Herrenstuben-Gesellschaft zu Winterthur
Die Herrenstuben-Gesellschaft zu Winterthur (kurz Herrenstube) ist eine um 1300 gegründete Stubengesellschaft in Winterthur im Kanton Zürich in der Schweiz. Sie ist die einzige bereits im Mittelalter gegründete Organisation der Stadt, die bis heute fortbesteht.[1][2]
Geschichte
BearbeitenObschon Winterthur nie eine Zunftstadt war, bildeten sich im Spätmittelalter zahlreiche Handwerksgesellschaften mit eigenen Trinkstuben, in denen man sich zu geselligen Anlässen traf. Um ca. 1300 wurde mit der Herrenstube auch eine Trinkstube für Adlige, Geistliche, Ratsherren sowie weitere angesehene Persönlichkeiten gegründet.[3] Sie ist daher beispielsweise mit der Gesellschaft zur Constaffel und der Gesellschaft der Schildner zum Schneggen in Zürich oder den Herrenstuben in Schaffhausen, Stein am Rhein und Konstanz vergleichbar.[4] Im Verlauf der Jahrhunderte nahm der Anteil der adligen Mitglieder in der Winterthurer Herrenstube laufend ab, während der Anteil bürgerlicher Mitglieder stark zunahm. Nach der Reformation und der mit ihr verbundenen Aufhebung der Klöster gehörten auch immer weniger Mitglieder dem geistlichen Stand an.[5] Als Zunfthäuser dienten der Herrenstube seit dem 14. Jahrhundert sowohl das Haus Zur Eintracht an der Marktgasse 33 in der Winterthurer Altstadt, als auch das ursprünglich mit diesem Gebäude verbundene ehemalige Haus Zum Frieden an der Marktgasse 35. Beide Liegenschaften wurden 1787 veräussert und das Gebäude an der Marktgasse 35 im Jahr 1930 ausserdem abgebrochen.[6] Mit dem Untergang des Ancien Régime wurde 1798 auch die Herrenstube faktisch aufgelöst, jedoch 1806 wiederhergestellt.[7]
Organisation
BearbeitenDie Herrenstuben-Gesellschaft weist auch heute noch zünftige Organisationsformen auf. Sie wird vom sogenannten Stubenmeister geleitet und setzt sich aus rund 300 Mitgliedern zusammen, die sich jeden letzten Donnerstag im November zum Hühnermahl treffen. Der Name dieses Anlasses erinnert daran, dass der Schlossherr der Kyburg für dieses Festessen einst Hühner zu stiften pflegte. Gegenwärtig gelten die männlichen Nachkommen der Familien Hegner[8] und Steiner, die Schlossherren von Winterthur und Umgebung, in den Statuten näher bezeichnete Persönlichkeiten aus Politik und Verwaltung, die „im Bezirk Winterthur wohnhaften oder wirkenden Doctores aller Fakultäten“ sowie „von der Vorsteherschaft bezeichnete Männer von Bildung, Rang, Stellung oder Grad“ als „stubenfähig“ und können somit auf Empfehlung in die Gesellschaft aufgenommen werden. Das Ziel der Herrenstube besteht darin, die „Kameradschaft zwischen Männern von Bildung, Rang und allgemeinem Einfluss in hiesiger Stadt“ zu pflegen. Ausserdem verwaltet sie zwei Stiftungen, mit denen öffentlich zugängliche Kunstwerke und soziale Institutionen unterstützt werden.[9]
Literatur
Bearbeiten- Werner Ganz: Winterthur. Einführung in seine Geschichte von den Anfängen bis 1798. (= Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur. Band 292). Buchdruckerei Winterthur AG, Winterthur 1960.
- Adrian Knoepfli: Von der Herrschaft der Demokraten zu Rot-Grün. In: Erwin Eugster (Hrsg.): Von 1850 bis zur Gegenwart. Zwischen Dampf und Bytes – Technik, Kultur, Innovation. (= Winterthurer Stadtgeschichte. Band 2). Chronos Verlag, Zürich 2014, ISBN 978-3-0340-1212-6, S. 83–150.
- Samuel Wyder, Peter Niederhäuser: 200 Jahre Herrenstube Winterthur. Verlag Matthieu, Zürich 2007, ISBN 3-906998-09-1.
- Alfred Ziegler: Die Gesellschaft der Herrenstube in Winterthur (= Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur. Band 259). Buchdruckerei Geschwister Ziegler, Winterthur 1924.
- Alfred Ziegler: Die Gesellschaft der Herrenstube zu Winterthur. Bis zur Gegenwart nachgeführt und mit einem Anhang versehen von Hans Klaui. Hrsg. von der Herrenstubengesellschaft Winterthur, Winterthur 1956.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Werner Ganz: Winterthur. Einführung in seine Geschichte von den Anfängen bis 1798. (= Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur. Band 292). Buchdruckerei Winterthur AG, Winterthur 1960, S. 302.
- ↑ Meinrad Suter: Winterthur. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑ Peter Niederhäuser: Zwischen Abhängigkeit und Autonomie. In: Erwin Eugster (Hrsg.): Von den Anfängen bis 1850. Zwischen Rot und Blau, Habsburg, Zürich oder Autonomie. (= Winterthurer Stadtgeschichte. Band 1). Chronos Verlag, Zürich 2014, ISBN 978-3-0340-1212-6, S. 152–155.
- ↑ Samuel Wyder, Peter Niederhäuser: 200 Jahre Herrenstube Winterthur. Verlag Matthieu, Zürich 2007, ISBN 3-906998-09-1, S. 2.
- ↑ Werner Ganz: Winterthur. Einführung in seine Geschichte von den Anfängen bis 1798. (= Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur. Band 292). Buchdruckerei Winterthur AG, Winterthur 1960, S. 303.
- ↑ Emanuel Dejung, Richard Zürcher, Hans Hofmann: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Band VI: Die Stadt Winterthur und die Stadt Zürich (Kunstgeschichtliche Zusammenfassung). (= Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 27). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Birkhäuser Verlag, Basel 1952, S. 114–115.
- ↑ Werner Ganz: Geschichte der Stadt Winterthur vom Durchbruch der Helvetik 1798 bis zur Stadtvereinigung 1922. Verlag W. Vogel, Winterthur 1979, S. 252.
- ↑ Alfred Bütikofer: Hegner. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑ Adrian Knoepfli: Von der Herrschaft der Demokraten zu Rot-Grün. In: Erwin Eugster (Hrsg.): Von 1850 bis zur Gegenwart. Zwischen Dampf und Bytes – Technik, Kultur, Innovation (= Winterthurer Stadtgeschichte. Band 2). Chronos Verlag, Zürich 2014, ISBN 978-3-0340-1212-6, S. 123.