Das Güglinger Palmtuch entstand 1988 und hängt an der Nordwand der Mauritiuskirche in Güglingen. Das Palmtuch ersetzt ein urkundlich bezeugtes, jedoch 1849 verbranntes historisches Palmtuch, das aus 60 Einzelbildern zusammengesetzt war. Das neue Palmtuch besteht aus 40 Einzelbildern, die von 40 deutschen Künstlern gespendet wurden und wie die Bilder des alten Palmtuchs Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament zeigen.

Hinweis: Aus urheberrechtlichen Gründen kann in Wikipedia kein Gesamtbild des Palmtuchs gezeigt werden. Gesamtbilder: siehe Weblinks.

Das historische Palmtuch aus dem 15. Jahrhundert

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Quelle: #Klunzinger 1847.

Palm- oder Fastentücher dienten früher in der Fastenzeit zur Verhüllung des Altarraums. Das historische Güglinger Palmtuch wurde in der Mauritiuskirche in Güglingen jährlich „vom Palmfest an (daher der Name) bis Ostermontag zwischen dem Schiff und Chor der Kirche aufgehängt“. Nach dem Güglinger Stadtpfarrer Karl Klunzinger (1799–1861) ist das Palmtuch im 15. Jahrhundert entstanden:[1]

  • Das Palmtuch stammt aus der Zeit vor der Reformation, denn das Bild Nr. 24 mit der Verkündigung Mariä enthielt eine Inschrift mit dem himmlischen Gruß „Ave, Maria, gracia plena“.[2] Der Text stammt aus der lateinischen Bibelübersetzung Vulgata, die von den Protestanten nicht anerkannt wurde.[3]
  • „Aus dem ganzen Styl, in dem es gehalten ist, läßt sich schließen, daß es mit dem zu Zittau ungefähr gleichaltrig ist.“ Das Große Zittauer Fastentuch stammt aus dem Jahr 1472 (siehe Bild).

Das Palmtuch war ein ca. 7,20 m hoher und 4,30 m breiter Vorhang aus Leinwand und war in 60 quadratische Felder von etwa 70 cm Seitenlänge unterteilt.[4] Die Felder zeigten Darstellungen aus dem Alten Testament (Nr. 1–21) und aus dem Neuen Testament (Nr. 22–60).[5]

Zum künstlerischen und historischen Wert des Palmtuchs bemerkte Karl Klunzinger 1846: „Der Seltsamkeit der ausgehobenen Züge entspricht der eben nicht meisterhafte Pinsel des Verfassers und die Uebertragnng des Costüms seiner Zeit auf die biblische Geschichte. Gleichwohl ist das Stück theils wegen der gut erhaltenen Farben, theils wegen des Beitrags zur Kenntniß des Geschmacks jener Zeit, theils wegen seiner imponirenden Größe, theils überhaupt wegen seines Alters von Werth.“

Um 1751 wurde die baufällige mittelalterliche Kirche durch einen Neubau ersetzt. „Vermutlich wäre diese Barockkirche heute noch am Platz, wenn sie nicht bei jenem berüchtigten Stadtbrand vom 7. März 1849 den Flammen zum Opfer gefallen wäre. Der Kirchturm brannte wie eine hell leuchtende Fackel, das Kirchenschiff ging mit allen seinen Einrichtungsgegenständen, darunter auch dem einzigartigen Palmtuch, bis auf die Grundmauern zugrunde.“[6] Drei Jahre zuvor, im Jahr 1846, hatte Karl Klunzinger das Palmtuch noch ausführlich beschrieben und lieferte damit die Grundlage für die moderne Version des Palmtuchs.

Das neue Palmtuch von 1988

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Übergabe des neuen Güglinger Palmtuchs 1988.

Quelle: #Rall 1988, Seite 8, #Sommer 1988.

Während der Erneuerung der Mauritiuskirche in den siebziger Jahren entstand im Gespräch zwischen dem damaligen Pfarrer Werner Marquardt und dem Architekten Heinz Rall der Wunsch zu Klunzingers „Texten wieder Bilder entstehen zu lassen“.[7] Anlässlich der 800-Jahr-Feier der Stadt Güglingen im Jahr 1988 beschloss die evangelische Kirchengemeinde auf Initiative von Heinz Rall, dem Wunsch nach der Anschaffung eines neuen Palmtuchs zu folgen. Daraufhin wurden 120 deutsche Künstler mit der Bitte um Bilderspenden angeschrieben. Bei einem Teil der angeschriebenen Künstler stieß der Wunsch nach kostenlosen Bildern auf Ablehnung, während die Mehrzahl sich jedoch an dem Projekt beteiligte. Laut Heinz Rall legten die Projektverantwortlichen dabei folgende Überlegungen zugrunde: „Im Gegensatz zu alten Palmtüchern, die aus einer Hand oder in einer Werkstatt entstanden, sollte sich das neue Güglinger Palmtuch aus einer Vielzahl von Einzelbeiträgen zusammensetzen. Der Pluralismus unterschiedlicher Stilrichtungen, als Spiegelbild der gegenwärtigen Situation in der bildenden Kunst wird damit zum Ausdruck gebracht. Die Initiatoren sind sich der Problematik dieser Zufallskombination bewußt, sehen aber auch eine Chance in der verbindenden biblischen Thematik und dem Gerüst aus quadratischen Bildformaten von 70 × 70 cm zu einer in sich schlüssigen Gesamtkomposition.“[8]

