Eine chinesische Geschichte (Bulgakow)

Erzählung von Michail Bulgakow (1923)

Eine chinesische Geschichte (russisch Китайская история, Kitaiskaja istorija) ist eine Kurzgeschichte des sowjetischen Schriftstellers Michail Bulgakow, die am 6. Mai 1923 in der Petrograder Ausgabe der Prawda erschien. Die Moskauer Verlagsgenossenschaft Nedra[1] brachte den Text 1925 in Buchform innerhalb der Sammlung Teufeliaden[2] heraus.

Inhalt Bearbeiten

Der um die fünfundzwanzig Jahre alte kleine Chinese Sen Sin Po – fern der Heimat – hat keinen Propusk. Also kann er auf die Heimreise zunächst nur hoffen und schaut sich derweil in Moskau den Kreml von außen an. Des Abends kommt er in einer der Vorstädte bei einem bejahrten Landsmann, einem Opiumraucher, unter. In der Opiumhöhle krabbeln „kühne große Wanzen“[3]. Im Opiumrausch wird Sen Sin Po von Lenin[4] persönlich durch den Kreml geführt. Beide betreten den Balkon. Dem kleinen Chinesen wird die Rote Armee gezeigt. Zwei Tage darauf nennt sich Sen Sin Po einen „roten Chines“ und wird von den Rotarmisten als „einjährigfreiwilliger Chinese“ akzeptiert. Bevor der neue Soldat von den Genossen sein Maxim-Maschinengewehr erhält, muss nur noch der Kriegskommissar[5] zustimmen. Sen Sin Po – ein Virtuose auf dem MG – wird in das Internationale Regiment abkommandiert. Sein Kommandeur stellt ihm eine Geldprämie in Aussicht. Sen Sin Po freut sich auf die bezahlte Heimreise. Der Feuerbefehl seines Kommandeurs ertönt. Der MG-Schütze Sen Sin Po lichtet die Reihen des anrennenden Gegners in einer „fürchterlichen Rhapsodie“[6]. Es kommt, wie es kommen muss. Der Kommandeur kämpft bis zur vorletzten Kugel und gibt sich den Freitod. Als Sen Sin Po von einem der Gegner im Nahkampf mit dem Bajonett der Garaus gemacht wird, stirbt die Hoffnung auf die Heimreise nach China zuletzt.

Anmerkungen Bearbeiten

  • Hintergrund: Während des Ersten Weltkrieges habe Russland seinen aufkommenden Arbeitskräftemangel mit dem „Import“ von Chinesen aus der Mandschurei ausgeglichen. Diese Arbeiter seien gegen Kriegsende teilweise der Roten Armee beigetreten.[7]
  • Der drogensüchtige Sen Sin Po sterbe nicht für Lenins große Sache – also die Weltrevolution, sondern hoffe bis zuletzt auf die versprochene Prämie, weil er nach Hause will.[8]
  • Ralf Schröter notiert im März 1994
    • Der kleine Chinese – auch für jene „asiatische Seele Rußlands“ stehend – wolle sich von Lenin, wie alle Armen, erlösen lassen. Die Schlüsselszene dieser Teufeliade, der Drogenkonsum in der Opiumhöhle des alten Chinesen, fordert einen Vergleich mit der Hexenküche in Goethes Faust heraus. Nur, die Opiumhöhle verlasse der kleine Chinese nicht – wie dort – verjüngt, sondern am fünften Tag um fünf Jahre gealtert. Allerdings folge die obligate Höllenfahrt auf dem Fuße: Der kleine Chinese zieht in die Hölle des Bürgerkrieges und kommt darin um.[9]
    • Zwei Gedankensplitter zu Lenin. Letzterer habe den kleinen Chinesen als Rotarmisten „in den Kampf für die Weltgerechtigkeit“ geschickt. Bulgakow hingegen habe von Lenin eine Wohnungszuweisung erhofft und sei an die dafür zuständige Nadeschda Krupskaja verwiesen worden. Lenins Ehefrau habe Bulgakows Wunsch erfüllt.[10]

Deutschsprachige Ausgaben Bearbeiten

Verwendete Ausgabe:

  • Eine chinesische Geschichte. Sechs Bilder statt einer Erzählung. Aus dem Russischen von Thomas Reschke. S. 19–31 in Ralf Schröder (Hrsg.): Bulgakow: Teufeliaden. Erzählungen. Volk & Welt, Berlin 1994, ISBN 3-353-00945-0 (= Bd. 6: Gesammelte Werke (13 Bde.))

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. russ. Недра - Der Schoß
  2. russ. ДьяволиадаDjawolijada
  3. Verwendete Ausgabe, S. 21, 14. Z.v.u.
  4. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 316, Mitte
  5. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 304, 3. Z.v.o.
  6. Verwendete Ausgabe, S. 29, 4. Z.v.u.
  7. Anmerkungen im 4. Absatz v.o. in der Bulgakow-Enzyklopädie (russisch)
  8. russ. Annotation
  9. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 305, 5. Z.v.o.
  10. Literaturgeschichtliche Anmerkung im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 320, 6. Z.v.o.