Die Jagd nach dem Glück (1930)

deutscher Spielfilm

Die Jagd nach dem Glück ist der Titel eines deutschen Spielfilms, den der Bühnenbildner und Regisseur Rochus Gliese 1929/1930 nach einem Drehbuch, das er zusammen mit Lotte Reiniger und Carl Koch geschrieben hatte, für die Berliner Comenius Film GmbH realisierte. Der Film war international besetzt mit dem russischen Schauspieler Alexander Murski, der Amerikanerin Amy Wells und den Franzosen Jean Renoir und Catherine Hessling, mit welchen Reiniger und Koch auch privat befreundet waren. „Die Jagd nach dem Glück“ war das Leinwand-Début für die deutsche Bühnenschauspielerin Hilde Körber.

Film
Titel Die Jagd nach dem Glück
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1930
Länge 10 Akte, 2640 Meter, 96 Minuten
Stab
Regie Rochus Gliese
Drehbuch Rochus Gliese,
Lotte Reiniger,
Carl Koch
Produktion Carl Koch für Comenius Film GmbH. Berlin
Musik Theo Mackeben
Kamera Fritz Arno Wagner
Besetzung

Der Film enthält animierte Schattenspielszenen[1], die der Trickfilmspezialist Berthold Bartosch mit Silhouetten von Lotte Reiniger ausgeführt hat.

Das Spiel im Spiel „besteht aus einer Serie von 16 kurzen Episoden, die einen Mann auf verschiedenen Wegen bei der Jagd nach dem Glück zeigen. In einer dieser Episoden betritt das Glück, symbolisiert durch eine schöne Frau mit einem Füllhorn, aus dem sie unparteiisch Blumen als Gunstbezeugungen verteilt, einen Zirkus und reitet ohne Sattel vor den Zuschauern, um zu zeigen, dass sie ohne Anstrengungen vollbringt, wozu andere Jahre des Trainings brauchen.“[2]

Reiniger und Koch assistierten Gliese auch bei der Tonregie, als der 1929 noch stumm begonnene Film nachvertont werden sollte[3]; er kam 1930 als Tonfilm heraus.

„So wie Glieses Film vom Niedergang einer veralteten Technik handelt, die durch eine neue ersetzt wird, stand er selbst am Übergang vom Stumm- zum Tonfilm“.[4]

Handlung

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Der Schausteller Marquant bereist mit seiner Guckkastenbühne die Jahrmärkte, doch der Zuspruch des Publikums lässt mehr und mehr nach. Jeanne, seine Tochter und sein Gehilfe Mario möchten, um dem abzuhelfen, eine ganz neue Schau mit Hilfe moderner Projektion entwickeln. Der alte Schausteller, der am Herkömmlichen festhalten will, hat dafür aber wenig Verständnis und wirft beide hinaus.

Das Mädchen Cathérine von der Schießbude hat sich in Mario verliebt. In dem Platzwart Robert findet sie einen Mäzen für seine Ideen. Als der aber Cathérine zu nahe tritt, verprügelt ihn Mario und rächt sich, indem er den Vertrag für die Schau an Marquant überschreibt. Der will zunächst die Schau schließen, bemerkt aber dann das Interesse des Publikums daran. Er söhnt sich mit Jeanne und Mario aus. Mit ihrem neuen Programm hat er wieder Erfolg auf dem Jahrmarkt.

Hintergrund

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An der Kamera stand Fritz Arno Wagner, für optische Spezialeffekte sorgten Lotte Reiniger und Berthold Bartosch. Als Standphotograph war Alex Strasser beschäftigt. Die Filmbauten stammten von Rochus Gliese und Arno Richter, Aufnahmeleiter war Heinz Heger. Für die Nachvertonung war als Tonmeister Richard Masseck engagiert. Die Produktionsleitung hatte Carl Koch.

Außenaufnahmen wurden in La Ciotat bei Marseille, Südfrankreich[5] gedreht, die Innenszenen im Grunewald-Atelier[6] in Berlin.

