Dorotheos (Jurist)

byzantinischer Staatsbeamter und Jurist

Dorotheos (altgriechisch Δωρόθεος, latinisiert Dorotheus) war ein römisch-griechischer Jurist, der zur Zeit des Kaisers Justinian I. lebte und vor 542 gestorben ist.[1] Er war einer der Professoren (sogenannte antecessores) für römisches Recht an der Rechtsschule von Beirut (neben dem Kollegen Anatolios) und einer der Kompilatoren der Digesten. Tatsächlich war er, bis auf die erste Version des Codex, an jedem einzelnen Werk des fünfteiligen Corpus iuris civilis beteiligt.[2]

Dorotheos hatte als quaestor sacri palatii hohen Beamtenstatus und trug zudem den höchsten senatorischen Rangtitel eines vir illustris. Die Quaestoreneigenschaft bezeichnete das von ihm ausgeübte öffentlichen Amt in Konstantinopel, der senatorische Rangtitel auf seine Tätigkeit als Professor an der Rechtsschule von Beirut. Diese wurde am 16. Juli 551 durch ein Erdbeben fast vollständig zerstört.

Leben Bearbeiten

Das öffentliche Amt war eine Voraussetzung für die höhere Beamtenlaufbahn. Die mit der Erstellung der Institutionen betrauten Juristen Tribonian, Theophilos und Dorotheos hatten dieses Amt alle durchlaufen, Tribonian hatte es zu der Zeit sogar noch inne. Justinian strebte nach einem Anfängerlehrbuch zu seinen Digesten, die als Fortgeschrittenenlehrbuch konzipiert waren. Ihm schwebten als Vorbild die gaianischen Institutionen vor, die auch dazu dienen sollten den komplexen Stoff der Digesten für die Studentenschaft des Rechts zu gliedern und zu ordnen. Den Auftrag erteilte Justinian Anfang 533, Ende des Jahres war das Werk unter dem Namen Elementa (Constitutio Imperatoriam maiestatem) fertiggestellt und konnte in Kraft treten. Die Kompilationsarbeiten verkürzten die Rechtsmasse, da nicht zeitgemäße und obsolete Gesetze und Rechtsansichten wegzulassen waren. An Stellen, die Quellen- und Querverweise vertrugen, sollten solche gefertigt werden.[3]

Dorotheos und seine Kollegen fertigten Kommentarliteratur zu den justinianischen Kompilationen. Sie knüpften insoweit an eine Tradition der klassischen Jurisprudenz an. Das war zwar aufgrund kaiserlicher Anordnung untersagt (siehe dazu: Kommentierungsverbot[4]), um seiner Anerkennung hinreichende Autorisierung zu verleihen,[5] immer wieder aber ergingen Regelverstöße.

Ein grundlegendes Problem bestand darin, dass der Corpus iuris auf Latein veröffentlicht war, die Mehrzahl der oströmischen Juristen (sowohl Studenten als auch Praktiker) des Lateins aber nicht mehr mächtig waren und ausschließlich Griechisch sprachen beziehungsweise korrespondierten. Somit bestand dringender Übersetzungsbedarf. Wörtliche Übersetzungen (κατὰ πόδας kata poda) ließ Justinian zu, da diese seine Autorität nicht untergraben konnten und auch die Gefahr von Fehlinterpretationen gebannt war. Neben den zwei anderen Ausnahmen (der Verweisung auf Parallelstellen (παϱατιτλα) und das Erstellen kurzer Inhaltsübersichten, den sogenannten Index (ϊνδιξ)) war nur die mündliche Interpretation im Rahmen der Vorlesungen zulässig.

Die Vorlesungen folgten einem strengen Aufbau, der von Justinian in seiner Constitutio omnem vorgeschrieben wurde. Diesem zufolge wurde zunächst der Index verlesen, dann folgte die Lektüre des lateinischen Originaltexts und dann wurden sprachliche und/oder inhaltliche Schwierigkeiten erörtert.[6] Diese Erörterungen resultierten in den Scholien, deren Untersuchung und Zuschreibung zu einzelnen Autoren einen großen Teil der wissenschaftlichen Forschung in diesem Bereich ausmacht. Jedenfalls zu Unterrichtszwecken fertigten die Rechtslehrer eigene Kommentare, die sich unterschiedlich nah am exakten Wortlaut orientierten. In den Vorlesungen wurden sie sodann diktiert. Aufgrund der Tatsache, dass jeder der Rechtslehrer alle drei Werke des Kaisers (Institutiones, Digesten und Codex) unterrichtete, ist es wahrscheinlich, dass sie neben ihren eigenen Übersetzungen zu den lateinischen Originaltexten auch eigene Kommentare zu jedem Bereich anfertigten. Dieser Punkt ist aber umstritten.[7]

Literatur Bearbeiten

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Frits Brandsma: Dorotheus and his Digest translation. Groningen 1996, ISBN 90-6980-043-8, S. 6 f.
  2. Brandsma: Dorotheus and his Digest translation. S. 5.
  3. George Mousourakis: The historical and Institutional Context of Roman Law. 2003, ISBN 978-0-7546-2108-9, S. 381–410 (hier: S. 390 f.).
  4. Stephan Meder: Rechtsgeschichte. 2. Auflage, Köln 2005, ISBN 978-3-8252-2299-4, S. 99 f.
  5. Constitutio Tanta 21
  6. Dieter Simon: Aus dem Kodexunterricht des Thaleleios. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung). Band 86, 1969, S. 334.
  7. Frits Brandsma: Dorotheus and his Digest translation. Groningen 1996, ISBN 90-6980-043-8, S. 38 f.