Diskussion:Kultur (Archäologie)
...der Artikel erinnert mich an das Höhlengleichnis; hat da jemand Archäologen im Nebel tanzen sehen und sich dann seinen eigenen Reim auf ihre Begriffe gemacht? In diesem Sinne sollte man vielleicht im Artikel "archäologische Kultur" die Kultur der Archäologen dokumentieren - das wäre wenigstens lustig...
Zur Einstimmung auf die Wissenschaft, die Wissen schafft (und nicht von Journalisten, Urnenstechern und Hobby-Alchimisten geschaffen wird - auch wenn das einmal mehr so scheinen mag): [1] -- DieKraft (sorry, Signatur beim Anlegen vergessen)
Der freundilche Verfasser obiger Zeilen hat offenbar nicht verstanden das es in dem Lemma darum geht dem interssierten (es handelt sich bei wikipedia um ein Nachschlagewerk) Laien das Zustandekommen der Namen von Kulturen zu erläutern.JEW 16:20, 2. Nov 2005 (CET)
Dann ist der Artikel falsch betitelt, unter dem Eintrag "archaeologische Kultur" erwartet man doch nicht nur einen Teilaspekt - wie etwa die hier vorgestellte Benennung von archaeologischen Kulturen - sondern was es mit dem archaeologischen Kulturbegriff auf sich hat; unter Automobil sollte mehr als nur das Rad erlaeutert werden... Warum also fehlen dem Artikel Gliederung und der eigentliche Kern, wenn Sie die Wikipedia doch fuer ein "Nachschlagewerk" halten? Mit (durchaus) freundlichen Gruessen, --DieKraft ~ ☎ 16:46, 8. Nov 2005 (CET)
Ich möchte niemandem zu Nahe treten, aber eine Verbesserung des Artikels kann ich durch den hinzugefügten Text keinesfalls feststellen, im Gegenteil... Nun, wir Archäologen sind selbst Schuld, wenn wir uns an solch heiße Eisen wie die "archäologische Kultur" nicht herantrauen. Vielleicht bekommt ja jemand Eggerts neues Buch (Archäologie als historische Kulturwissenschaft o.ä., erscheint bei UTB) zu Weihnachten und besitzt obendrein noch genug Um- und Einsicht, hier mal erste Hilfe zu leisten. --DieKraft ~ ☎ 21:05, 13. Nov 2005 (CET)
- Ich möchte auch niemandem zu nahe treten, aber die gegenwärtige, sehr aufwendige Darstellung dient allenfalls dazu die Unfähigkeit der Archäologie auf diesem Teilgebiet zu verschleiern und die internationalen An- und Gegensätze auszublenden. Kritik steht dagegen nur unter Diskussion. JEW 10:17, 14. Nov 2005 (CET)
- Hallo JEW! Es tut mir leid, wenn meine Änderungen inhaltlich evtl. schwer zugänglich sind, "archäologische Kultur" ist nun mal ein äußerst komplexes Thema. Ich plädiere keineswegs auf Vollständigkeit, deswegen habe ich auch das "Überarbeiten"-Tag wieder eingefügt, natürlich gibt der derzeitige Inhalt nur einen Ansatz wieder - befindet sich aber, hoffe ich, schon näher am Ziel als vorherige Fassungen.
- Sie schreiben "sehr aufwendige Darstellung" - keineswegs, das Thema ist noch lange nicht ausgelotet, und ich verstehe Sie hoffentlich falsch, wenn Sie Aufwand an einem Artikel als Kritikpunkt anführen.
- Ihre Anmerkung über "Verschleierung" und "Unfähigkeit der Archäologie" trifft nicht des Pudels Kern. Sicher meinen sie die deutsche Archäologie im speziellen, die sich, historisch/politisch bedingt, immer noch sehr sehr schwer mit der Methoden- und Theoriediskussion tut. Das heißt aber nicht, daß die Methoden und Theorien nicht vorhanden sind - sie werden nur nicht zur Debatte gestellt, sondern implizit genutzt und entwickelt, so auch die Begrifflichkeiten. Mir ist vollkommen klar, daß das Ganze für einen Aussenstehenden wie eine Esoterik anmuten mag, noch dazu wenn man einen Blick auf die angloamerikanischen populärwissenschaftlichen Publikationen, die in Menge und Güte sehr weit gediehen sind, auf diesem Feld geworfen hat. Eine in meinen Augen positive Ausnahme in Deutschland ist Prof. Eggert (Tübingen), sein Buch "Prähistorische Archäologie: Konzepte und Methoden" [2] leuchtet als seit Jahrzehnten einziges zusammenfassendes Theoriewerk einsam in der Dunkelheit, auf den gerade
erscheinenden neuen Band aus seiner Hand [3] darf man ebenfalls gespannt sein.
- Schon allein aufgrund dieser unterschiedlichen Herangehensweise - dort die explizite Diskussion, noch dazu im Rahmen der Anthropologie, hier lediglich die implizite Anwendung durch Archäologen - bestehen Unterschiede in den Begrifflichkeiten, "archäologische Kultur" ist also nicht (unbedingt) mit "archaeological culture" gleichzusetzen. Deswegen sollte ein extra Kapitel im Artikel zur angloamerikanischen Auffassung folgen und sowieso noch ganze Artikel zur Theorie- und Methodendiskussion, sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern.
Hallo DieKraft, ich habe inhaltlich nichts gegen ihren Text, obwohl er komplex und m. E. für Laien schwer verdaulich ist. Dass da weiterhin Überarbeiten steht, wird kaum jemanden anreizen diese Lücke zu füllen. Aufwand ist kein Kritikpunkt als solcher. Wenn überhaupt Kritik dann daran, dass (Sie entschuldigen den Vergleich) hier ein Pastor über Religion spricht. Wenn ich - z.B. bei diesem Thema etwas essentielles erfahren will, muss ich auch/oder sogar eher die Religionskritiker lesen. Und so ähnlich sehe ich die Sache bei der "archäologischen Kultur". Bei ihrer Annahme, dass dies mit fehlender Theoriediskussion zu tun hat liegen Sie schon völlig richtig. Nur, wie nicht alles Gold ist was glänzt, so bin ich inhaltlich von dem was die angloamerikanischen Freunde absondern (Ausnahme vielleicht Hodder) wesentlich weniger angetan als Sie, aber die offen Form in der dort die Diskussion stattfindet, und in der die Grenzpfähle der Archäologie (nur Funde zählen) auch schon mal außer acht gelassen werden, würde ich mir bei uns wünschen. Gegen forsches Auftreten ist nichts zu sagen, im Gegensatz zu den Mimosen in dieser Welt (und im Wiki) schätze ich offen Worte. Beste Grüße JEW 17:43, 14. Nov 2005 (CET)
- Hallo JEW! Die "Komplexität" des Artikels liegt zum einen am Thema, zum anderen an meinen sprachlichen Unzulänglichkeiten. Ersteres kann man nicht entschärfen, es sei denn, man verflacht und das ist wohl nicht im Sinne der WP, zudem, wie gesagt, ist damit der Stoff gerade mal angekratzt. Letzteres kann selbstverständlich ausgebessert werden - deswegen, zum Anreiz der Vervollständigung, v.a. um den Artikellesern zu zeigen, daß das Thema nur unvollständig abgearbeitet ist, habe ich das "Überarbeiten"-Tag wieder hereingenommen.
- Ich verstehe Ihren amüsanten Pastor-Religions-Vergleich und gebe Ihnen teilweise Recht. Nur wo sehen Sie die "Religionskritiker"? In Deutschland hat man ja aufgrund der fehlenden breit streuenden populärwissenschaflichen Publikationen kaum eine Chance, sich ein Bild von der Archäologie als solcher zu machen. Eine öffentliche Kontroverse existiert nicht. So bleibt einzig die Möglichkeit, sich, um bei Ihrem Bild zu bleiben, in die Kirche zu begeben, die Bibeln zu lesen und den Predigten zu lauschen. Dabei entstehen dann solche Sachen wie die Probst-Bände, die, ohne Frage, von ungeheurem Fleiß sprechen, aber doch nichts anderes als ein Oberflächenrelief des Faches wiederspiegeln. Aufgrund weitgehend fehlender innerfachlicher Selbstreflexionen in Papierform ist ein echter Einblick in die Disziplin ohne großen Leseaufwand schwierig, ich meine sogar: unmöglich (ein Umstand, der mich während meiner ersten Semester mehr als einmal verzweifeln ließ). Weiterhin sehe ich nur eine Möglichkeit zum Diskurs zwischen Archäologen und den "anderen", nachdem ein Theoriediskurs erst einmal innerfachlich und auf voller Breite angelaufen ist (den gab es bereits schon in kleinem Rahmen auch im Internet, aber die Theorie-AG hat ihre Homepage offensichtlich eingestellt). Der Schritt muß ganz klar von den Archäologen getan werden, sonst bleiben wir ewig bei Archäologen und den "anderen" hängen; allerdings kann der Druck zu diesem Schritt durchaus von Seiten der Öffentlichkeit kommen. Ich bin voller Zuversicht, daß dieser Druck bereits mit dem wachsenden Medieninteresse an Archäologie steigt, gerade wenn dieses Interesse, wie etwa im Falle der Himmelsscheibe oder Goseck von fachlicher Seite massiv unterstützt wird. Wirklich Interessierte lassen sich irgendwann nicht mehr nur mit glitzernden Funden und bunten Rekonstruktionen abspeisen, sondern wollen auch wissen, was es denn nun wirklich mit dem ganzen Archäologie-Hokuspokus auf sich hat.
- Von den Angloamerikanern halte ich übrigens weniger als Sie vermuten - und mir ist gerade Hodder suspekt. Mir gefällt allerdings neben der lebhaften Diskussion die Breite und gut zugängliche Schreibweise ihrer Publikationen (Johnson, Archaeological Theory...[4] ist z.B. ein tolles Buch). Am liebsten sind mir aus diesem Feld die "Bodenständigeren", die Prozessualisten, die naturwissenschaftlich Ausgerichteten; Leute eben, die jenseits der Fundtüte zwar nicht aufhören zu schlußfolgern, die aber immer noch - im Gegensatz zu manchem Postprozessualisten - tatsächlich noch auf Funden aufbauen (Harding zB., Binford sowieso). Viele Grüße --DieKraft ~ ☎ 23:00, 14. Nov 2005 (CET)
- Hallo Die Kraft,
mit der Beschreibung der deutschen Szene, soweit völlig einverstanden. Probst verstehe ich als ein nahezu komplettes Übersichtwerk über Kulturen, das dem Laien sicher einen Einstand bietet. Ansonsten bin ich nicht so zuversichtlich das sich bald etwas ändert. Bei den Ausländern werden wir unterschiedlicher Meinung bleiben. Binford ist für mich als Idee gut, weil er die alte Spur verlassen hat. Richtigere Methoden führen aber nicht zwangsläufig zu richtigeren Erbegnissen. Seine sind in Mitteleuropa nie angenommen worden. Auch der in mitten eines aus unserer Sicht methodisch besseren Umfeldes arbeitende, hochgelobte Renfrew macht leider immer mehr Fehler, so dass sich gerade die neuen Denkrichtungen in Summe noch nicht bewiesen haben. Irgenwie sind alle scheinbar guten Ansätze im Ergebnis dürftig, also vermutlich auch irgendwo mangelhaft. JEW 09:50, 15. Nov 2005 (CET)
- Hallo JEW! Ich finde, Binfords Verdienst besteht schon allein darin, Ideen ausdrücklich beschrieben und festgehalten zu haben, die von den meisten seiner Kollegen sowieso implizit schon angewendet wurde. Er hat die Sachen auf den Tisch gebracht und dabei, was schon in der Natur von solcen Selbstreflexionen liegt, auch an entwickelnde Vorschläge gedacht. Sein Fehler war vielleicht die anfängliche Euphorie, die den Postprozessualisten zum Ansatz ihrer Kritiken gereichte, aber die Forderung nach interdisziplinärem Arbeiten, nach wissenschaftlicher Gründung der Methodik, die Middle-Range-Theory etc. - das alles gehört zur heutigen "Mainstream"-Archäologie. Ihren Satz "Richtigere Methoden führen aber nicht zwangsläufig zu richtigeren Erbegnissen." kann ich deshalb weder inhaltlich noch logisch nachvollziehen.
- "Irgenwie sind alle scheinbar guten Ansätze im Ergebnis dürftig, also vermutlich auch irgendwo mangelhaft." - die Angloamerikaner scheitern zumeist an minimalen Datenmengen, man kann durchaus den Eindruck gewinnen, daß "dort" die Theorie-, Hypothesen- und (waghalsige) Modellbildung einen höheren Stellenwert genießt als die eigentliche Verifizierung der Hypothese/des Modells anhand von ergrabenen und gemessenen Fakten in stichhaltigem Umfang. So stürzen Reihenweise Kartenhäuser ein - das macht die Ansätze an sich aber nicht schlechter, sondern verdeutlicht lediglich die mangelhafte Art ihrer Umsetzung. Hier liegt ein großer Vorteil der altmodischen deutschen Archäologie: man lehnt sich nicht so weit aus dem Fenster, aber das, was gemacht wird, wird gründlich gemacht - ist dafür aber meistens staubtrocken (will sagen, nicht so reißerisch), weil es sich um Katalog-, Chronologie-, Kartierungs- u.ä. Sachen handelt. Der goldene Weg liegt m.E. irgendwo dazwischen... (s. zB. Hardings European Bronze Age Societes). Viele Grüße --DieKraft ~ [[Benutzer_Diskussion:DieKraft|☎]] 22:20, 15. Nov 2005 (CET)
Hallo DieKraft, die Forderung nach interdisziplinärem Arbeiten, nach wissenschaftlicher Gründung der Methodik, die Middle-Range-Theory etc. - das alles gehört zur heutigen "Mainstream"-Archäologie. Das genau ist der Punkt: Die Forderung genügt nicht. Im übrigen bin ich (mit D. Kaufmann, Halle) der Meinung das etwas ganz wesentliches fehlt. Er forderte 2002 eine Archäologie der prähistorischen Religionen. Diese Idee aufzunehmen, sind aber die Leute auf beiden Seiten des Teiches nicht bereit. Gerade die ethnologisch angehauchten unter ihnen müßten wissen, daß dieser Bereich das Leben der frühen Menschen dominierte. Orientalisten und bes. Ägyptologen könnenten den Prähistorikern dafür sogar geschichtliche Belege liefern. Wer darüber nachdenkt müsste darauf kommen, dass es so etwas wie einen Investiturstreit bereits im Neolithikum gegeben haben muss. Die Rückseite des Mondes sieht so aus wie die Vorderseite, das wußten wir bevor Menschen ihn umrundet haben. Die Rückseite der Zeit, also die Vorzeit, sieht aber nach dem gängigen Schema der internationalen Archäologie anders aus, zumindest glaubt man fest daran. Die besten Grüße JEW 09:56, 16. Nov 2005 (CET)
- Hallo JEW! Gut, das war falsch formuliert. Ich meinte, die Forderungen werden bereits umgesetzt (s.zB. Pernicka, die paläolithischen Steinevermesser, das DFG-Projekt in Halle...), aber abgesehen davon: besser machen kann man immer alles.
- Kaufmanns Forderung ist mir nicht bekannt, deswegen wundere ich mich über Ihre Anmerkung bezüglich Archäologie & Religion, gerade die Amerikaner sind ganz heiß auf "Religion" vergangener Zeiten (Gimbutas! etc.), die Briten ebenso (s. zB. [5] und mittlerweile gibt es auch ein bißchen Papier aus Deutschland zum Thema, sowohl in Sachen Beschreibung/Rekonstruktion (zB. Sonderband z. Reallex. German. Altertumskde, Orschiedt, Veit...) als auch methodische Arbeiten (zB. [6]).
- Ihr "Investiturstreit" interessiert mich - mittlerweile sind wir vollends von der Artikeldiskussion abgekommen, aber vielleicht finden Sie doch die Zeit, ein bißchen mehr darüber zu berichten. Grüße, --DieKraft ~ [[Benutzer_Diskussion:DieKraft|☎]] 14:07, 16. Nov 2005 (CET)
Hallo Die Kraft, Gimbutas vorsicht!!! Um mit dem Phänomen Religion umgehen zu können, muß man es kritisch analysieren und erst einmal beschreiben (das können Religionsphänomenologen wie z.B. Geo Widengren) weniger jedoch Archäologen (bei aller Mühe, die sie sich geben und wofür sie mitunter auch keine Festanstellung erhalten, wie z.b. Vosteen). Kaufmann sagt wörtliches Zitat: Versteht sich die Archäologie als historische Disziplin, so ist sie gehalten, alle Bereiche des menschlichen Lebens und Zusammenlebens komplex und in ihrem dialektischen Wechselspiel bzw. ihrem Kausalgefüge zu untersuchen. Es gibt inzwischen viele archäologische Funde und Befunde, die das Wechselgeflecht zwischen alltäglichem Leben mit seinen wirtschaftlichen und sozialen Facetten sowie der Glaubenswelt des urgeschichtlichen Menschen zu erkennen geben, die bezeugen, daß der urgeschichtliche Mensch sich in seiner täglichen Arbeit, in seinem Leben von übernatürlichen Mächten oder Wesen abhängig fühlte. Dieses Fühlen hat er in bestimmte Formen und Ornamente übertragen, die nicht selten symbolische Bedeutung hatten, die uns bisher aber verschlossen geblieben ist. Wollen wir jedoch den urgeschichtlichen Menschen und seine Triebkräfte erforschen und wollen wir dies mit den der Archäologie spezifischen historischen Methoden erreichen, so kann und darf seine religiöse Sphäre nicht außer acht gelassen werden. Deshalb plädiere ich nicht nur für eine stärkere Beachtung dieser Sphäre, sondern vor allem für die Einrichtung und Ausgestaltung einer speziellen Archäologie der prähistorischen Religionen. ZU Investiturstreit: Wenn wir aufgrund geschichtlicher Ereignisse (z. B. Alter Orient und Ägypten) davon ausgehen, das es in dem (jedem) dualen System - Gott und die Welt - einen ständigen Kampf (offen oder verdeckt) um die Vorherrschaft gab/gibt, dann war dies auch prähistorisch der Fall – es ist in jedem dualen System, einschl. z. B. der Ehe, auch heute noch der Fall. Wir haben erst nach ca. 1600 - 1800 Jahren Christentum, durch die Enteignung der Kirche (Auslöser Napoleon) vermutlich endgültig die Fronten zugunsten der weltlichen Herrscher (Politik) geklärt. Der Islam ist nach 1400 Jahren noch nicht so weit und Gottesstaat ist sicherlich ein Terminus der uns auch in der Vorzeit begegnet wäre. Es führt hier zu weit die zarten Hinweise auf massive religiöse Aktivität anzuführen, aber, z.B. hat auch nach Ansicht der Archäologie in Arbon-Bleiche III vermutlich ein Missionisierungsversuch durch Leute der Boleráz-Stufe der Badener Kultur stattgefunden. Leider gibt es als geschichtliche Beispiele, die wir gut genug überblicken, nur die beiden o. a. heutigen Religionen. Frühgeschichtlich kann man zumindest sagen, dass die meisten mesopotamischen Herrscher und die starken unter den Pharaonen dem Dualismus dadurch entgingen, dass sie sich als weltliche und als geistige (einschl. der engl. Könige nach Gründung der anglikanischen Kirche - ein weiteres Beispiel das mir eben unterkommt), Oberhäupter installierten. JEW 16:23, 16. Nov 2005 (CET)
- Hallo JEW! Gimbutas war nur ein Beispiel dafür, daß die archäologischen Erkenntnisse keineswegs religionsfrei sind; als Person war sie sicher imposant, von ihren Ansichten (Mother godess, Frauenherrschaft) halte ich allerdings nicht so viel, von ihren Anhängern z.T. noch weniger. Religionsphänomenologen schön und gut, die Grundlagen für ihre Arbeiten müssen trotzdem von Archäologen geliefert werden - und diese wiederum müssen auf festem methodischen Boden ruhen. Ich finde Hawkes hatte mit seiner "ladder of inference" Recht, daß man (in etwa) das Artefakt am einfachsten seine Herstellungsweise und Anwendung (Technik) rekonstruieren kann und DANN erst seine Einbindung in einen sozialen sowie geistig-religiösen Kontext versuchen darf. Diese Idee, so einfach sie auch sein mag, wird meistens ignoriert; sprichwörtlich ist bekanntlich so ziemlich alles Ergrabene, was sich nicht erklären lässt, erst einmal "kultisch".
- Zum "Investiturstreit": Wie kommen sie auf den Universalismus der Dualität "Gott und die Welt"? Abgesehen davon, daß Sie gestern oder vorgestern noch von der angeblich vollkommen von Religion durchdrungenen prähistorischen Welt sprachen, mag Ihr Konflikt in bereits stark differenzierte Gesellschaften passen - so etwa zu den babylonischen Sternkuckern, allein halte ich Ihren Ansatz, diese durchaus stark nach christlichem Mittelalter riechende Kluft zwischen "weltlicher" und "geistiger" Herrschaft überall zu vermuten, für unbeweisbar und wenig kreativ. Damit scheren sie ja alles über einen Kamm und bringen die Welt, aus Ihren Augen gesehen, um ein Stück Vielfalt. Und weshalb gerade im Neolithikum, wo doch alle einträchtig beieinander wohnten und gemeinsame Großprojekte unternahmen - und zwar für die Gemeinschaft und nicht für Einzelne? Bei Schnurkeramikern und Glockenbechern machen sich zwar schon Individualisierungserscheinungen deutlich, aber auch diese Gesellschaften sind noch fern jeglicher Großmachtkonflikte, wenngleich sich evtl. u.a. religiös motivierte Aggressionen bemerkbar machen, wie etwa die Ausbreitung der SK und die anschließende, scheinbar ostentative Umkehrung der sk. Bestattungsregeln durch die GBK. Selbst wenn Sie hier also einen religiösen Wahn als Triebfeder im Hintergrund wähnen - eine weltliche Macht, die das Ganze steuerte, gab es keinesfalls. Erste, einigermaßen plausibel zu erklärende "Herrscher" sehen wir erst in der späten Frühbronzezeit, meinetwegen könnten Sie hier mit Mühe auch eine erste "Spaltung" zwischen weltlicher und religiöser Macht hineininterpretieren - in die Fürstengräber einerseits und die Horte andererseits - nur, wozu? Weltlicher "Fürst" und opfernder religiöser Spezialist können durchaus ein und dieselbe Person gewesen sein. Anzeichen für Thronstreitigkeiten oder Missionierungsversuche/Kreuzzüge fehlen hier jedenfalls gänzlich.
- Ich kann mir sogar vorstellen, daß der christliche Weg Papst vs. Kaiser ein Sonderfall ist, Ihre am Ende angemerkte Personalunion von, wenn Sie so wollen, "Priesterkönigen" dagegen die Regel.
- In gewisser Weise hat Ihr Verdacht allerdings Bestand, denn Dumezil, der vergleichende Religionsforscher, schreibt auch etwas von Gewaltenteilung an der Spitze der (Proto)Indoeuropäer, ein Phänomen, daß man u.a. in den keltischen Sagen nachlesen kann (ein Krieger als "König" und Herrscher, daneben aber ein Barde oder Druide, dem selbst der König Respekt zollt, beide haben sich manchmal auch in den Haaren). Aber wie gesagt, auch das verträgt sich nicht mit den harten, ausgegrabenen Tatsachen des Neolithikums. --DieKraft ~ ☎ 23:00, 16. Nov 2005 (CET)
Hallo DieKraft, richtig ist, und deshalb wäre es so wichtig der Forderung von Kaufmann nachzukommen, das die Relikte niemals die Frage nach der Funktion der vorzeitlichen Religion klären. Wie funktioniert das Phänomen Religion und warum sind Religionen beständiger als Reiche? Das ist die Methodische Grundlage die nicht vorhanden ist. Andererseits stoße ich, trotz der postulierten Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen überall auf Ablehnungen (bei Ihnen z.B. der Phänomenologen) bei anderen der Mythologien (und hier besonders extrem). Die Wahrheit ist aber, dass Archäologen nur selbstgestrickte Ansichten über die Funktion von Religion haben und sie sich von anderen Disziplinen auf keinen Fall nehmen lassen wollen.
Im Übrigen widerspricht meine Aussage von der religiös durchdrungenen Vorzeit nicht der Annahme, dass es immer auch und zwar zumeist primär eine weltliche Macht gab. Die Welt und die Anderswelt sind so verschieden, das ein früherer Mensch nicht zugleich (auf heutige Verhältnisse übertragen) Bürgermeister und Pfarrer sein konnte. Dem heutigen Bürgermeister werden keinerlei körperliche Fähigkeiten abverlangt, dem vorzeitlichen Stammesführer aber sehr wohl. Ich verweise hier auf ethnologische Erfahrung in rezenten Jägergesellschaften die also noch vor der neolithischen Stufe liegen und die Dualität der Medizinmänner / Schamanen mit den Häuptlingen kennen.
Entscheidend ist aber, dass ich auch bei Ihrer Argumentation die Vorstellung finde, dass die Vorzeit strukturell und die Phänomene funktional anders waren als in geschichtlicher Zeit. Ich weiß nicht wer diese Saat gelegt hat, aber fest steht das sie sich als eine Art archäologisches Unkraut behauptet. Stammesgesellschaften sind (Levi-Strauss u. a.) geführte Verbände, die erst einmal nur zur Erklärung der Ungerechtigkeit (Schicksalsschläge) der Welt, eine Himmelskomiker hatten, der ihnen suggerierte das sie selbst Schuld (mea culpa) daran waren. Die Propheten des AT tun dies unablässig. Das heißt nicht das es (wie auch geschichtlich Kreuzzüge, Hexenverfolgung etc) auch vermutlich Phasen der Entbehrung (Not etc.) gab in denen religiöse Führer die Leute nicht dämonisieren und für seine Ideen nutzbar machen konnte. Die Bauphase der Kathedralen der Geschichte (1000-1300 n. Chr.) und die der Kathedralen der Vorzeit (z.B. Megalithanlagen, Pyramiden) also Bauten mit völlig unvernünftigen Aufwand, entstanden in Zeiten religiöser Ekstase (mal stark verkürzt gesagt). Um zur femministischen Archäologie von Gimbutas zu kommen, da gibt es neuerdings auch deutsche Versionen sogar aus dem Bereich der Religion, die sich auf das archäologiesche Feld begeben (Mahlstedt, Wunn) das Ergebnis ist ähnlich ernüchternd. JEW 10:13, 17. Nov 2005 (CET)
- Hallo JEW! Vorweg: Wir befinden uns am Ende meiner Weisheit, dh. am Rande meiner Kenntnisse, denn über Religionsethnologie, -archäologie etc. habe ich nur hier und da mal etwas aufgeschnappt. Trotzdem darf ich vielleicht noch Folgendes anbringen.
- Mir ging es nicht um die Funktion der Religion, sondern um die Entwicklung archäologischer Interpretationen: um die Funktion von Funden und Befunden als grundlegende Erkenntnis für weiterführende Interpretationen (religiöse etc.). Die Funktionsfrage der Religion kann erst ganz am Ende der Erkenntnisreihe beantwortet werden, denn dazu müssen viele andere Dinge zu materieller Kultur, sozialer Struktur, Siedlungsmuster, Umgang mit Verstorbenen, Kulte u.a. geklärt werden.
- Gegen Religionsphänomenologen habe ich überhaupt nichts, schon gar nicht in der Archäologie, denn ohne interdisziplinäres Arbeiten bliebe letztere tatsächlich auf ihrem Scherbenhaufen sitzen. Mit Interdisziplinarität meine ich aber auch, daß man die Religionswissenschaftler nicht in Gummistiefeln über den Acker jagen, nicht nur an die archäologische Arbeit und an Kleinfunde sondern v.a. an die archäologischen Ergebnisse heranführen sollte. Beide sollen zusammenarbeiten und nicht jeder für sich.
- "Unsere" Ansichten über Religion in der Vorzeit mögen zwar unterentwickelt sein, "selbstgestrickt" aber sind sie nicht. Der zuweilen unter Ihren Worten schimmernde Marxismus wird zB. immer wieder gern ins Feld geführt (zB. v. Childe). Wenn Sie damit allerdings auf solche Sachen wie "Sonnenobservatorien" - seit Goseck können sich die deutschen Druiden den Weg nach Stonehenge sparen - o.ä. abzielen, dürfen Sie Öffentlichkeitspolitik und eigentliches (hoffentlich noch) wissenschaftliches Arbeiten hinter den Kulissen nicht verwechseln.
- Mir scheint, Ihnen sagt der Strukturalismus über alle Massen zu - so sehr, daß sie selbst für das Neolithikum die strikte Polarisierung "Welt" und "Anderswelt" vornehmen, die ihr Abbild in der Gewaltentrennung finden soll. Ich darf noch einmal anführen, daß dies einer archäologischen Grundlage entbehrt. Allein ethnologische Analogien sind schön und gut, in meinen Augen aber nur eine willkommene Sicht auf die Vielfalt kultureller Möglichkeiten. Universalismen sollte man dagegen erst auf die Archäologie anwenden, wenn sie wirklich fest stehen und derart spezielle Universalismen á la egalitäre soziale Stratigraphie (Archäologie) -> Stammesgesellschaft (Soziologie) -> Häuptling und Schamane (Religionswissenschaft) sind mir äußerst suspekt, solange der eine nur vom anderen abschreibt, ohne sich über dessen Hintergrundwissen, Absichten und Benennungen klar zu sein, bzw. diese auszublenden. Und noch etwas, leidlich skurriles, zum Thema: vor einigen Monaten stand ein Artikel im New Scientist, Ethnologen hätten einen Stamm im Amazonasgebiet entdeckt, der keine Wörter für Geister, Ahnen u.ä. Wesen, ja nicht einmal für das Jenseits selbst hatte.
- Übrigens halte ich Religion im weitesten Sinne, trotz der ahnenlosen Indianer, für ein Grundbedürfnis des Menschen, das allein durch gesellschaftlich-funktionale Aspekte nicht zu klären ist.
- "...dass ich auch bei Ihrer Argumentation die Vorstellung finde, dass die Vorzeit strukturell und die Phänomene funktional anders waren als in geschichtlicher Zeit." Ist das so? Wohl kaum, denn wenn ich mich um die grundsätzliche Vergleichbarkeit vom Heute mit dem Damals bringe, schlage ich mir als Archäologe ja selbst die Füße weg. Vielleicht sehe ich die Sachen zu differenziert und scheue mich, bereits fertige geschichtliche Modelle für die Prähistorie zurecht zu schmieden. Und ich gebe auch zu, daß ich lieber induktiv als deduktiv arbeite, aber das Prinzip des Aktualismus möchte ich schon aus Selbstschutz nicht ablehnen. Viele Grüße und schönes Wochenende, --Benutzer:DieKraft ~ ☎ 15:49, 19. Nov 2005 (CET)
Hallo DieKraft, überhaupt nichts spricht gegen Ihre Argumentation. Wirklich nicht, das meine ich ganz ernst. Allerdings ist es die Meinung „der Archäologie“, nicht im Bereich von dies und dem, aber und das ist entscheidend im Bereich der „herkömmlichen Vorgehensweise“. Nicht desto weniger war dieser Gedankenaustausch interessant. Ich war mir sicher das er nicht dazu führen würde, dass sie am Ende meine Meinung hätten und ich die Ihre. Aber, und dass betrifft jetzt weniger mich als Sie, denn die systemimmanente Beharrungsmentalität der Archäologie ist mir geläufig, sie werden sicher nicht alltäglich, nehme ich wenigstens an, mit einer „der Offizialarchäologie“ fremden Meinung über ihr ureigenstes Fachgebiet konfrontiert und könnten sich zumindest - im weiteren Leben - darum bemühen mehr außerarchäologisches zu erfahren, ohne die Abwehrhaltung des Fachs, das alles als Esoterik unterbuttert, einzunehmen. Es war auf jeden Fall nett sich mit Ihnen ausgetauscht zu haben. Mit freundlichen Gruß. JEW 17:23, 21. Nov 2005 (CET)
- Hallo JEW! Nein, ich wollte unsere Dikussion doch nicht abwürgen, ich habe tatsächlich kaum Ahnung von dem Religions"kram" und, naja, Sie werden verzeihen, wenn ich mich so schnell nicht von meiner Meinung abbringen lasse. Eine Beharrungsmentalität werden Sie in jedem Beruf antreffen - erzählen Sie doch mal Ihrem Zahnarzt, welche Werkzeuge er wie benutzen soll... Allerdings freut es mich durchaus, in Ihnen jemanden getroffen zu haben, für den Archäologie offenbar etwas echteres ist als blödes "Knochenpinseln", "Schätze finden" oder "Dänikens Gegnerpartei" - und, glauben Sie mir, Ihre Kritikpunkte können Sie garantiert auch innerhalb der Archäologie hören, sehr wahrscheinlich sogar, und noch wahrscheinlicher bei den innovationsfreudigen Briten oder Amerikanern, die sich wesentlich häufiger aus dem Fenster lehnen (und dabei allerdings wesentlich häufiger abstürzen) als die phlegmatischen "deutschen" Kollegen, bei denen alles immer erst 5 Jahre später ankommt. Ich hoffe aber trotzdem, Sie halten uns nun nicht alle für störrische Spinner, nur weil Sie in mir (schon wieder?) einen solchen gefunden haben. Sicher laufen wir beide uns in der WP noch öfter über den Weg (treten uns auf die Füße?), vielleicht treffen wir uns auch mal auf einem Kongress - oder sind Sie demnächst sogar in Halle oder Umgebung? Ich bin dort Mitte Dez. bis Mitte Jan. auf Heimaturlaub und zur Fortsetzung unserer Diskussion bei einem Bier o.ä. immer zu haben. Viele Grüße, --DieKraft ~ ☎ 21:04, 21. Nov 2005 (CET)
Hallo DieKraft, es gibt Schlagworte, die passend sind und Beispiele die hinken. Das „Prinzip des Aktualismus abzulehnen“ ist u. U. z.B. eine Verweigerungshaltung gegenüber dem der das Ganze bezahlt, dies zumindest tun die Briten nicht. Etwas erst einmal auf die Archäologie anzuwenden wenn es - für die Archäologie feststeht - wird keiner Disziplin (nicht einmal jeder naturwissenschaftlichen) gelingen. Beispiel: Auf einem arch. Kongress referiert ein Geologe über die Entstehung der Schwarzerden. Er hat herausgefunden, dass vorzeitliche häufige Steppenbrände Ursache dieser Verfärbung sind. Mäßiger Applaus, kaum Nachfragen und in anschließenden Gesprächsrunden: verbreitete Ungläubigkeit. Ich gehe jetzt nicht auf alles ein, möchte aber meine Hauptkritikpunkte benennen in denen die Archäologie trotz der allgemeinen Öffnungsklausel - es handelt sich ja nur um eine THESE - Meinungen gebildet hat, die sie zum Teil mit Zähnen und Klauen verteidigt hat obwohl sie falsch waren bzw., die m. E. noch immer falsch sind : Religion, Handel, Krieg und für die Orientalisten Stadt. In allen Fällen wurden Funde interpretiert ohne, dass die Diskussion darüber geführt wurde welche Voraussetzungen da sein müssen um die Thesen postulieren zu können. Nehmen wir das Beispiel Handel. Wenn ich nach Halle komme (was sich zeitlich leider nicht realisieren lässt), von Ihnen ein „halletypischen Geschenk erhalte und mit nach Hause bringe – und wir beide befänden uns in der Steinzeit – dann wird später ein begeisterter Archäologe feststellen, dass es zwischen dem Ruhrgebiet und Halle eine Handelsbeziehung gab ohne je geklärt zu haben wie dies funktional möglich war. Ähnlich beim steinzeitlichen Krieg, den man nur Krieg nennen darf wenn es sich um Krieg (im clausewitzschen Sinne) handelt und nicht um Fehden oder Scharmützel, die es natürlich immer gegeben haben kann. Und Stadt. Es gab keine steinzeitliche Stadt vor der Stadt, also vor jener ersten Stadt (Eridu?) die Auslöser einer permanenten Urbanität war. Bei Religion ist, glaube ich meine Ansicht klar, ähnlich wie bei Kultur – kein tragfähiges archäologisches Konzept. Damit kein Regal in das Funde sinnvoll eingelagert werden können. Menschen schreien förmlich nach einer Systematik, um sich verlässlich orientieren zu können. Von diesem allgemein menschlichen Verhalten weicht offenbar nur der Archäologe ab. JEW 09:46, 22. Nov 2005 (CET)
Hallo JEW! Na, das sieht jetzt nach Schrotflintentaktik aus, nun versuchen Sie mich wohl mit Ach und Krach zu dem Zugeständnis bringen zu wollen, die Archäologie als solche sei in höchstem Maße unzulänglich? Nichts ist vollkommen - eine Disziplin, die dieses Stadium erreicht, hat ihre Daseinsberechtigung verloren. Ihren genannten Kritikpunkten kann ich meine Perspektive entgegenhalten:
- Prinzip d. Aktualismus: Da verstehe ich Ihre Argumentation leider nicht. WER lehnt das Prinzip denn ab und wer bezahlt "das Ganze"???
- Entstehung der (bandkeramischen) Schwarzerden: Wann war denn dieser Kongreß? Ich habe 2002 zum ersten Mal von dieser plausiblen Lösung des Problems gehört (Vortrag v. Frau Gerhardt in Hamburg); die Diskussion dazu ist mittlerweile im Gange (Saile, T. & C. Lorz (2003): Anthropogene Schwarzerdegenese in Mitteleuropa? Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion – Prähistorische Z. 78: 121-139)
- Ihre Behauptung, "die Archäologie" würde ohne Prämissen, bzw. ohne verifzierte Prämissen argumentieren kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen, zu Ihren Beispielen im Einzelnen:
- Handel: Es gibt, soweit ich weiß archäologische(!) Modelle, die sich grob in zwei Kategorien untergliedern lassen: 1. Tröpfchenweise, dh. von Nachbarort zu Nachbarort, dann streuen die verhandelten Objekte um ihren Herstellungs-/Abbauort, die Funddichte nimmt mit zunehmender Entfernung von diesem Zentrum rapide ab. 2. Fernhandel, dh. Spezialisten ziehen durch die Lande und tauschen/handeln Produkte, das resultierende Verbreitungsmuster ist wesentlich komplizierter, Objekte sind sehr weit verhandelt, uU lassen sich Handelsstrecken rekonstruieren. Weiterhin trägt Eigeninitiative zur Verbreitung von "Fremdobjekten" bei, etwa, wenn Teile einer Gemeinschaft ausgeschickt werden, um Ressourcen auszubeuten -> die "Fremdobjekte" entfernen sich nicht sehr weit vom Fundort und konzentrieren sich uU an einigen Stellen (so etwas ist glaube ich, zB. bei neolith. Feuerstein nachgewiesen worden). Ferner wäre das von Ihnen angebrachte Beispiel von, sagen wir, Hallorenkugeln (Pralinen) ein Gastgeschenk. Letztere zwichnen sich durch sporadische Verbreitung aus, meist handelt es sich um Luxusgegenstände, sie sind ausgezeichnet für die Eisenzeit belegt - aufgrund der bekannten Feinhronologie kann dort sogar nachgewiesen werden, daß die "zivilisierten" Griechen etc. ihren "barbarischen" Handelspartnern zwar prunkvolle und materiell wertvolle, aber in ihrer, griechischen etc. Kultur bereits veraltete Sachen andrehten. Diese Modelle lassen sich, wie gesehen und geschehen gut durch Verbreitungsmuster, die wiederum statistisch gestützt sind, bestätigen (meine Hallorenkugeln wären selbstverständlich frisch). Übrigens war Hodder unter den ersten Archäologen, die in dieser Richtung forschten.
- "Krieg" ist umstritten, denn der Begriff setzt bereits komplexe, zentralisierte Gesellschaften voraus. Ich weiß nicht, woher Sie die Information beziehen - wenn ich Sie recht verstehen - in der Archäologie würde jeder Nachweis von Aggression (oder?) als pauschal als Krieg bezeichnet.
- "Stadt" - dto. Ich bin Prähistoriker f. Mitteleuropa und mit den Feinheiten der Nomenklaturproblematik (?) meiner vorderasiatischen Kollegen nicht vertraut. Allerdings ist auch dieser Begriff dehnbar und findet so hin und wieder Eingang in Artikel mitteleuropäischer Thematik (Höhensiedlungen, Heuneburg, Oppida...). Diskrepanzen zwischen der mittelalterlichen civitas und orientalischen Stadtstaaten liegen wohl auf der Hand.
- Kultur und Systematik - Würde "unser" Kulturkonzept nicht tragen, wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. "Wir" sind uns einig, daß es sich dabei um rein deskriptive Konstrukte handelt, die uns die Grundlage zur wissenschaftlichen Kommunikation einerseits (räumlich-zeitliche Verortung der materiellen Kultur) und zur, wie auch immer gearteten, Bearbeitung des Materials andererseits liefern. Übrigens handelt es sich dabei durchaus um eine Systematik. Was würden Sie denn als konkrete Alternative vorschlagen? Tabula rasa und dann ALLES noch einmal neu kategorisieren???
Viele Grüße, --DieKraft ~ ☎ 17:17, 22. Nov 2005 (CET), PS: Vielleicht sollten wir beide mit unserer Diskussion in ein Forum umziehen, bevor wir hier, fehl am Platze, alles zutexten. Ich sehe gerade, die Foren von Porta Praehistorica und archaeologie-online sind nicht mehr aktiv... vielleicht wissenschaft online?
- Hallo DieKraft, --- vorbeigeschossen. Aber es war mein Fehler, den ich schon öfter gemacht habe und den man mir genau wie Sie beantwortet hat. Ich hätte das Wort steinzeitlich fett schreiben sollen. Steinzeitlicher Handel, Krieg, Religion, Stadt etc. Die Aufzählung ist wirklich nicht vollständig. Steinzeitliche Abfallgruben müssen Die Grünen in die arch. Diskussion eingeführt haben (- ohne Wertstofftrennung - ). Ihre wunderschönen Beispiele streifen jedoch allenfalls die Steinzeit und gehen bis in die Eisenzeit. Sie werden mir ja wohl zugestehen, dass ich auch bemerkt habe, dass es all diese Phänomene ab irgendwann tatsächlich gab/gibt. Meine Frage, Antwort, Behauptung oder was auch immer war lediglich: Warum beantwortet die Archäologie diese Fragen (falsch) ohne die Voraussetzungen zu kennen, zu beschreiben bzw. die Terminologie geklärt zu haben; es ging mir also um das erste Mal. Das Beispiel Krieg = Clausewitz, die Fehlbelegung der Archäologie in diesem Sektor sind z. B. steinzeitliche Fluchtburgen etc., die ja wohl Krieg insistieren. Lesen sie dazu mal die Ergebnisse der Grabung 2004/2005 Herxheim. UND HIER BIN ICH RICHTIG STOLZ: Ich habe steinzeitliche Erdwerke noch nie für fortifikative Anlagen gehalten. Handel ist z.B. kein Tausch, keine Geschenkannahme und kein von ausgesandten Gruppen geholter Obsidian etc. Handel verlangt Voraussetzungen. Quelle - Verkehrsnetz - Absatzgebiet und den Händler, der davon lebt. Halt jetzt habe ich schon wieder zu kurz gegriffen ich meine in diesem speziellen Fall: "unter den steinzeitlichen Bedingungen Mitteleuropas". Aber sie haben Recht, wir sollten das Forum - Wissenschaft - benutzen. Hoffentlich finde ich mich da zurecht. Wer ist übrigens Frau Gerhard? Susanne Gerhard? JEW 18:31, 22. Nov 2005 (CET)
NACHTRAG, hatte gestern wenig Zeit. Von Schrotflinte kann keine Rede sein; und für unzulänglich hat schon Virchow die A. gehalten. Sie waren es, sie haben den Aktualismus, sh. oben, abgelehnt; und vergessen, dass der Steuerzahler derjenige ist, den die off. Archäologie überhaupt nicht mit zeitnahen Infos zu versorgen gedenkt (A schreibt für B nicht für das Publikum). Schwarzerden (sind nicht ursächlich bandkeramisch - ich glaube das meinten Sie so auch nicht). Es war m. E. der Kongress in Northeim, erfreulich zu hören, dass die Diskussion läuft. Tröpfchenweisen HANDEL als solchen zu bezeichnen, statt Tausch zu sagen, ist ein Punkt wo die "Prämisse" den tatsächlichen Vorgang intentionell nicht erklärt. Bei Fernhandel ist es noch schlimmer. Da ziehen Spezialisten durch ein Land mit 4 - 16 Menschen/pro qkm und verbreiten Klamotten, die sie in ähnlicher Qualität zu Hause haben. Hier haben die Archäologen zu lange zugekuckt wie norddeutsche Jogurthbecher von Hamburg nach Stuttgart gefahren werden und Süddeutsche nach Hamburg, das ist kapitalistische die Idiotie. So dumm waren die Vorzeitler im Neolithikum nicht. Alles andere hatte ich glaube ich angesprochen. Übrigens das Forum ist nicht so ... Sie wissen schon, ich hab da mal rein gesehen. Vielleicht gibt es noch eine andere Lösung. Mit freundlichen Grüßen.JEW 15:58, 23. Nov 2005 (CET)
Hallo JEW! Unzulänglich ja, aber nicht in höchstem Maße.
- Aktualismus: Die Ablehnung desselben haben Sie mir in die Schuhe geschoben. Ich halte allerdings Ihre Sicht, offensichtlich alles 1:1 vom Heute ins Gestern übertragen zu wollen (z.B. Ihren Konflikt weltlich-geistlich bereits im Neol.), für überzogen. Wie gesagt, kann ich das Prinzip gar nicht ablehnen, weil sich ohne diese Prämisse gar nicht historisch, und schon gar nicht prähistorisch arbeiten lässt.
- Handel: Ja, ich hatte schon vermutet, daß Sie sich vorwiegend auf die Jungsteinzeit beziehen. Dort gibts es mehrere der og Modelle für Silexhandel (Grand Pressigny, Schokoladensilex... außerdem zB: Bánffy, Transdanubien. Handelswege und Neolithisierung in der Hauptmann-Festschrift und hier beschäftigt sich sogar jemand online mit Silexhandel) dieses Muschelzeugs (Cardium?) und wohl auch für Marmor (Rössen), Grünstein (für die Äxte)... - Ich weiß nicht, was Sie hier - pauschal! - ablehnen können. Und Handel ist sehr wohl Tausch - was denn sonst? Die Infrastruktur muß es gegeben haben, den Absatz"markt" ebenso, denn sonst würden wir keine Manuporte und Leitfossilien in "fremder" Umgebung finden. Mit den Joghurtbechern bin ich mir nicht so sicher; was wir heutzutage machen, ist durchaus schwachsinnig - und wenn ich jetzt die gleichen Mechanismen (Kapitalismus, Monopolismus) für´s Neolithikum ablehne, jubeln Sie mir bitte nicht wieder die Ablehnung des Prinzips d. Aktualismus unter. Gerade der Silexhandel wird von der Rohstoffqualität angetrieben worden sein, denn Silex ist nicht gleich Silex, zwischen Plattenhornstein und den verdrückten Feuersteinknollen aus nordischen Geschieben besteht materialtechnisch ein himmelweiter Unterschied - und in einer Welt, in der Silex gang und gäbe ist, jedes Kind verschiedene Arten des Gesteins zu unterscheiden weiß und genug Leute herumlaufen, die innerhalb kürzester Zeit solche Kunstwerke wie die Fischschwanzdolche zurechtklopfen können, hebt man sich doch am besten durch "besondere" Materialwahl ab (=Prestige). Solche Kaspereien finden sich Reihenweise in der Menschheitsgeschichte (silberne Pfeilspitzen in der späten RKZ zB).
- Herxheim: Na sowas, doch kein Massaker - das war mir neu. Die "kriegerischen Auseinandersetzungen" konnten nicht nachgewiesen werden, wo ist also das Problem? Hoffentlich bleibt nun wenigstens Talheim als Zeugnis des hohen Alters menschlicher Dummheit erhalten, aber auch das war noch kein Krieg.
Um die Erdwerke wird sich doch schon lange gestritten; es ehrt Sie natürlich, wenn Sie das Bröckeln der militärisch interpretierenden Kollegenfront schon vorausgesehen haben. Die Kreisgrabenanlagen sind, fällt mir ein, evtl. ähnlich, d.h. nicht in einem Zuge, sondern durch Aneinanderreihung mehrerer kleinerer Gruben entstanden (Goseck).
- Schwarzerden: Entschuldigung, mein Fehler, die Frau hieß Gerlach (Renate) und nicht Gerhart.
- Kultur: Ihre Ablehnung des fachlichen Begriffes war so kategorisch und lauthals vorgebracht, daß ich meinte, Sie hätten bereits ein besseres Konzept im Ärmel, eines, daß alle unsere Probleme löst und sofort von den Kollegen angenommen wird - die Erläuterung desselben sind Sie mir bisher schuldig geblieben.
- Forum: Stimmt, wissenschaft-online ist ein wenig dröge, aber mittlerweile scheint das Forum von Archaeologie-online wieder zu funktionieren. Dort habe ich mich soeben als "kra" angemeldet und dort finden wir bestimmt auch ein paar über unseren Schlagabtausch (aus welchem Grund auch immer) staunende Mitleser, wenn nicht gar Mitstreiter. Wir sehen uns dort? (Am besten in der Rubrik Diskussionsforum: Archäologie in der Diskussion: Allgemein [7])
Was ist die Bemaltkermische Kultur?
BearbeitenHallo,
Habe mal den wikilink zur "bemaltkeramischen kultur" aus den beispielen beim abschnitt zur nomenklatur entfernt. Ich kenne diese kultur überhauptnicht und ein entsprechneder artikel existiert auch nicht. Darum habe ich sie nicht für ein geeignetes beispiel gehalten. Sollte es doch eine derartige kulturgruppe geben kann der link ja wenn der artikel angelegt wurde wieder hergestellt werden. Quadricarinatus 18:43, 30. Jan. 2007 (CET)
- vermutlich war maehrisch bemalte Keramik gemeint... - weg damit! yak 20:39, 30. Jan. 2007 (CET)
Es ist die östereichische Bezeichnung von Gruppen der Lengyelkultur JEW 15:28, 20. Mär. 2007 (CET)
Warum befinden sich folgende Sätze unter der Überschrift "...unterhalb der Kultur"?
BearbeitenAls Klassifikationseinheit ist die archäologische Kultur ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Arbeit des Archäologen.
Die archäologische Kultur umfasst nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was allgemein unter Kultur verstanden wird, ist also keinesfalls mit diesem Begriff synonym, trotzdem werden beide oft verwechselt.