Die Filmmusik komponierte Theo Mackeben, den Liedtext für den Schlager „Treuloses Glück“, der während der animierten Silhouettensequenzen erklang und auch auf Grammophonplatten[7] erhältlich war, dichtete Karl Brüll.

Tondokumente:

  • Treuloses Glück. Slow-fox aus dem Tonfilm „Die Jagd nach dem Glück“ (Theo Mackeben – Karl Brüll) Ilja Livschakoff Tanz-Orchester. Grammophon 23 335 (mx. 2925 BR), aufgenommen im Juni 1930
  • Treuloses Glück, Fox Trot (Theo Mackeben) Theo Mackeben mit seinem Jazz-Orchester, mit Refraingesang: Ultraphon A 418 (mx. 10 823), aufgenommen in Berlin, März 1930[8]
  • Treuloses Glück, Fox Trot (Theo Mackeben) [als „Die Jagd nach dem Glück (Lied)“]: anon. Sänger auf WECO Tonbildpostkarte Nr. 149 mit Portraits von Theo Mackeben & Lotte Reiniger[9]

Der Film lag der Filmprüfstelle Berlin am 3. Mai 1930 zur Zensur vor. Die Uraufführung, die „mit allen Mitteln der Propaganda in Szene gesetzt“ war, wie Siegfried Kracauer vermerkte[10], fand am 27. Mai 1930 in Berlin im prächtigen „Marmorhaus“[11] statt.

In den Vereinigten Staaten lief der Film unter den Titeln Chasing Fortune und The Pursuit of Happiness. In Frankreich hieß er entweder La Chasse a la fortune oder La Chasse au bonheur[12].

Rezeption

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Das lang gehegte Wunschprojekt der Ehepaare Carl Koch/Lotte Reiniger und Jean Renoir/Catherine Heßling erwies sich leider als ein drastischer finanzieller Misserfolg, wofür man heute die nachträgliche Vertonung der eigentlich stumm konzipierten Schattenszenen verantwortlich macht. Der Film fand keinen Verleih in Deutschland[13]; nur in England wurde die Silhouetten-Trickfilmsequenz von der Londoner Film Society vorgeführt:[14]

Die Jagd nach dem Glück 1929/1930 – Spielfilm mit Silhouetten-Trickfilmsequenz – „Nach einer Idee von Lotte Reiniger und Alex Strasser“ – Manuskript und Regie: Lotte Reiniger, Carl Koch, Rochus Gliese – Kamera: Fritz Arno Wagner – Schattenspiele: Lotte Reiniger und Berthold Bartosch – Musik: Theo Mackeben – Liedtext: „Treuloses Glück“ – Produktion: Comenius-Film, Berlin – 18 Min., s/w.

Die Jagd nach dem Glück wurde im Mai 1930 nur ein Mal in Berlin öffentlich gezeigt. Der Filmkritiker Wolfgang Duncker rezensierte den Film als ‘Mersus’ in »Berlin am Morgen« vom 29. Mai 1930[15].

Die Schriftstellerin Thea Sternheim[16] notierte am 27. Mai 1930 in ihrem Tagebuch: „Abends mit Flechtheim in den Lotte Reinigerfilm DIE JAGD NACH DEM GLÜCK, (der Film) ist, bis endlich die rührenden Scherenschnitte Lotte Reinigers kommen, von gähnender Langeweile. Gegen diese Leere kann selbst der Charme einer Hessling nicht an.“[17]