Aus 40 der eingegangenen Entwürfe wurde ein ca. 6,00 × 3,70 Meter großes Palmtuch gefertigt, das heute an der Nordwand der Mauritiuskirche hängt. Das im Vergleich zum historischen Palmtuch kleinere Format ist den inzwischen veränderten Platzverhältnissen in der Kirche geschuldet. Die 40 Einzelmotive sind in fünf Spalten und acht Reihen angeordnet. Die Bilder 1–15 zeigen Szenen aus dem Alten Testament, und die Bilder 16–40 Szenen aus dem Neuen Testament. Während das historische Tuch die Szenen streng nach ihrer biblischen Abfolge zeigte, wurden bei dem neuen Tuch die Szenen in zwei Fällen nicht der biblischen Abfolge nach, sondern mit Rücksicht auf die Bildsymmetrie angeordnet.

Einzelbilder

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Quellen: #Rall 1988, #Schlenker 1935, #Klunzinger 1847.

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Nr. Laufende Nummer im neuen Palmtuch, von oben links nach unten rechts.
Alte Nr. Laufende Nummer im historischen Palmtuch nach #Klunzinger 1847.
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Nr.
Bild Bildthema Bibelstelle Künstler
1 1 Die Göttliche Dreieinigkeit Matthäus 28, 19 Georg Meistermann
2 2 Der Sündenfall der Engel 1. Mose 6, 1-4 Helga Gerken-Grieshaber
3 3 Die Schöpfung der vierfüßigen Tiere 1. Mose 1, 24 f. Horst Peter Schlotter
4 4 Die Erschaffung Adams 1. Mose 2, 7 Alfred Bast
5 5 Die Erschaffung der Eva 1. Mose 2, 20 ff. Detlef Bräuer (Pfaffenhofen)
6 6 Die Trauung Adams und Evas Gerlinde Beck
7 7 Der Sündenfall 1. Mose 3, 1 ff. Josef Wiesner
8 7 Der Sündenfall 1. Mose 3, 1 ff. Ritzi Jacobi
9 9 Die harte Arbeit der ersten Menschen 1. Mose 3, 17-19 Klaus Bushoff
10 11 Kain ermordet seinen Bruder Abel 1. Mose 4, 5-9 Peter Jacobi
11 12 Lamechs Worte an seine zwei Weiber 1. Mose 4, 23 Jürgen Brodwolf
12 13 Die Sintflut 1. Mose 8, 7 f. Ursula Laquay-Ihm
13 14 Das Opfer Abrahams 1. Mose 8, 20-22 Gerhard Dreher
14 15 Die Gesetzgebung auf dem Sinai 2. Mose 19 und 20 Gertraud Ellinger-Binder
15 16 Israel betet das Goldene Kalb an 2. Mose 32, 1-6 Horst Rellecke
16 23 Trauung Josephs mit Maria Lukas 1, 27 Josef Kirch
17 26 Die Geburt Jesu Lukas 2, 1 ff. Anneliese Hermes
18 32 Der zwölfjährige Jesus im Tempel Lukas 2, 41-50 Heinrich Klumbies
19 28 Die drei Weisen aus dem Morgenlande Matthäus 2, 1-12 Christine Hilland
20 33 Die Taufe Jesu Matthäus 3, 13-17 Isolde Schlösser (Cleebronn)
21 35 Gespräch Jesu mit der Samariterin Johannes 4, 4-26 Gi Neuert
22 37 Jesus mit seinen Jüngern bei Tisch, Entlarvung des Verräters Johannes 13, 21-30 und 13, 27 Michael Klenk (Bad Wimpfen)
23 38 Die Fußwaschung Johannes 13, 1-20 Klaus Heuser
24 40 Niederfallen der Häscher Johannes 18, 6 Roland Dörfler
25 41 Die Gefangennahme Jesu Matthäus 26, 47-56 Bodo Kraft
26 42 Verleugnung des Petrus Lukas 22, 54-62 Wolfgang Pilz
27 43 Christus wird vor den Landpfleger Pilatus geführt Matthäus 27, 1 f. Lambert Maria Wintersberger
28 44 Die Geißelung Jesu Matthäus 27, 26 Ursula Stock
29 45 Christus mit der Dornenkrone Matthäus 27, 27-30 Dieter Groß (Stuttgart)
30 46 Ecce homo – seht welch ein Mensch Johannes 19, 4 f. Rudolf Hoflehner
31 47 Händewaschung des Pilatus Matthäus 27, 24 f. Edgar Schmandt
32 50 Christus am Kreuz Johannes 19, 18 ff. Hetty Krist
33 49 Jesus wird ans Kreuz genagelt Psalmen 22, 17, Johannes 20, 25 und 27 Horst Antes
34 51 Die Grablegung Johannes 19, 40-42 Carl-Heinz Kliemann
35 52 Die Höllenfahrt 1. Petrus 3, 19 f. und 4, 6 Salomé (Künstler)
36 53 Jesu Auferstehung Matthäus 28, 2-4 Henriette Riederer
37 54 Engel erscheint den Weibern Markus 16, 1 ff. Klaus Henning
38 55 Maria Magdalena vor dem Auferstandenen Johannes 20, 14-18 Philippa Fritz (Güglingen)
39 58 Christi Himmelfahrt Lukas 24, 50 f., Apostelgeschichte 1, 9 Heinz Trökes
40 59 Die Ausgießung des heiligen Geistes Apostelgeschichte 2, 1 ff. Emil Kiess

