Diskussion:Evangelisches Krankenhaus Paul Gerhardt Stift

Letzter Kommentar: vor 1 Jahr von Detstum in Abschnitt Kollaboration im Nationalsozialismus

Kollaboration im Nationalsozialismus Bearbeiten

Auch wenn die Diskussionsseiten in Wikipedia leider ein Schattendasein führen, so verlangt die Darstellung des Paul Gerhardt-Stifts einer Ergänzung. Obwohl diese Darstellung recht jungen Datums ist und sich die Eigentumsverhältnisse der Klinik im Vergleich zu 1945 erheblich verändert haben, zeigt sie den in Deutschland so häufig anzutreffenden Umgang mit dem Nationalsozialimus. Entweder werden die 12 Jahre übergangen oder - wie hier - es werden 4 Ereignisse erwähnt, bei denen - wie in unserem Fall - das Paul Gerhardt-Stift in gutem Licht dasteht, das sogar unter dem Nationalsozialismus zu leiden hatte. Alle 4 Ereignisse tragen deutliche Spuren der Kollaboration in sich, die jedoch unkenntlich ohne jede weitere Information bleiben.

Das Sprengstoffunglück im Juni 1935 verlief unter dem Ende 1933 schon gekündigten und noch für 2 Jahre geduldeten Chefarzt, dem sog. jüdisch-versippten Paul Bosse "sehr glimplich" hinsichtlich der Schwerverletzten. Der fehlende Einsatz des Vorstands für seinen Verbleib als Chefarzt nach dem Sprengstoffunglück demonstriert, wie bereitwillig man den Wünschen der lokalen Nazis entgegen kam, obwohl selbst Hitler und Goebbels sich bei Paul Bosse für seinen Einsatz bedankt hatten. Mit einem "jüdisch-versippten" Chefarzt hätte das Paul Gerhardt-Stift die für den Umbau der Klinik notwendigen städtischen Kredite nicht erhalten, dessen Planung 1936 - nach seinem Rauswurf - begann. Verbunden mit der Klinikerweiterung 1939 - Wittenbergs Bevölkerungszunahme infolge der forcierten Aufrüstung machte dies nötig - ist der Austausch und letztlich Auszug der Diakonissen, die seit über 25 Jahren in der Klinik gearbeitet hatten, nach vielen Konflikten mit dem Klinikvorstand unumgänglich. Für deren Ersatz durch eher nazi-nahe Diakonieschwestern aus Zehlendorf hatte sich u.a. NS-OB Habicht als stellvertetender Vorstandsvorsitzender des Paul Gerhardt-Stifts stark gemacht. Seit 1935 ist der jeweilige NS-OB Wittenbergs qua Amt stv. Vostandsvorsitzender, was den Eintrag von 1942 nicht nur nicht relativiert, sondern vergessen läßt, daß im Vorstand des Paul Gerhardt-Stifts Entscheidungen auch schon früher nazi-konform getroffen wurden, weil der Vorstand seit 1933 selbst-gleichgeschaltet war und auch so handelte, wie die Kündigung Paul Bosses im Zuge der "Reinigung" Wittenbergs zeigt.

 
Porzellanteller für Paul Bosse
 
Eintrag von 2011 für 1933 ff

Wie schwer sich noch 2017 das Paul Gerhardt-Stift mit einer Ehrung seines Chefarztes von 1919-1935 tut, zeigt die Erinnerungsplakette zu seinen Ehren, die jede Verbindung zur NS-Zeit vermeidet. Sehr viel weiter war der 2016 verstorbene Wittenberger Probst Kasparick, der sich nicht scheute, der Geschichts-Website einen Eintrag hinzuzufügen, der bald jedoch ersatzlos gestrichen werden sollte. Die als "unsere Historie" im Artikel erwähnte Geschichte des Paul Gerhardt-Stifts ist nach Löschung des Eintrags von 1933 ff von der Geschichts-Website der Paul Gerhardt-Stiftung wieder identisch mit ihr: Gereinigt von jeder Kollaboration mit den Nazis.

Literatur: Wolfgang Böhmer, Das Krankenhaus PAUL-GERHARDT-STIFT im Wandel der Zeiten, Maschinenschrift, Wittenberg 1978.

Helmut Bräutigam, Heilen und Unheil, Dreikastanienverlag WB, hrsg. von der Paul Gerhardt-Stiftung, 2017.

Detlev und Ute Stummeyer, Paul Bosse. Seine Klinik in Wittenberg. Unerwünschte Wahrheitssuche, BoD Norderstedt, 2015. --Detstum (Diskussion) 20:47, 27. Jul. 2022 (CEST)Beantworten