Hain-Rispengras

Art der Gattung Rispengräser (Poa)

Das Hain-Rispengras (Poa nemoralis) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Rispengräser (Poa), die zur Familie der Süßgräser (Poaceae) gehört. Es ist in Europa und im nördlichen Asien weit verbreitet, in Nordamerika gibt es eingebürgerte Vorkommen sowie das nah verwandte, von manchen Autoren als Unterart des Hain-Rispengrases geführte Poa interior. Wegen seiner charakteristisch waagrecht oder aufrecht abstehenden Blätter, ähnlich einem ausgestreckten Arm, wird es auch „Wegweisergras“ genannt.

Hain-Rispengras

Hain-Rispengras (Poa nemoralis), Illustration

Systematik
Commeliniden
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Süßgräser (Poaceae)
Unterfamilie: Pooideae
Gattung: Rispengräser (Poa)
Art: Hain-Rispengras
Wissenschaftlicher Name
Poa nemoralis
L.

Beschreibung Bearbeiten

 
Blütenstand
 
Habitus
 
Ährchen; Gluma = Hüllspelze, Lemma = Deckspelze
 
Gallbildung am Hain-Rispengras

Vegetative Merkmale Bearbeiten

Das Hain-Rispengras ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die horstartig wächst und Wuchshöhen von 20 bis 50[1], nach anderen Angaben bis 80 Zentimeter[2] oder 100 Zentimeter[3] erreicht. Das Wurzelsystem ist flach. Die Blattspreite ist 6 bis 15 Zentimeter lang und 1,5 bis 3 Millimeter breit[3], neben der mittleren Blattrippe ist je eine längs verlaufende Rinne sichtbar. Die Blattspitze ist nur selten kapuzenförmig zusammengezogen. Der Blattgrund besitzt keine Wimpern, das Blatthäutchen (Ligula) ist weiß, es ist kurz, beim obersten Halmblatt 0,3 bis 0,8 Millimeter lang und endet gestutzt. Auffällig ist die fast waagerechte aufrecht abstehende Blattspreite des obersten Blattes, sie ist gleich lang wie dessen Blattscheide.[4][1]

Generative Merkmale Bearbeiten

Der wenigblütige, rispige Blütenstand ist 4 bis 16 Zentimeter lang[3] und an seiner Spitze etwas übergeneigt. Die Seitenäste gehen zu (2-) 3 bis 5 von der dünnen Hauptachse ab; sie sind sehr dünn und oft geschlängelt.[3] Die einzelnen Ährchen sind 4 bis 5 Millimeter lang und enthalten nur eine[4], meist aber 2 bis 5[5] zwittrige Blüten.[3] Die Hüllspelzen sind dreinervig und 2 bis 3,5 Millimeter lang, wobei die untere deutlich kürzer und schmaler ist als die obere.[3] Die Deckspelzen sind behaart und grün[4]; sie sind fünfnervig und 2,6 bis 3,8 Millimeter lang.[3] Deckspelzen und Hüllspelzen sind deutlich gekielt.[2] Grannen sind nicht vorhanden.[4] Die Vorspelzen sind zweinervig, 2,4 bis 3,4 Millimeter lang und auf den Kielen mit sehr kurzen, spitzen Borstenhaaren besetzt.[3] Die Staubbeutel sind 1,2 bis 2 Millimeter lang.[3] Die Blütezeit wird für Mitteleuropa mit Juni bis Juli angegeben,[1] die Flora of China nennt Mai bis Juni,[6] in Schweden reicht die Blütezeit von Juli bis September.[7]

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 28 oder 42, auch 14, 35, 56, 70.[8]

Ökologie Bearbeiten

Durch Befall mit dem Pilz Epichloe typhina können beim Hain-Rispengras, zuweilen auch bei anderen Arten, weiße, später muffartige Hüllen um den Stängel entstehen.[9] Die Halme von Poa nemoralis werden auch durch die Diptere Mayetiola poae befallen.[3] In den umgebildeten Halmen tritt Endo-Polyploidie auf. Der Endopolyploidiegrad nimmt von außen nach innen zu und erreicht bei den Kernen im zentralen Gewebe vermutlich den 4096-fachen Wert.[3] Die fädigen Auswüchse der Galle sind gebaut wie Beiwurzeln mit Zentralzylinder, sklerotisiertem Perizykel und einer Tertiär-Endodermis, aber eine Kutikula fehlt.[3]

