Eisenbahnunfall von Schwarzenau

Eisenbahnunfall auf der Franz-Josefs-Bahn am 4. November 1875

Der Eisenbahnunfall von Schwarzenau war ein Anschlag auf der Franz-Josefs-Bahn bei Schwarzenau am 4. November 1875, wobei ein Personenzug entgleiste. Vermutlich 8 Menschen starben.

Die Eisenbahn-Katastrophe bei Schwarzenau.

Ausgangslage Bearbeiten

Die Franz-Josefs-Bahn verlief beim Bahnhof Schwarzenau, Niederösterreich, auf einem 10 Meter hohen Damm in einem Gefälle von 5 ‰ und mit einer Kurve auf die 9 Meter lange Limpfingser-Brücke, eine Holzbrücke, zu, die eine Straße querte.

Hier waren am Abend des 3. Novembers noch gegen 20 Uhr und 20:30 Uhr zwei Güterzüge unterwegs, die die spätere Unfallstelle anstandslos passierten. Als nächster Zug folgte gegen 0:30 Uhr der Personenzug Nr. 9 von Wien Franz-Josefs-Bahnhof nach Prag. 128 Reisende befanden sich in dem Zug.[1] Er bestand aus einer Dampflokomotive mit Schlepptender und 14 Wagen.

Der für den Streckenabschnitt zuständige Streckenwärter befand sich aufgrund einer großen Familie und des geringen Einkommens in einer wirtschaftlichen Notlage. Daher entwickelte er die Idee, eine Unfallsituation zu provozieren, den Zug vor dem Unfall aber zu „retten“ und eine Belohnung dafür zu erhalten.

Unfallhergang Bearbeiten

Der Bahnwärter löste, nachdem die Güterzüge durchgefahren waren, in der Kurve ein 6 Meter langes Schienenstück aus dem äußeren Gleis und positionierte sich mit einer Warnleuchte oberhalb der Stelle, ein Stück in Richtung Wien am Gleis. Allerdings kam starker Nebel auf. Als der Zug kam, war der Nebel so dicht, dass das Lokomotivpersonal die Warnleuchte nicht wahrnahm und an dem Bahnwärter vorbeifuhr. Gegen 0:30 Uhr fuhr der Personenzug in die beschädigte Stelle des Gleises und entgleiste entlang der Tangente des Kurvenbogens. Lokomotive, Schlepptender und elf Wagen[Anm. 1] stürzten vom Damm, zum Teil auf die Straße unter der Brücke. Nur die letzten drei Wagen des Zuges[Anm. 2] blieben davon verschont. Die Lokomotive kam auf der Straße zu liegen, auf ihr türmten sich die nachfolgenden Wagen auf: drei Gepäckwagen, ein Postwagen und vier Personenwagen.

Folgen Bearbeiten

 
Der Leichenzug in Schwarzenau.
 
Gedenktafel für die beim Eisenbahnunfall verunglückten Bediensteten der Franz-Josefs-Bahn.

Fünf Eisenbahner, darunter Lokomotivführer und Heizer sowie ein Postbeamter, der im Postwagen Dienst tat, kamen ums Leben. Mindestens zwei Reisende starben,[2][Anm. 3] fünf weitere wurden darüber hinaus verletzt.[3][Anm. 4][4][5] Die fünf getöteten Eisenbahner und der Postbeamte erhielten ein „Staatsbegräbnis“ auf dem Friedhof von Windigsteig.[6][7]

Todesopfer gemäß Aussiger Anzeiger:[4]

Name Anmerkung
Antonia Schiebl Brauersgattin aus Pilsen
Samulel Hutter Kaufmann aus Prag
Adalbert Hradetzky k. k. Postoffizial
Franz Niegl Ober-Kondukteur
Josef Watzin Kondukteur
Wenzel Tauer Kondukteur
Adolf Schleinzer Maschinenführer
Thomas Caloun/Kaloun Maschinenheizer

Schwer verwundete gemäß Aussiger Anzeiger:[4]

Name Anmerkung
Pflanzl Photograph aus Marienbad
Pflanzl Gattin des Photographen
Johann v. Zeileisen k. k. Statthaltereirath von Eger
v. Zeileisen Gattin des Statthaltereiraths
Reichsdorfer Zwirnhändler aus Zetwegen
Bohuslav k. k. Postoffizial
Gabronsky k.k. Postkondukteur
Proßmann Schlafwagenkondukteur
Koch Kondukteur

Die Spurensicherung ergab ganz eindeutig, dass ein Anschlag verübt worden war.[5] Der oder die Täter konnten zunächst nicht festgestellt,[8] dem Bahnwärter auch nichts nachgewiesen werden. Die Polizei vermutete „Umstürzler“ als Täter. Der Vorgang musste ungeklärt zu den Akten gelegt werden.

Der Bahnwärter wurde später an eine andere Strecke versetzt und wegen psychischer Probleme frühpensioniert. Dabei erhielt er bei der Berechnung der Rente als Ausgleich für den bei dem Unfall im Dienst erlittenen Schock einige fiktive Berufsjahre anerkannt.[9] Erst mehr als 35 Jahre später, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, gestand er die Tat auf dem Totenbett.[10] Das Geständnis wurde nach Aussagen der Hinterbliebenen amtlich protokolliert, aber – um deren Ruf nicht zu schädigen – einfach nur zu den Akten genommen und nicht veröffentlicht.[11]

Literatur Bearbeiten

  • Edmund Daniek: Das furchtbare Eisenbahnunglück bei Schwarzenau am 4. November 1875. In: Das Waldviertel 2 (1929), Heft 6, S. 81–87. (Digitalisat)
  • Ascanio Schneider u. Armin Masé: Katastrophen auf Schienen. Eisenbahnunfälle, Ihre Ursachen und Folgen. Zürich 1968, S. 285f.
  • Ludwig Ritter von Stockert: Eisenbahnunfälle. Ein Beitrag zur Eisenbahnbetriebslehre. Bd. 1, Leipzig 1913, S. 268, Nr. 196.

Weblinks Bearbeiten

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Nach Daniek waren es 13 Wagen, die abstürzten.
  2. Nach Daniek blieb nur der letzte Wagen auf dem Bahndamm stehen, weil die Kupplung gerissen war.
  3. Daniek, S. 83, berichtet von weiteren, nicht identifizierten Toten, deren Zahl er aber nicht nennt.
  4. NN: Geschichten nennt 11 Tote und darüber hinaus 81 zum Teil schwer Verletzte; Schneider / Masé nennen 9 Tote.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. NN: Geschichten.
  2. Daniek, S. 83.
  3. Schneider / Masé, S. 286.
  4. a b c Artikel in: Aussiger Anzeiger, 13. November 1875, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aua
  5. a b Artikel in: Gemeinde-Zeitung / Gemeinde-Zeitung. Unabhängiges, politisches Journal, 6. November 1875, S. 13 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/gem
  6. Daniek, S. 83, 87.
  7. Artikel in: Illustrirtes Wiener Extrablatt, 9. November 1875, S. 1 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/iwe
  8. Stockert; Daniek.
  9. Daniek, S. 84.
  10. Daniek, S. 85f.
  11. Daniek, S. 87.

Koordinaten: 48° 45′ 28″ N, 15° 16′ 52,1″ O