Rüdesheimer Verband deutscher Burschenschaften

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Der Rüdesheimer Verband deutscher Burschenschaften (RVdB) war ein Korporationsverband von Studentenverbindungen. Ihm gehörten bis zu 37 Burschenschaften (Höchststand 1918) mit knapp 2.000 aktiven Mitgliedern (WS 1913/14) und über 3.300 Alten Herren (WS 1914/15) an. Die Mitgliedsverbindungen waren anfänglich nur an Technischen Hochschulen und Bergakademien beheimatet, später wurden auch Burschenschaften an Universitäten und Tierärztlichen Hochschulen aufgenommen. Er vereinigte sich 1919 mit der Deutschen Burschenschaft.

Geschichte Bearbeiten

Die Entstehung der technischen Burschenschaften Bearbeiten

Je nach dem Alter der Technischen Hochschulen traten burschenschaftliche Bestrebungen bereits in den frühen Jahren in Erscheinung. Bereits 1822 entstand eine Burschenschaft mit dem Namen Germania und den urburschenschaftlichen Farben Schwarz–Rot–Gold an der Bergakademie in Freiberg. In Karlsruhe wurde 1843 die Burschenschaft Teutonia und in Darmstadt eine Burschenschaft Germania gegründet. Auch in Braunschweig entstanden burschenschaftliche Verbindungen, wie die Alemannia und Teutonia (beide 1848) und die Burschenschaft Allemannia (1850), welche jedoch nur vorübergehenden Bestand hatten. Erst die dort 1861 gegründete Burschenschaft Germania konnte sich durchsetzen. Es folgten Gründungen 1861 in Dresden (Cheruscia) und 1866 in Stuttgart (Alemannia).

Die wenigen bis dato existierenden Burschenschaften an Technischen Hochschulen hatten zum Teil gegenseitige Beziehungen geknüpft oder pflegten Kontakte mit den Burschenschaften der Universitäten, wie beispielsweise die Karlsruher Burschenschaft Teutonia, die dem Norddeutschen Kartell angehörte. Mit der Gründung des Eisenacher Deputierten-Convents endeten die Beziehungen zu den Universitäts-Burschenschaften, da dieser Verband die Burschenschaften an Technischen Hochschulen nicht als gleichberechtigt anerkannte. Hauptgrund war die vermeintlich fehlende Vorbildung (Matura), welche den technischen Studenten vorgehalten wurde. Verschiedene Neugründungen ab den 1880er Jahren erweiterten dann den Kreis der technischen Burschenschaften. Vorerst kam es jedoch zu keinem größeren Zusammenschluss.

Der Niederwald Deputierten-Convent (NDC) Bearbeiten

Erst 1889, nachdem weitere Burschenschaften gegründet worden waren, wurde der Niederwald Deputierten-Convent als nichtmaturer Studentenverband ins Leben gerufen, welcher anfänglich acht Burschenschaften an technischen Hochschulen umfasste. Im November 1896, 16 Mitglieder stark, löste er sich aufgrund interner Meinungsunterschiede hinsichtlich der Einführung des Maturitätsprinzips wieder auf.

Der Binger Deputierten-Convent (BDC) Bearbeiten

Im Anschluss an die Auflösung des NDC wurde aus Reihen der das Maturitätsprinzip vertretenden Mehrheit der ehemaligen NDC-Mitglieder der Germania-Deputierten-Convent gegründet.[1] Kurze Zeit später in Binger Deputierten-Convent (BDC) umbenannt, trat er an die Stelle des NDC. Neben den sieben Gründungsburschenschaften konnte der BDC aber nur zwei weitere Burschenschaften an sich ziehen, darunter eine von der Bergakademie Freiberg (Glückauf).

Der Rüdesheimer Deputierten-Convent (RDC) Bearbeiten

 
Wappentafel der Mitgliedsburschenschaften des RDC.

Am 10. März 1900 vereinigten sich schließlich 19 Burschenschaften zum maturen Rüdesheimer Deputierten-Convent, nachdem sich die Gruppe des BDC tags zuvor aufgelöst hatte. Ein Jahr nach seiner Gründung erfolgte die halb-offizielle Anerkennung als burschenschaftlicher Verband durch den Allgemeinen Deputierten Convent (ab 1902: Deutsche Burschenschaft). Die Frage der Maturität blieb aber weiterhin aktuell und führte dazu, dass die Deutsche Burschenschaft 1905 die Anerkennung wieder entzog.

Der Rüdesheimer Verband deutscher Burschenschaften (RVdB) Bearbeiten

1905 erfolgte die Umbenennung in Rüdesheimer Verband deutscher Burschenschaften. Bereits ab 1904 konnten auch Burschenschaften von Universitäten und ab 1908 von Tierärztlichen Hochschulen in den ursprünglich technischen Akademikerverband eintreten.