Literatur

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  • Johannes H. Emminghaus: Fastentuch. In: Otto Schmitt (Begründer); Karl-August Wirth (Redaktion): Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte, Band 7, München 1981, Spalte 826–848, Güglinger Palmtuch: 841.
  • Evangelische Kirchengemeinde Güglingen (Herausgeber): Das neue Güglinger Palmtuch, entstanden 1988, nur online [1]. – PDF-Datei mit großformatigen Einzelaufnahmen der Palmtuchbilder.
  • K.:[9] Das Palmtuch in der Kirche zu Güglingen. In: Morgenblatt für gebildete Leser / Kunstblatt Nr. 50 vom 14. Oktober 1847, Seite 200 [2].
  • Paul Wilhelm von Keppler: Württemberg’s kirchliche Kunstalterthümer. Als Vereinsgabe für den Kunstverein der Diöcese Rottenburg, Rottenburg am Neckar 1888, Seite LXXV, 46.
  • Karl Klunzinger: Das Palmtuch in Güglingen. In: Zweiter Bericht über den Alterthums-Verein im Zabergau 1846, Stuttgart 1847, Seite 9–11. Abdruck: #Rall 1988, Seite 19–21.
  • Heinz Rall; Peter Anselm Riedl: Das Güglinger Palmtuch, Güglingen 1988.
  • Heinz Rall: Güglingen – Kunst im Stadtraum, Güglingen 1990, Seite 41–43.
  • Heinz Rall; Ulrich Gräf; Reinhard Lambert Auer; Gerhard Koch: 25 Jahre evangelischer Kirchenbau Rall und Partner 1955–1980, Stuttgart 2001, Seite 112–113.
  • Heinz Rall: Historische Kirchen im Zabergäu und Umgebung, Stuttgart 2003, Seite 21.
  • Karl Schlenker: Das Güglinger Palmtuch. In: Zeitschrift des Zabergäu-Vereins 1935, Seite 14–16, 22–29.
  • Andreas Sommer: Das Güglinger Palmtuch. In: Heilbronner Stimme vom 7. September 1988. Abdruck: #Rall 2001, Seite 112.
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Commons: Güglinger Palmtuch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Foto des Palmtuchs auf der Webseite der Stadt Güglingen: [3].
  • Foto des Palmtuchs auf der Webseite der Kirchengemeinde Güglingen: [4].

Einzelnachweise

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  1. #K. 1847, #Klunzinger 1847.
  2. „Sei gegrüßt, Maria, voll der Gnade.“
  3. #Schlenker 1935, Seite 15, Nr. 24.
  4. Maße umgerechnet nach #Klunzinger 1847: 25, 15 bzw. 2,5 Fuß. 1 württembergischer Fuß entsprach 286,49 mm, siehe Wikipedia-Artikel Fuß (Einheit). – Nach #Schlenker 1935, Seite 14, betrugen die Maße: 7,45 cm, 4,29 cm bzw. 71 cm.
  5. Laut #Schlenker 1935, Seite 15, gehört Nr. 22 zum Neuen Testament.
  6. Gerhard Aßfahl 1982 in der Zeitschrift des Zabergäuvereins. Zitiert nach: #Rall 2001, Seite 108.
  7. #Rall 1988, Seite 8.
  8. #Rall 1988, Seite 8.
  9. Wohl Karl Klunzinger.