Hallo: Pierre Moulu genauere information zur Mehrstimmigkeit in der Renaissance mit "gleichgewichteten Stimmen", hier nur ansatzweise im letzten Absatz angedeutet. Was ist das "Gewicht" einer Stimme oder ihre "Wichtung" im Gegensatz zu anderen? (engl. weight) Gibt es in dieser Richtung Fachtermini? --Roomsixhu 06:21, 31. Mär. 2007 (CEST)Beantworten

Ursprung u. Quellen + Schweifendes Organum Bearbeiten

Diese beiden Abschnitte geben den Inhalt der M. E. meines Erachtens missverständlich wieder. Lassen sich die einzelnen Aussagen durch Textbeispiele belegen? --Sebastiano 12:25, 3. Apr. 2007 (CEST)Beantworten

Die Abschnitte sind ja etwas länger. Welche einzelnen Sätze sind aus deiner Sicht nicht haltbar oder missverständlich? -- Holdbold 11:54, 4. Apr. 2007 (CEST)Beantworten

"Die hinzutretende Stimme sollte lediglich den einstimmigen Gesang verstärken." -- Das finde ich missverständlich. Tatsächlich wird die Organalstimme als Erweiterung neuer Qualität empfunden, nicht bloß als Verstärkung: "Sic enim duobus aut pluribus in unum canendo modesta dumtaxat et concordi morositate, quod suum est huius meli, videbis suavem nasci ex hac sonorum commixtione concentum." Also: "aus der Vermischung Töne" entsteht ein "süßer Zusammenklang". Es wird schon die neue Qualität von zwei Stimmen wahrgenommen.

"Die Musica echiriadis macht außerdem deutlich, dass Oktavverdopplung akzeptiert wurden, schließlich ließen sie sich bei gemeinsamem Gesang von Männer- und Knabenstimmen nicht vermeiden." -- Die M. E. akzeptiert Oktavverdopplung nicht. Und es geht nicht darum, dass sie "unvermeidlich" wären -- Männer und Knaben könnten auch im Quintabstand singen. Die M. E. sagt: "Praeterea de diapason vel disdiapason non est opus amplius descriptione, quae ita naturaliter omni aetati in canendo occurrunt, ut arte tradi non egeant." Weiters ist eine genauere Beschreibung der Oktave oder der Doppeloktave nicht emhr nötig, da sie so natürlich in jedem Alter im Singen passiert, dass man sie nicht als Kunst lehren muss." Und: "Absolutissime in diapason simphonia maiore prae ceteris perfectione diversae ad invicem voces resonat." -- "Stets klingen im Zusammenklang der Oktave die verschiedenen Stimmen in größerer Vollkommenheit als in den anderen (Zusammenklängen) zusammen."

"meist eine Quarte tiefer." -- Das halte ich für falsch, es ergibt sich auch nicht aus dem Text. Ganz im Gegenteil: Das Singen in Oktaven war wohl das weitaus häufigste. Es stand aber außerhalb der ars. Dann blieben noch Quinte und Quarte. Man schaue sich daraufhin doch mal dieses seltsame Dasiasystema an. Es besteht aus disjunkten isomorphen Tetrachorden (keine Spur von Hexachorden in der ganzen M. E. -- das ist erst Guido!). Weshalb baut sich denn der Verfasser ein solch seltsames, nicht oktavidentisches Tonsystem? Was kann dafür der Grund sein? Ganz einfach: Oktavparallelen ergebn sich stets "naturaliter", die braucht er also nicht lehren. Das nächstbeste Intervall ist die Quinte: "Secunda ab hac (i. e. diatessaron) est simphonia diapente." -- "Die zweite danach (nach der Oktave) ist die Quinte." -- Das Tonsystem der M. E. ist so gestaltet, dass sich immer perfekte Quinten ergeben, zu jedem Ton der v. pr. kann _immer_ eine v. org. in perfekter Quinte gebildet werden. Das ganze Tonsystem ist entworfen im Hinblick auf das Quintorganum, um ein durchgehendes Quintorganum zu ermöglichen. Jetzt tauchen aber beim Singen paralleler Quarten Probleme auf. Auf die muss der Verfasser eingehen, und deshalb fällt die Behandlung des Quartorganums auch so umfangreich aus -- nicht weil es das wichtigste war, sondern weil alles auf das Quintorganum hin präpariert ist, so dass es sich einfach von selbst ergibt.

Der letzte Absatz ist reiner Spekulatius ohne Verweis auf Sekundärquellen.

"Ein strenges Parallelorganum wurde schon in diesen frühen Schriften nicht als abschließend dargestellt. Die Abhandlungen gehen von der Grundlage der Parallelität aus schlagen dann "bessere" Arten des Organums vor unter Einbeziehung von Zwischentönen." -- Das ist so missverständlich. Die M. E. lehrt _nur_ das "strenge" Parallelorganum. Es gibt nichts "besseres". Einzig beim Quartorganum muss, um den Tritonus zu vermeiden, die Stimme manchmal liegenbleiben, weil sie nicht tiefer gehen kann. Das hat aber nicht mit einem "besseren Organum" zu tun, weil "schweifend" besser sei, oder der Organalstimme schon eine gewisse "Eigenständigkeit" innewohne. All diese Gedanken sind in den Traktat hineingelesen, sie stehen nicht drin. Ebenso wie die Hexachordlehre kommt auch der Gedanke einer gewissen Eigenständigkeit der Organalstimme erst bei Guido, aber noch nicht in der M. E. Hier wird die M. E. durch die Guidonische Brille gelesen. Erst bei Guido gibts die Grenztonlehre in Form der Hexachorde und eine freiere Gestaltung der Organalstimme aus geschmacklichen Motiven. --Sebastiano 13:20, 4. Apr. 2007 (CEST)Beantworten

Was du schreibst, klingt fundiert. Ich selbst bin kein Musikwissenschaftler, habe nur mäßige Lateinkenntnisse, und die die Musica echiriadis steht mir nicht zur Verfügung. Ich habe mich bei meiner Überarbeitung wesentlich auf en:Organum gestützt - die wäre dann also genauso falsch?
In en:Organum wird als weitere Quelle en:Scolica enchiriadis angegeben. Vielleicht kannst du die noch einbeziehen? Im Grundsatz würde ich dann vorschlagen, dass du die beiden von dir angemahnten Absätze überarbeitest. Sehr schön wäre auch, wenn du Kirchenmusik#Entwicklung der Mehrstimmigkeit und Notre-Dame-Epoche noch einmal überprüfst - auch dort habe ich en:Organum berücksichtigt. Holdbold 14:04, 4. Apr. 2007 (CEST)Beantworten

Ich kann nicht gut genug Englisch. Für mich klingt die englische Formulierung "the added voice was intended as a reinforcement of the singers" anders, als die deutsche "Die hinzutretende Stimme sollte lediglich den einstimmigen Gesang verstärken." Es ist ja richtig, dass es sich streng genommen nicht um Polyphonie handelt, weil die zweite Stimme sich immer regelhaft aus der Hauptstimme ergibt. Die Behauptung, dass das Organum meist aus dem Einklang begonnen und im Einklang geschlossen hat, bezieht sich ja nicht ausdrücklich auf die M. E. Kurz: zur englischen Fassung kann ich nicht wirklich was sagen.

Ein anderes Problem ist, dass das, was du geschrieben hast, ja nicht von ungefähr kommt. Tatsächlich war das ja Meinung der Forschung, z. B. beschreibt Eggebrecht es ziemlich genau so. Er sagt z. B., das Tritonusverbot könne gar nicht die eigentliche Ursache gewesen sein, um die Organalstimme aus der Parallelbewegung zu drängen, dahinter stehe schon der musikalische Wille nach Durchbrechung der starren Parallelen. Damit nimmt er aber den Text nicht ernst, sondern interpretiert munter eigene Meinung hinein. Und die Wikipädie gibt ja nicht die Wahrheit wieder, sondern das, was Stand der Wissenschaft durch anerkannte Autoritäten ist. Ich hatte das zwar vor Jahren in einer Arbeit kritisiert, aber eine (zumal noch eigene) Hauptseminarsarbeit ist hier denn doch nicht relevant. Ich versuche mal, neuere Sekundärliteratur zu sammeln. Ansonsten würde ich die Interpretationen ganz rausnehmen und mich streng auf die Textzitate aus der M. E. beschränken.

Die Scolica Enchiriades hatte ich nur überflogen, muss sie erst noch mal lesen. Die restituierte Textfassung, die ich hatte, ist jetzt auch schon gut ein Vierteljahrhundert alt, muss mal kucken, obs inzwischen wat neuet jibt. --Sebastiano 18:33, 5. Apr. 2007 (CEST)Beantworten

Mit dem, was in dem Kirchenmusikartikel steht, habe ich auch keine Probleme, man müsste allerdings klarstellen, dass es außerhalb der kirchlichen Praxis bei europäischen Randvölkern (Britische Inseln) verschiedene Arten mehrstimmigen Gesangs gab. (Hab aber die genauen Quellen grad nicht im Kopf. Mach ich mal, wenn Zeit ist.) --Sebastiano 18:40, 5. Apr. 2007 (CEST)Beantworten