Vorkommen Bearbeiten

Das Verbreitungsgebiet des Hain-Rispengrases umfasst die subarktischen und gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel sowie das nordwestliche Afrika.[10] In den Alpen steigt das Hain-Rispengras meist bis auf 2000 Meter Höhe auf,[1] in China kommt es in Höhenlagen zwischen 1000 und 4200 Meter vor[6]. In den Allgäuer Alpen steigt es in Bayern auf Graten der Höfats bis zu 2200 Metern Meereshöhe auf.[11] In Graubünden erreicht es am Piz Laschadurella 3000 Meter.[3] Das Hain-Rispengras ist generell in Laubwäldern,[4] besonders an lichten Stellen, am Waldrand oder an Hecken zu finden. Es bevorzugt frische Böden, die nährstoffreich, humos und nur mäßig sauer sind. Es ist eine Charakterart der Klasse Querco-Fagetea.[8]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 2+ (frisch), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 3 (montan), Nährstoffzahl N = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[12]

Systematik und Chromosomenzahlen Bearbeiten

Das Hain-Rispengras wurde 1753 von Carl von Linné im ersten Band von Species Plantarum auf Seite 69 erstveröffentlicht. Das Art-Epitheton nemoralis ist im Lateinischen das Adjektiv von nemus, „Hain, Wald“.

Verschiedene Sippen des Hain-Rispengrases lassen sich durch die Chromosomenzahlen unterscheiden.[6] Häufig kommen 2n = 28 und 42 vor, auch 2n = 14, 35, 56 und 70 wurden gezählt.[1] Das Hain-Rispengras bildet mit verwandten Arten variable und schwer unterscheidbare Hybride, die sich durch Agamospermie vermehren können, so etwa mit dem Sumpf-Rispengras (Poa palustris), dem Blaugrünen Rispengras (Poa glauca), mit Poa nemoraliformis und Poa versicolor.[6]

Nutzung Bearbeiten

Es wird gelegentlich als Bestandteil von Schattenrasenmischungen verwendet.[13]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. 7. Auflage. Ulmer, Stuttgart 1994, ISBN 3-8252-1828-7, S. 221–224.
  2. a b Robert J. Soreng: Poa. In: Grass Manual on the web. Utah State University, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juni 2011; abgerufen am 11. April 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/herbarium.usu.edu
  3. a b c d e f g h i j k l m Hans Joachim Conert: Familie Poaceae. In Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 3. Auflage, Band I, Teil 3, Seite 703–705. Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg 1996. ISBN 3-489-52020-3.
  4. a b c d e Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands (= Die Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Band 2). Herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3364-4, S. 672.
  5. Thomas A. Cope: Poa nemoralis. In: S. I. Ali, M. Qaiser (Hrsg.): Flora of Pakistan. Poaceae. Missouri Botanical Garden Press, St. Louis, S. 413 (eFloras.org).
  6. a b c d Guanghua Zhu, Liang Liu, Robert J. Soreng & Marina V. Olonova: Poa: Poa nemoralis, S. 299 - textgleich online wie gedrucktes Werk, In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China, Volume 22 - Poaceae, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis 2006. ISBN 1-930723-50-4
  7. Lundgröe – Poa nemoralis L. In: Den virtuelle floran. Naturhistoriska riksmuseet, abgerufen am 11. April 2011.
  8. a b Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 2001. ISBN 3-8001-3131-5. Seite 224.
  9. Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
  10. Poa nemoralis. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science, abgerufen am 13. November 2016..
  11. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 188.
  12. Poa nemoralis L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 15. August 2023.
  13. Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit: Autochthones Saat- und Pflanzgut - Regelsaatgutmischungen (RSM). (Online; PDF-Datei; 109 kB)

Weblinks Bearbeiten

Commons: Hain-Rispengras – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien