So ohne weiteres ist mir nicht klar, wie man behaupten kann, Kolmogorov hätte von Bohlmanns Arbeiten (der sich wiederum auf Poincare bezieht) keine Kenntnis gehabt, schließlich waren die Enzykl. der math.Wiss. weit verbreitet und Kolmogorov konnte deutsch. Natürlich bezieht er sich in seinem Buch auf spätere Arbeiten (von Mises, Sergei Bernstein), so dass er nicht unmittelbar auf ältere Arbeiten zurückgreifen musste, aber von Mises waren die Arbeiten von Bohlmann sehr wohl bekannt (zum Beispiel die folgende Seite hierzu von Mises Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Math. Z. 1919).--Claude J 10:00, 1. Okt. 2010 (CEST)
- Wenn Kolmogorov die Arbeiten von Bohlmann gekannt hätte, dann hieße das, daß er sie bewußt verschwiegen hätte. Im besagten Artikel in der Enzykl. der math.Wiss. ging es um Versicherungsmathematik, an der Kolmogorov wahrscheinlich nicht interessiert war. Kolmogorov war ein hochkarätiger Analytiker und seine beste Arbeit auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitstheorie, die über das Gesetz des iterierten Logarithmus aus dem Jahr 1926, wurde lange vor den "Grundlagen" verfasst. In den Grundlagen ging es Kolmogorov wohl primär darum, daß die bislang als metrische Wahrscheinlichkeitstheorie bezeichnete Sammlung von interessanten Sätzen das Modell schlechthin für die Beschreibung des Zufalls ist. Das war nicht ganz einfach, denn "philosophisch" ist das Modell von Kolmogorv ziemlich unbefriedigend. Statt von Folgen von Zufallswerten wie bei von Mises ist jetzt auf einmal von Folgen von Zufallsvariablen auf einem riesigen Wahrscheinlichkeitsraum die Rede. Beobachtet wird aber immer nur ein winziger Punkt dieses Wahrscheinlichkeitsraum. Es handelt sich also um ein rein pragmatisches Modell. Ein pragmatisches Modell kann sich aber nur durchsetzen, wenn es viele neue Aussagen liefert. Genau daran ist Bohlmann im Gegensatz zu Kolmogorov gescheitert. Deswegen wurden in Göttingen auch Witze über Bohlmann gemacht (erwähnt in der 2. Arbeit von Krengel). Derweil hatte Bohlmann durchaus eine Menge analytischer Power. Diese zeigt er in seiner wohl besten Arbeit "Ein Ausgleichungsproblem". Vordergründig geht es dabei um die "Glättung" von Zeitreihen. Hierfür wurden später ohne Berufung auf Bohlmann ähnliche Methoden entwickelt, die dem Problemkreis besser gerecht werden (ich verweise wiederum auf die noch nicht erschienene Arbeit von Krengel). Bohlmanns Arbeit behandelt aber das aus rein mathematischer Sicht wichtigere Problem, das meiner Meinung nach auch von eminenter praktischer Bedeutung ist. Nicht bei der Zeitreihen-Analyse sondern in der Bildverarbeitung. Es geht um das im Digitalkamera-Zeitalter immer wichtiger werdende Problem der Entrauschung. Dazu muß man Bohlmanns eindimensionale Theorie auf zwei Dimensionen verallgemeinern, was ohne jegliche Probleme möglich ist. Für dieses Problem entwickelt Bohlmann einen mathematischen Rahmen, der die unzähligen Arbeiten der Informatiker zu diesem Thema als erbärmliches Herumstümpern mit "Kochrezepten" aussehen lässt. Bohlmann handelt das Problem nicht nur theoretisch ab, sondern beschreibt auch wie man das Problem konkret mittels der Diskreten Cosinus-Transformation lösen kann. Das einzige Problem, das man in der Praxis hat, besteht darin, daß man 10 Megapixel nicht so schnell mit der DCT verarbeiten kann. Da muß man dann wohl wieder "Kochrezepte" entwickeln, etwa das gesamte Bild in mehrere (überlappende?) Blöcke zu unterteilen und dann diese nach Bohlmanscher Art zu säubern. --Kassandro 05:48, 7. Okt. 2010 (CEST)