Diskussion:Radwan (Wappengemeinschaft)

So, nun konnte ich heute wieder den Text einsehen und kopieren, von dem ich schon vor 15 Monaten etwas zu optimistisch dachte, er würde jede weitere Beschäftigung mit der leidigen Frage nach Nietzsches vermeintlicher adliger polnischer Herkunft überflüssig machen, nämlich Nietzsches Vorfahren, ein offenbar zwischen 1935 und 1937 verfaßtes Manuskript Hans von Müllers (1875-1944), der um die Jahrhundertwende am Nietzsche-Archiv gearbeitet hatte und sich später bei der Herausgabe von Schriften E.T.A. Hoffmanns verdient gemacht hat. Im Gegensatz zur 1937 erschienenen Schilderung Max Oehlers - s. dort - dürfte hier der Verfasser über den Verdacht erhaben sein, Nietzsche den politischen Verhältnissen, sprich: Nazi-Ideologie, anpassen zu wollen. Einerseits ist das Manuskript bis 2002 ungedruckt geblieben - es ist von Richard Frank Krummel und Evelyn Krummel in den Nietzsche-Studien Band 31 (2002), S. 253-275, herausgegeben worden - andererseits ergibt sich das jedem Leser aus dem Text selbst. Ich darf mal die letzten zwei Sätze zitieren:

  • Jedem Genealogen ist es jedoch bekannt, daß die Skepsis auch des kritischsten deutschen Philosophen halt zu machen pflegt vor einer Familientradition, die ihm eine Abkunft aus romantischer Ferne (und die Ferne ist immer romantisch) vorgaukelt: Kant wolte von Schotten, Schopenhauer von Holländern und Dühring von Schweden abstammen. Warum sollte es da Nietzsche nicht mit der bisher nicht in Anspruch genommenen tapferen und begabten polnischen Nation versuchen?

Um so beachtenswerter ist, daß die Ergebnisse der (im übrigen bereits 1898-1902 vorgenommenen) Nachforschungen Hans von Müllers sich größtenteils mit den von Max Oehler publizierten und heute in der Janz-Biographie enthaltenen Ergebnissen decken, die ich ja auch schon vor Jahr und Tag bis an die Grenze der Urheberrechtsverletzung ausführlich zitiert habe, was ich hier nicht wiederholen möchte. Der Vorteil des Textes von Müllers ist, daß er auch die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Legende ausführlich schildert. Und darin kommt auch das Radwan-Wappen vor. Benutzer:Interrex mag also seine Quellensuche unterbrechen: Müller kennt die Quelle, hat skurrilerweise selbst zu ihrer Entstehung beigetragen und widerlegt sie. Kurz zusammengefaßt:

Elisabeth Förster-Nietzsche hatte 1895 im ersten Band ihrer Biographie die Geschichte so wiedergegeben, daß ein Mitglied einer in den Grafenstand erhobenen Familie Niëtzky 1716 wegen religiös politischer Verschwörung zum Tode verurteilt und dann geflohen sei. (Schon hier widersprachen sich die Darstellung Fr. Nietzsches in dessen Briefen und Notizen einerseits und die von der Schwester referierten seiner Tanten). Müller, damals wie gesagt dem Archiv nahestehend, wies 1898 in einem Aufsatz nach, daß Nietzsches Ur-Urgroßvater, Christoph Nietzsche, nach dem dortigen Kirchenbuch seit 1709 als Accise-Inspektor in Bibra nachweisbar war. Der Nachname von dessen Frau war - wie meist in Kirchenbüchern - nicht notiert, es schien also möglich, daß diese Polin gewesen wäre (was Nietzsche selbst, allerdings bezogen auf den Großvater, behauptet hatte - s.u.). Müller baute in diesem Aufsatz der Frau Förster eine goldene Brücke zum Rückzug. In einem mündlichen Gespräch wies er sie zudem halb scherzhaft darauf hin, daß die Geschichte wohl besser gepaßt hätte, wenn man sie auf 1706 statt 1716 gelegt hätte - denn einerseits war er damals noch der Auffassung, daß es keine weiterreichenden Aufzeichnungen gab - also vor 1709 alles möglich wäre - , andererseits paßte das besser in die politische Lage von 1706 (allerdings auch nicht so recht). Frau Försters Erwiderung enthält nun etwas, was jeder Nietzsche-Kenner gewohnt ist: eine Umfälschung. Wie sie nämlich "eben aus einem alten Taschenbuch ersehe", sei es tatsächlich 1706 und nicht 1716 gewesen. Und außerdem sei es doch merkwürdig, daß der Nachname der Frau Christoph Nietzsches "so beharrlich verschwiegen" werde.

Soweit die bekannten Methoden der Frau Förster. Pech für sie: die späteren Recherchen ergaben dann doch noch etwas mehr. Christoph Nietzsche war sogar zweimal verheiratet, seine erste Frau (Hochzeit 1707 in Eckartsberga) hieß Johanna Christiana Büttner, die zweite (Hochzeit 1717 in Bibra) Margretha Elisabetha Schönermarck. Die weitere Familie Nietzsche enststammt der ersten Ehe. Und noch mehr: Selbst Christoph Nietzsches Vater (also Friedrichs Ur-Ur-Urgroßvater) ist bekannt, er wurde am 15. 5. 1662 getauft und war "Häußler, Bürger u. Fleischhauer" in Bur(c)kau in der Oberlausitz. Dessen Frau hieß Anna Grüner, Tochter des Leinwebers Hanß Grüner.