Literatur

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  • Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen (Hrsg.): Mersus. Der Filmkritiker Wolfgang Duncker. (= Film & Schrift. Band 5). Verlag edition text + kritik, München 2007, ISBN 978-3-88377-860-0.
  • Ronald Bergan: Jean Renoir: projections of paradise. Overlook Press, 1994, ISBN 0-87951-537-6, S. 102. (englisch)
  • Eva Chrambach: Reiniger, Lotte. In: Neue Deutsche Biographie. Band 21, 2003, S. 370–371.
  • Raymond Durgnat: Jean Renoir. University of California Press, 1974, ISBN 0-520-02283-1.
  • Hartmut Engmann (Hrsg.): Filmmusik: Eine Dokumentation. Hrsg. anlässl. einer filmkundlichen Arbeitstagung am 14. u. 15. Sept. 1968 in Moers/Ndrh. Verlag Gielow, München 1968, DNB 456616543, S. 52.
  • Heinrich Fraenkel: Unsterblicher Film. Die grosse Chronik. Von der Laterna Magica bis zum Tonfilm. Kindler, Bildteil von Wilhelm Winckel. München 1956, S. 208, 300,406, 429.
  • Siegfried Kracauer, Ingrid Belke: Siegfried Kracauer, Werke Band 6: Kleine Schriften zum Film. 1932–1961. Herausgeber Inka Mülder-Bach. Verlag Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-58336-0.
  • Peer Moritz: Berthold Bartosch. In: CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film. edition Text+Kritik im Richard Boorberg Verlag, München 1984ff.
  • Jean Renoir: Renoir on Renoir. Interviews, Essays, and Remarks. Cambridge University Press, 1990, ISBN 0-521-38593-8. (englisch)
  • Hans Scheugl, Ernst Schmidt: Eine Subgeschichte des Films. (= Edition Suhrkamp. Band 471). Band 1, Verlag Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974, S. 191.
  • Christiane Schönfeld (Hrsg.): Practicing Modernity. Female Creativity in the Weimar Republic. Mitwirkung: Carmel Finnan. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3241-1, S. 174 f. (englisch)
  • Tübinger Blätter. Bände 68–72. Verlag: Bürger und Verkehrsverein Tübingen e. V., 1981, S. 86.
  • Manfred Weihermüller, Rainer E. Lotz (Hrsg.): Deutsche National-Discographie : Discographie der deutschen Kleinkunst. Band 4, Verlag B. Lotz, Bonn 1996, ISBN 3-9803461-6-1, S. 961.
  • Friedrich von Zglinicki: Der Weg des Films. Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer. Rembrandt Verlag, Berlin 1956, S. 23 f.
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Abbildungen

Einzelnachweise

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  1. Silhouetten-Animations-Sequenzen in Akt 3, Akt 9 und Akt 10. Carl Koch sagte am 15. Juli 1929 in einem Gespräch mit dem „Film-Kurier“ darüber: „Worauf es uns ankommt, ist im Rahmen einer stummen Handlung, unter Verwendung von Tricks, die Möglichkeiten des absoluten Films mit denen des Spielfilms zu kombinieren.“ (zit. nach cinegraph.de)
  2. White, 1931, zit. nach cinegraph.de
  3. „Dies hat dem Film offensichtlich mehr geschadet als genützt: Er wird – bis auf den Silhouettenspielteil – später nie mehr aufgeführt und gilt als verschollen“ (zit. nach cinegraph.de)
  4. so filmportal.de
  5. laut Carl Koch am 15. Juli 1929 in einem Gespräch mit dem „Film-Kurier“, zit. nach Peer Moritz, Artikel ‘Berthold Bartosch’, in CineGraph Lexikon
  6. Berlin, Am Königsweg 1 (später: 148), gegründet 1924. Vgl. cinegraph
  7. vgl. deutschlandradiokultur.de (Memento des Originals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandradiokultur.de
  8. vgl. dismarc.org
  9. vgl. Lotz-Liste, um 1930 (= RM.: 3,50)
  10. vgl. Kleine Schriften zum Film (3 v.), Seite 363
  11. vgl. Zglinicki S. 437 f.
  12. vgl. Durgnat S. 62, Renoir on Renoir S. 267
  13. dagegen gibt IMDb die »Deutscher Werkfilm GmbH.« als Verleih für Deutschland an
  14. Christel Strobel: Lotte Reiniger – Die Filmpionierin und ihre Scherenschnittfilme, bei lottereiniger.de
  15. vgl. Aurich-Jacobsen: Mersus, der Filmkritiker Wolfgang Duncker, hier S. 85
  16. geborene Bauer, 1883–1971, war in zweiter Ehe mit dem Dramatiker Carl Sternheim verheiratet
  17. zit. nach Peer Moritz, Artikel ‘Berthold Bartosch’, in CineGraph Lexikon