Bohren unter beschränkter lichter Höhe

häufiges Erfordernis im Spezialtiefbau

Bohren unter beschränkter lichter Höhe (englisch drilling under bounded height of overhead-clearance besser bekannt unter: englisch low-clearance drilling) – auch Bohren bei eingeschränkter Arbeitshöhe[Anm. 1] oder Bohren bei geringer Arbeitshöhe[Anm. 2] genannt – ist ein häufiges Erfordernis im Spezialtiefbau. „Lichte Höhe“ ist dabei ein Maß für den begrenzten, unvereinnahmten, in der Vertikalen benutzbaren Raum an Öffnungen, welche für das Bauwesen und für andere Bereiche relevant sind. Insbesondere im Verkehrsbauwesen, im Bergbau oder bei Gebäudesanierungen kann die Höhe des für die Arbeitsausführung zur Verfügung stehenden Raumes limitiert sein. Für Bohrungen unter Brücken, ebenso wie für Bohrungen für Brückenverankerungen[1], für Bohrungen in Tunneln und Stollen oder unter spannungsführenden Leitungen, aber auch innerhalb von Gebäuden wie zum Beispiel Industriehallen kommen deshalb spezielle Bohrverfahren zum Einsatz.

Bohrverfahren mit Bohrraupen Bearbeiten

 
Ein Drehbohrgerät-Raupenfahrzeug (weiß lackiert) unter dem „Newmarket-Viadukt“ in Auckland/Neuseeland.

Bei geometrisch beschränkten Platzverhältnissen eignen sich in der Regel Bohrraupen, weshalb Bohrraupen insbesondere beim Berg- und Tunnelbau und innerhalb von Gebäuden zum Einsatz kommen. Die anwendbaren Bohrverfahren sind Drehschlagbohren, Überlagerungsbohren, Aufschluss-[2] und Erkundungsbohrungen[3] (Kernlochbohrungen[4][5]) und Drehbohren[6]. Auch bei der Einbringung von Mikropfählen (Verpresspfählen) mit einem Durchmesser kleiner 0,3 Meter werden Bohrraupen eingesetzt. Zur Wand- und Gewölbestabilisierung bietet sich häufig auch der Einsatz eines Selbstbohrankers an. Typische Anwendungsfälle sind Nachgründungen von Gebäuden und Bauwerken aller Art bei z. B. Setzungsproblemen, Lasterhöhungen durch Gebäudeumnutzungen und Aufstockungen.

Kellybohrverfahren Bearbeiten

Das Kellybohrverfahren[7] ist ein Trockendrehbohrverfahren, für das ebenfalls Drehbohrgeräte mit geringer Bauhöhe verwendet werden können. Das Verfahren dient zur Herstellung von Bohrungen mit einem Durchmesser ab ca. 0,6 Meter bis 1,8 Meter. Angewandt wird es vor allem bei der Erstellung von Großbohrpfählen, Bohrungen für den Einbau von Stahlträgerprofilen und Stahlrohren, Bohrungen für Sand- und Kiespfähle, Bodenaustauschbohrungen und Brunnenbohrungen[8]. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass aufgrund des eingeschränkten Arbeitsraumes nur entsprechend kurzes Bohrwerkzeug eingesetzt werden kann.

 
Ein Drehbohrgerät-Raupenfahrzeug Soilmec SR-75 des Unternehmens Himmel & Papesch bei Pfahlarbeiten im Umspannwerk Lampertheim (Dtl.) beim Bohren unter lichter Höhe mit einem speziellen Ultra-Kurzmast und einem entsprechenden Kurzwerkzeug, um die erforderliche niedrige Arbeitshöhe zu gewährleisten.

Das innere Bohrgestänge, an dem das Bohrwerkzeug befestigt wird, die sogenannte Kellystange[9], ist teleskopierbar und ermöglicht auf diese Weise auch große Bohrtiefen. Geeignet ist das Kellybohrverfahren für nahezu alle Boden- und Felsarten. Sind Böden nicht ausreichend standfest oder droht Bodeneintrieb in die Bohrung aufgrund von Grundwasser[10][11], wird eine temporäre Verrohrung[12] oder eine anderweitige Bohrlochstützung notwendig. Diese Verrohrung wird sukzessive mit dem Bohrvorgang durch Aufsetzen von kurzen Rohrstücken verlängert und beim Ausbau der Bohrung, z. B. beim Betonieren, entsprechend zurückgebaut. Der maßgebende Leistungsfortschritt hängt daher von der effektiv zur Verfügung stehenden Arbeitshöhe ab sowie den sich daraus ergebenden Senk-Löse-Hebe-Vorgängen des Bohrwerkzeuges und den zugehörigen Kopplungszeiten der Bohrverrohrung.

