Fragmentesammlung ist ein mehrdeutiger Begriff. Im engeren Sinne versteht man darunter eine Sammlung von Handschriftenfragmenten aus Pergament oder Papier, die in der Regel von Einbänden abgelöst aus konservatorischen oder benutzungstechnischen Gründen und zu einer eigenen Sammlung zusammengefügt wurden. Da antike oder mittelalterliche Handschriften oft zerschnitten und als Buchbindematerial wiederverwendet wurden (Pergamentmakulatur), sind die Fragmente als möglicherweise einziger Überrest einer zerstörten Handschrift oder auch Urkunde schrift-, überlieferungs- und bibliotheksgeschichtlich von hoher Bedeutung und manchmal die einzige Überlieferung eines Textes. Aufgrund dieser Bedeutung wurden wichtige Fragmente (volkssprachige Texte, frühe Handschriften) schon im späten 18. Jahrhundert aus den Trägerbänden ausgelöst und in eine eigene Sammlung integriert.

Fragmentesammlungen entstanden sowohl bei Bibliotheken, aus deren Beständen die Fragmente abgelöst wurden, in Archiven, da auch Archivalien in Makulatur eingebunden wurden, aber auch bei Privatpersonen, die aus wissenschaftlichem Interesse oder privater Sammelleidenschaft solche Sammlungen anlegten.

Darüber hinaus haben schriftliche Aufzeichnungen bisweilen auch außerhalb ihrer naturwüchsigen Tradierung in Kanzlei, Archiv und Bibliothek überdauert, etwa in Depotfunden oder als Ausfütterung von Nagetiernestern auf mittelalterlichen Burgen und anderen Gebäuden, und sind Gegenstand der Mittelalterarchäologie geworden.

Literatur Bearbeiten

  • Konrad Haebler: Makulaturforschung. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. 25, 1908, ISSN 0044-4081, S. 535–544.
  • Mark Mersiowsky: Wenn Buchmenschen zum Messer greifen: Zur Wiederverwendung mittelalterlicher Bücher. In: www.flick-werk.net. Die Kunst des Flickens und Wiederverwertens im historischen Tirol, hrsg. v. Siegfried de Rachewiltz u. Andreas Rauchegger in Zusammenarbeit mit Christiane Ganner (Schriften des Landwirtschaftsmuseums Brunnenburg 15), Brunnenburg 2014, S. 200–219 [1].
  • Neil R. Ker: Fragments of medieval manuscripts used as pastdowns in Oxford bindings with a survey of Oxford bindings, c. 1515–1620. Oxford bibliographical society, publications, 3rd series, Bd. 4, Oxford 2004, ISBN 0-901420-55-7.
  • Hannes Obermair: Mosaiksteine der Schrift. Die spätmittelalterlichen Urkundenfragmente von Schloss Tirol. In: Konrad Spindler (Hrsg.): Das Geheimnis der Turris Parva. Spuren hochmittelalterlicher Vergangenheit in Schloß Tirol (Nearchos, Sonderheft 1). Innsbruck: Universitätsbuchhandlung Golf Verlag 1998. ISBN 3-900773-18-1, S. 128–140.
  • Carla Meyer, Sandra Schultz, Bernd Schneidmüller (Hrsg.): Papier im mittelalterlichen Europa: Herstellung und Gebrauch (Materiale Textkulturen 7). New York: De Gruyter 2015, ISBN 978-3-11-037141-3.
  • Christian Gastgeber, Kornelia Holzner-Tobisch, Renate Spreitzer (Hrsg.): Fragmente: der Umgang mit lückenhafter Quellenüberlieferung in der Mittelalterforschung. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2010. ISBN 978-3-7001-6890-4

Weblinks Bearbeiten

Allgemeines:

Nationale Plattformen

Einzelne Bibliotheken und Sammlungen: