Anglo-normannisch oder englisch bzw. britisch oder englisch Bearbeiten

Zu meinem partiellen Revert bzw. dem Revert meines Reverts möchte ich hier ausführlich Stellung beziehen, wobei ich diesen Abschnitt nur den strittigen Begrifflichkeiten widme.

Zunächst geht es um die begriffliche Fassung des Feldzugs von 1169 in Irland. Hier geht die neuere Literatur dazu über, „englisch“ statt „anglo-normannisch“ zu verwenden, weil es den Sachverhalt besser trifft. Sehr gut ist die Problematik im Buch von Michael Richter: Irland im Mittelalter, C. H. Beck, München 1996 (die erste Auflage erschien 1983), ISBN 3-406-40481-2, auf S. 133 unter der Überschrift Das englische Eingreifen in Irland beschrieben:

Bis heute gilt für die irische Öffentlichkeit das Jahr 1169 als Schicksalsjahr der Nation, «als die Normannen kamen». Bevor wir die politischen Umstände darstellen, die damit gemeint sind, ist eine Bemerkung darüber nötig, wie man die Bewohner der Nachbarinsel im späteren 12. Jh. bezeichnen sollte. Waren es Normanne, Anglo-Normannen oder Engländer?
Die normannische Eroberung Englands von 1066 lag über ein Jahrhundert zurück. Die verhältnismäßig kleine Gruppe einflußreicher Leute, die im Gefolge Wilhelms des Eroberers nach England gekommen waren und sich dort festgesetzt hatten, glich sich im Laufe dieses Jahrhunderts in vieler Beziehung den Einheimischen an.
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Es darf als erwiesen gelten, daß in englischen Adelskreisen in der zweiten Hälfte des 12. Jhs. die Muttersprache überwiegend Englisch, nicht Französisch war. Zur Bestätigung dessen sei auf die Feststellung in der Präambel zu den Statuten von Kilkenny von 1366 verwiesen, wo es unmißverständlich heißt: «Zur Zeit der Eroberung des Landes Irland und lange danach gebrauchten die Engländer dieses Landes die englische Sprache und die englische Kleidung.» Giraldus Cambrensis, einer der zeitgenössischen Chronisten des englischen Eingreifens in Irland, bezeichnete die Eroberer in seiner Expugnatio Hibernica fast durchweg als Angli, «Engländer». Er steht mit diesem Sprachgebrauch nicht allein. Wir werden seinen Sprachgebrauch aufgreifen, auch wenn wir uns damit über langjährige Traditionen der historiographischen Terminologie hinwegsetzen und seit 1169 von den Engländern bzw. Anglo-Walisern, nicht den Normannen in Irland handeln.

Michael Richter steht hier nicht allein. Ich möchte beispielsweise auf den von James Lydon herausgegebenen Band The English in Medieval Ireland (man beachte bereits den Titel!) verweisen (Royal Irish Academy, Dublin 1984, ISBN 0-901714-31-3) und hieraus aus dem Beitrag Language and Literature von Alan Bliss zitieren:

Nevertheless, after the loss of Normandy in 1204 the use of Norman French gradually began to decline: as a written language, especially in the field of law, it remained in use until the modern period, but as a spoken language it hardly survived the thirteenth century; in England it was displaced by English, but in Ireland by Irish rather than by English. It is not very surprising that the Normans should have adopted Irish, since they had a tradition of linguistic adaptability: when they settled in France they soon abandoned their original Scandinavian language and adopted French. It is perhaps more surprising that the English too began to speak Irish, since the English have never been noted for skill in foreign languages, but there is evidence to show that this is what they did; alarm at the progressive gaelicisation of the settlers, not only in language, led to the passing of the Statutes of Kilkenny in 1366.

Im LexMA (Band 5, Sp. 657) wird anglonormannisch in Anführungszeichen gesetzt, um einerseits den bekannten Begriff zu verwenden, andererseits sich aber auch davon zu distanzieren:

Die Periode des späten 12. Jh. bis zum Ende des 13. Jh. ist gekennzeichnet von der Vorherrschaft engl. und walis. Adliger und Siedler. Die ersten 'Anglonormannen' kamen 1169 als Söldner des vertriebenen Kg.s Dermot Mac Murrough auf die Insel.

Auch in den weiteren Jahrhunderten wird der englische Einfluss in der Fachliteratur als englisch bezeichnet, weil „britisch“ hier kein passender Begriff ist. Mit den Briten werden im Mittelalter ausschließlich die keltischen Einwohner des heutigen Englands bzw. deren Nachkommen außerhalb des angelsächsischen Einflussbereiches bezeichnet (siehe LexMA, Band 2, Sp. 701). Der spätere Begriff verbindet sich mit dem vereinigten Königreich bzw. dem britischen Imperium und ist damit ein Begriff der Neuzeit. Insofern ist es korrekt, von einer englischen Adelsschicht zu sprechen.

Ich hatte nicht die Absicht, die gesamte Namensdiskussion (wie etwa bei Michael Richter) in diesen Artikel zu bringen. Im Vordergrund standen für mich zwei Punkte: Leichte Verständlichkeit und korrekte Begriffe. „Anglonormannisch“ ist als Begriff zwar etabliert, aber nicht wirklich treffend. Wenn ich von der „englischen Invasion“ und anschließend von der „englischen Adelsschicht“ spreche, dann ist dies auch ohne tiefe Kenntnis der mittelalterlichen Geschichte Irlands verständlich, korrekt und auch durch die oben zitierte Literatur ausreichend gedeckt. Der Begriff der „britischen Adelsschicht“ ist für das Mittelalter schlicht falsch. Aus diesen Gründen erachte ich diese Fassung entsprechend meines partiellen Reverts nach wie vor als die bessere Fassung. --AFBorchert 23:33, 29. Apr. 2009 (CEST)Beantworten

Das ist natürlich tendenziös, denn beinahe nur Normannen aus Frankreich - die nur wenige Jahrzehnte in England lebten - und vor allem in Wales angesiedelt waren - weshalb die neuere Forschung von cambro-normannisch spricht - gingen nach Irland. Von englisch zu sprechen, wenn es um die Phase vor der Unterwerfung von ganz Irland geht ist falsch. Da nützen auch keine ausgewählten Zitate. 84.61.201.46 13:13, 22. Jul. 2009 (CEST)Beantworten
Mit Verlaub, aber Privatmeinungen sind hier nicht relevant, sondern nur der Stand der aktuellen wissenschaftlichen Literatur. Diesen habe ich oben, so denke ich, in für diesen Artikel ausreichender Form dokumentiert. --AFBorchert 00:13, 25. Jul. 2009 (CEST)Beantworten