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Der hier als Alternativbegriff angeführte Begriff Bohren bei eingeschränkter Arbeitshöhe wird von Heinrich-Otto Buja in der Fachliteratur verwendet. Vergl.: Heinrich-Otto Buja: Handbuch des Spezialtiefbaus: Geräte und Verfahren. 2., neu bearb. und wesentlich erw. Aufl., Werner Verlag, Düsseldorf 2001, ISBN 3-8041-4282-6, S. 232 f.
  2. Der hier angeführte Begriff "Bohren bei geringer Arbeitshöhe" wird ebenfalls von Heinrich-Otto Buja in der Fachliteratur verwendet. Vergl.: Heinrich-Otto Buja: Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik: Bohrtechnik in Grundlagen und Anwendung. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-8348-1278-0, S. 812 f.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Larry Trojak: Drilling inside a mouth: Tight quarters calls for low-clearance drilling unit on Golden Gate Bridge. In: Roads & Bridges (ISSN 8750-9229), Rubrik "Bridges", Bd. 41, (14. November 2003), S. ?.
  2. Heinrich-Otto Buja: Handbuch der Bohrtechnik: Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrverfahren; Grundlagen - Geräte - Anwendungen; [das Fachbuch für Studium und Praxis]. 2. Aufl., Books on Demand, Norderstedt 2014, ISBN 978-3-7357-3409-9, S. 359.
  3. Heinrich-Otto Buja: Handbuch der Bohrtechnik: Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrverfahren; Grundlagen - Geräte - Anwendungen; [das Fachbuch für Studium und Praxis]. 2. Aufl., Books on Demand, Norderstedt 2014, ISBN 978-3-7357-3409-9, S. 358 f.
  4. Heinrich-Otto Buja: Handbuch der Bohrtechnik: Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrverfahren; Grundlagen - Geräte - Anwendungen; [das Fachbuch für Studium und Praxis]. 2. Aufl., Books on Demand, Norderstedt 2014, ISBN 978-3-7357-3409-9, S. 432 ff.
  5. Markus Schönit, Peter Quasthoff: Kompendium Spezialtiefbau, Teil 1: Bohren: Verfahren, Geräte, Anwendungen, IT-Lösungen. Liebherr-Werk Nenzing GmbH (Herausgebende Körperschaft). Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 2019, ISBN 978-3-433-03279-4, S. 179.
  6. Heinrich-Otto Buja: Handbuch der Bohrtechnik: Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrverfahren; Grundlagen - Geräte - Anwendungen; [das Fachbuch für Studium und Praxis]. 2. Aufl., Books on Demand, Norderstedt 2014, ISBN 978-3-7357-3409-9, S. 160–165, 376–394, 423–457.
  7. Markus Schönit, Peter Quasthoff: Kompendium Spezialtiefbau, Teil 1: Bohren: Verfahren, Geräte, Anwendungen, IT-Lösungen. Liebherr-Werk Nenzing GmbH (Herausgebende Körperschaft). Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 2019, ISBN 978-3-433-03279-4, S. 13–58.
  8. Klaus F. Hudelmaier, Hartmut Küfner: Special deep foundation: methods and equipment: compendium. Liebherr-Werk Nenzing GmbH (Herausgebende Körperschaft). Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 2008, ISBN 978-3-433-02905-3.
  9. Markus Schönit, Peter Quasthoff: Kompendium Spezialtiefbau, Teil 1: Bohren: Verfahren, Geräte, Anwendungen, IT-Lösungen. Liebherr-Werk Nenzing GmbH (Herausgebende Körperschaft). Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 2019, ISBN 978-3-433-03279-4, S. 43 f., 73 f.
  10. Dieter Vogelsang: Grundwasser. Springer, Berlin, [ca. 2012]. Softcover Reprint of the hardcover 1st edition 1998, ISBN 978-3-642-64344-6, S. 79 f.
  11. Wolfgang Kinzelbach, Randolf Rausch: Grundwassermodellierung: Eine Einführung mit Übungen. Borntraeger, Berlin/Stuttgart 1995, ISBN 3-443-01032-6, S. 63–72, 129–268.
  12. Markus Schönit, Peter Quasthoff: Kompendium Spezialtiefbau, Teil 1: Bohren: Verfahren, Geräte, Anwendungen, IT-Lösungen. Liebherr-Werk Nenzing GmbH (Herausgebende Körperschaft). Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 2019, ISBN 978-3-433-03279-4, S. 201 ff.