Rado-Graph

Unendlicher Graph, bei dem je zwei Knoten mit Wahrscheinlichkeit 1/2 verbunden sind
(Weitergeleitet von Erdős-Rényi-Graph)

Der Rado-Graph (auch als Erdős-Rényi-Graph oder Zufallsgraph bezeichnet) ist ein spezieller abzählbar unendlicher Graph, der fast sicher entsteht, wenn jedes Knotenpaar unabhängig und mit Wahrscheinlichkeit durch eine Kante verbunden wird.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass ein Satz in der Prädikatenlogik erster Stufe genau dann für fast alle endlichen Graphen gilt, wenn vom Rado-Graphen erfüllt wird.

Er ist aufgrund von Arbeiten in den 1960er-Jahren nach Richard Rado[1] bzw. Rado, Paul Erdős und Alfréd Rényi[2] benannt, taucht aber schon 1937 bei Wilhelm Ackermann auf.[3]

Definition Bearbeiten

 
Ein Ausschnitt des Rado-Graphen mit den ersten acht Knoten.

Der Rado-Graph   ist definiert als der (ungerichtete) Graph   wobei zwei Zahlen   mit   genau dann durch eine Kante verbunden sind, also   gilt, wenn   d. h. wenn das  -te Bit in der Binärdarstellung von   gleich   ist. Zum Beispiel hat   die Binärdarstellung   die an den Stellen   und   einen Einser hat; also gilt im Rado-Graphen   und  

Es gibt zahlreiche äquivalente Möglichkeiten, den Rado-Graphen zu definieren, unter anderem durch eine probabilistische Konstruktion: Man nimmt die natürlichen Zahlen   als Knotenmenge und verbindet jedes Zahlenpaar   mit   unabhängig und mit Wahrscheinlichkeit   mit einer Kante. Diese Konstruktion liefert fast sicher den Rado-Graphen.[4]

Eigenschaften Bearbeiten

Erweiterungseigenschaft Bearbeiten

 
Der Rado-Graph hat die Erweiterungseigenschaft: Für je zwei disjunkte, endliche Teilmengen   and   gibt es einen Knoten   der zu allen Knoten in   und zu keinem Knoten in   adjazent ist.

Der Rado-Graph besitzt folgende bemerkenswerte Eigenschaft, die sogenannte Erweiterungseigenschaft: Zu je zwei disjunkten, endlichen Knotenmengen   und   gibt es stets einen Knoten   der zu allen Knoten in   und zu keinem Knoten in   adjazent ist. Formal erfüllt   für alle   mit   die Formel

 

Das kann man wie folgt leicht einsehen: Seien   und   disjunkt, dann sei   jene Zahl, die   für alle   erfüllt und deren andere Bits alle   sind. Weil   und   disjunkt sind, ist   wohldefiniert. Nach Konstruktion gilt   für alle   und   für alle  

Betrachte hierzu folgendes Beispiel: Sei   und   dann hat   die Binärdarstellung   d. h.   wobei  

Eindeutigkeit Bearbeiten

Der Rado-Graph ist bis auf Isomorphie der einzige abzählbare Graph, der die Erweiterungseigenschaft besitzt. Um das zu zeigen, seien   und   zwei abzählbare Graphen mit Knotenmengen   bzw.   die die Erweiterungseigenschaft haben. Dann kann man wie folgt einen Isomorphismus   mit einer Back-and-forth-Konstruktion bauen: Seien   und   zwei endliche, zueinander vermöge eines Isomorphismus   isomorphe Subgraphen von   bzw.   und sei   jenes Element von   mit kleinstem Index, das nicht in   vorkommt. Weil   die Erweiterungseigenschaft hat, gibt es ein Element  , das zu den Elementen von   genau dieselben Kanten hat, wie   zu den entsprechenden Elementen (bezüglich  ) in   Ergo kann man   zu einem Isomorphismus   durch die Vorschrift   erweitern, wobei   und   Anschließend verfährt man völlig analog, um zum Element   mit kleinstem Index ein entsprechendes Element   zu finden und   zu einem Isomorphismus   zu erweitern.

Wird abwechselnd jeweils das noch nicht verwendete Element aus   bzw.   mit kleinstem Index auf diese Art hinzufügt, ist schließlich   ein Isomorphismus zwischen   und  .

Logische Theorie Bearbeiten

Offensichtlich folgt die Erweiterungseigenschaft bereits aus der Formelmenge   Wie im vorigen Abschnitt gezeigt, ist   (zusammen mit der Formel  , die besagt, dass die Kantenrelation   irreflexiv und symmetrisch ist) ω-kategorisch, d. h. hat bis auf Isomorphie nur ein abzählbares Modell (nämlich den Rado-Graphen). Aus dem Satz von Löwenheim-Skolem folgt daraus unmittelbar, dass   eine vollständige Theorie ist. Weil sie des Weiteren axiomatisierbar ist (d. h. rekursiv aufzählbar), ist ihr deduktiver Abschluss aufgrund ihrer Vollständigkeit sogar entscheidbar.

Des Weiteren hat   Quantorenelimination.[5]

Null-Eins-Gesetz der Prädikatenlogik erster Stufe Bearbeiten

Eng verwandt mit dem Rado-Graphen ist das Null-Eins-Gesetz der Prädikatenlogik erster Stufe:

Für jedes   sei   die Menge aller nummerierten ungerichteten Graphen mit Knotenmenge   Betrachte eine Gleichverteilung auf  . Für einen Satz   in der Sprache   der Graphen sei   die Wahrscheinlichkeit, dass   in einem zufällig ausgewählten Graphen aus   gilt, d. h.

 

Das Null-Eins-Gesetz besagt nun, dass

 

Für den Beweis überlegt man sich zuerst Folgendes: Haben zwei Graphen   und   die Erweiterungseigenschaft  , so folgt daraus unmittelbar, dass der Duplikator das  -Runden-Ehrenfeucht-Fraïssé-Spiel auf   und   gewinnt. Nach dem Satz von Ehrenfeucht-Fraïssé bedeutet das, dass in   und   dieselben Sätze vom Quantorenrang   gelten. Nun kann man mit einfachen kombinatorischen Überlegungen und Abschätzungen nachweisen, dass   für alle   gilt. Also gelten für jedes   in fast allen Graphen dieselben Sätze vom Quantorenrang   Daraus folgt sofort das Null-Eins-Gesetz, denn jeder Satz hat einen solchen Quantorenrang.

Weil insbesondere der Rado-Graph selbst für jedes   die Erweiterungseigenschaft   hat, gilt für jeden Satz  

 

Da die Theorie von   entscheidbar ist, ist also auch das Berechnungsproblem, welche Sätze in fast allen Graphen gelten, entscheidbar.

Das Null-Eins-Gesetz lässt sich leicht auf beliebige relationale Sprachen verallgemeinern.[6]

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Rado, Universal graphs and universal functions, Acta Arithmetica, Band 9, 1964, S. 331–340.
  2. Paul Erdős, Alfred Rényi, Asymmetric graphs, Acta Mathematica Academiae Scientiarum Hungaricae, Band 14, 1963, S. 295–315
  3. Ackermann, Die Widerspruchsfreiheit der allgemeinen Mengenlehre, Mathematische Annalen, Band 114, 1937, S. 305–315
  4. Hodges, S. 351 f.
  5. Hodges, S. 350
  6. Libkin, S. 240 f.