Damit wäre die ganze Geschichte der Försterin zusammengefallen. Wäre - Müller hat damals nicht mehr publiziert, weil er, wie er selbst schreibt, sie nicht verletzen wollte. Fehlt noch die angekündigte Skurrilität: 1906 publizierte Bernard Scharlitt einen polnisch-"hurrapatriotischen" (Müller) Aufsatz, für den er auch mit Förster-Nietzsche korrespondiert hatte. Er hatte im Wappenbuch Herbarz polski Kaspra Nisieeckigo S.J., i wydany przez Jana Nep. Bobrowicza (1841) eine kleine Notiz über eine Adelsamilie "Nicki" aus der Wappengemeinschaftr Radwan gefunden. Nun wieder die Förster im Brief an Scharlitt, von diesem zitiert: Mit Erstaunen stellt sie fest, daß der Name in der Tat von ihrem Bruder immer "Nicki" und nicht "Niëtzky" geschrieben worden sei - eine dreiste Lüge - und eine Kopie des Wappens findet sich angeblich im Nachlaß des Vaters. Seltsamerweise erwähnt sie das alles nicht mehr in der für breiteres Publikum bestimmten Biographie von 1911, wo sie die erste Geschichte wiedergibt, vermehrt um eine einzige, in sich widersprüchliche Behauptung. Natürlich findet sich bis heute kein Wappen in irgendwelchen Nietzsche-Nachlässen.

Of course it cannot be excluded that some time before that, there were non-German ancestors (keeping aside that the farther you go back in time, it becomes unclear what to call "German" or "non-German" in mid-Europe); and it should be noted that not even Max Oehler excluded this (however, everyone discussing this possibility has suggested Sorbian rather than Polish background). schrieb ich auch schon letzten Februar. Gemeint habe ich damals ebenfalls Müller, der annimmt:

  • Friedrich Nietzsches Familie stammt wie die des ihm geistesverwandten Lessing von Lausitzer Wenden (Sorben) ab [...] Die Familie hat sich aber früh germanisiert und dauernd mit deutschen Familien versippt.

Bleibt vielleicht noch zu ergänzen, was die Herausgeber der Kritischen Gesamtausgabe der Briefe Nietzsches von der Geschichte halten (für die Werkbände liegt an den entsprechenden Stelen noch kein Kommentarband vor):

  • zu Nietzsches "meine Vorfahren waren polnische Edelleute, noch die Mutter meines Großvaters war Polin" im Brief an Heinrich von Stein, Dezember 1882, heißt es (KGB III 7.1 S. 313):
    • Fehlmeinung Ns, bekannt vor allem aus den Selbstdarstellungen des Jahres 1888 [...] Die Mutter von Engelbert Gotthilf Nietzsche [dies allerdings Fehler, gemeint ist die Mutter von Ns Großvater Friedrich August Ludwig, die Ehefrau Gotthe(/i)lf Engelberts] hieß Johanna Amalia Herold.
  • zu Nietzsches "Meine Vorfahren waren polnische Edelleute (Niëzky)" in der "vita" an Georg Brandes, 10. 4. 1888, heißt es (KGB III 7.3/1 S. 293):
    • diese von N gepflegte Legende entbehrt jeder Grundlage

Wenn Benutzer:Interrex mir also die Anmaßung vorwirft, über Ns Familie besser Bescheid zu wissen als N selbst, so gebe ich diesen Vorwurf an die Nietzscheforschung weiter. Es ist eben nicht bloß so, daß sein veremintliches "Allgemeinwissen" (noch) unbelegt sei, wie er suggeriert, sondern es existieren mindestens zwei voneinander unabhängige Primärquellen, die ihm widersprechen (ich verfolge noch eine dritte) und die von nicht unkritischen Geistern als glaubwürdig übernommen wurden. Ich kann nur noch einmal jedem, der sich mit dem Thema auseinandersetzen möchte, empfehlen, den außerordentlich gut lesbaren und im übrigen von feiner Ironie nicht freien Text von Müller selbst zu lesen, zumal ihm auch eine Ahnentafel zur Klärung beigegeben ist. Eine solche gibt es übrigens auch von Oehler und, leider nicht so lang zurückreichend, im Buch von Pia Daniela Volz (s. Nietzsche-Artikel).--Pangloss Diskussion 20:31, 21. Mai 2007 (CEST)Beantworten

Die Genealogie Friedrich Wilhelm Nietzsche's seit der Reformationszeit

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Die Angaben von Friedrich Nietzsche bez. Radwan und Pole, wurden bei ihm unter Wahnvorstellungen gemacht und sind als falsch bewiesen durch fortlaufende Familieneintragungen in den Kirchenbüchern bis zurück zur Reformation. Genealogische Angaben siehe obige Anmerkungen, welche auch in den Kirchenbuch Filmen der LDS auf [1] zu vergleichen sind (Friedrich Nietzsche eintippen, bis auf Friedrich Wilhelm Nietzsche gehen, klicken und immer wieder auf 'father' Vater klicken.

Leider gibt es im Jahre 2010 immer noch Leute bei Wikipedia, die diese Wahnvorstellungen Nietzsches als Wahrheit angeben, wie Hiplitaschorsch auf (Witold Gombrowicz, wo es rein gar nichts zu suchen hat) und mehrfache Hinweisungen ignorieren. MfG (71.137.192.57 19:08, 16. Apr. 2010 (CEST))Beantworten