für Ärzte, Apotheker & Droguisten. Wolters, Stuttgart, 2. Band, 1. Hälfte 1830, S. 460–461: Vinca (Digitalisat)
  17. Wolfgang Schneider: Lexikon zur Arzneimittelgeschichte. Sachwörterbuch zur Geschichte der pharmazeutischen Botanik, Chemie, Mineralogie, Pharmakologie, Zoologie. Govi-Verlag, Frankfurt a. M., Bd. 5/3 (1974), S. 399–400: Vinca (Digitalisat)
  18. (Negativ-) Monographie der Kommission E (Digitalisat)
  19. Eberhard Scholz: Vinca. In: Rudolf Hänsel, K. Keller, H. Rimpler und G. Schneider (Hrsg.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. 5. Auflage, Springer, Bd. 6 1994, S. 1123–1134; hier: Vinca minor: S. 1127–1134