Nachdem mit dem Druckereibesitzer und Karlsruher Teutonen Adolf Geck bei der Reichstagswahl 1907 erstmalig ein Burschenschafter für die SPD in den Reichstag eingezogen war, fürchteten die im RVdB vereinigten technischen Burschenschaften um ihr Ansehen und beschlossen die Unvereinbarkeit von SPD-Mitgliedschaft und Zugehörigkeit zu einer RVdB-Burschenschaft. Teutonia Karlsruhe weigerte sich jedoch, Adolf Geck auszuschließen. Auch aus den Altherrenschaften der Burschenschaften kam Widerspruch, was schließlich zur Auflösung des Verbandes der alten technischen Burschenschafter führte.[2]

Der Erste Weltkrieg und der einigende Nationalismus brachten Ingenieur und Universitätsabsolvent einander näher. Die Niederlage des Deutschen Reiches und die sich daraus ergebenden Folgen ließen das Trennende unter den Burschenschaften zurücktreten. Am 4. Januar 1919 schlossen sich Deutsche Burschenschaft und RVdB in Berlin zur Deutschen Burschenschaft zusammen. Das oberste Ziel des Technikerverbands – die Erringung der Gleichberechtigung – war erreicht.

Mitgliedsverbindungen Bearbeiten

Name Sitz Gründung Farben Bemerkung
Aachener Burschenschaft Alania Aachen 1876
blau-rot-gold
Aachener Burschenschaft Rheno-Germania Aachen 1906
schwarz-rot-gold
heute: Aachener Burschenschaft Teutonia
Aachener Burschenschaft Teutonia Aachen 1899
schwarz-rot-gold (v.u.)
Burschenschaft Baltia Berlin Berlin 1889
hellblau-weiß-dunkelblau
heute: Hannoversche Burschenschaft Ghibellinia-Leipzig
Berliner Burschenschaft Cimbria Berlin 1888
weiß-schwarz-rot-weiß
heute: nur Altherrenverband
Burschenschaft Marcomannia Berlin Berlin 1886
rot-silber-blau
heute: Vereinigte Berliner Burschenschaft Thuringia
Berliner Burschenschaft Rugia Berlin 1866
rot-schwarz (v.u.)
heute: nur Altherrenverband
Berliner Burschenschaft Teutonia Berlin 1887
grün-weiß-violett
heute: Berliner Burschenschaft der Märker
Braunschweiger Burschenschaft Alemannia Braunschweig 1850
schwarz-gold-rot
Braunschweiger Burschenschaft Germania Braunschweig 1861
schwarz-rot-gold
Braunschweiger Burschenschaft Thuringia Braunschweig 1868
grün-weiß-blau
Burschenschaft Cheruskia Breslau Breslau 1876
weiß-rot-schwarz
heute: Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks
Burschenschaft Gothia Charlottenburg Charlottenburg 1877
orange-weiß-schwarz
heute: Berliner Burschenschaft Gothia
Burschenschaft Thuringia Charlottenburg Charlottenburg 1875
moosgrün-weiß-blau
heute: Berliner Burschenschaft Gothia
Burschenschaft Schlägel und Eisen Clausthal 1890
schwarz-weiß-rot
Burschenschaft Germania Danzig Danzig 1904
schwarz-rot-gold
heute: Danziger Burschenschaft Alemannia zu Aachen
Burschenschaft Teutonia Danzig Danzig 1905
blau-gold-schwarz
heute: Danziger Burschenschaft Alemannia zu Aachen
Darmstädter Burschenschaft Frisia Darmstadt 1885
schwarz-weiß-hellblau
Darmstädter Burschenschaft Germania Darmstadt 1869
schwarz-rot-gold
Darmstädter Burschenschaft Markomannia Darmstadt 1895
schwarz-gold-rot
heute: Darmstädter Burschenschaft Rheno-Markomannia
Darmstädter Burschenschaft Rheno-Guestfalia Darmstadt 1894
weiß-grün-rot
heute: Darmstädter Burschenschaft Rheno-Markomannia
Burschenschaft Cheruscia Dresden Dresden 1861
schwarz-rot-gold
heute: Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia
Burschenschaft Cimbria Dresden Dresden 1901
schwarz-gold-rot
heute: Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia
Freiberger Burschenschaft Glückauf Freiberg 1875
schwarz-gold-rot
heute: Alte Freiberger Burschenschaft Glückauf zu Clausthal
Hannoversche Burschenschaft Arminia Hannover 1898
schwarz-rot-gold auf weiß
Hannoversche Burschenschaft Cimbria Hannover 1904
schwarz-gold-rot
heute: Hannoverschen Burschenschaft Germania
Hannoversche Burschenschaft Germania (TH) Hannover 1891
schwarz-rot-gold
an der Technischen Hochschule Hannover
Hannoversche Burschenschaft Germania (TiHo) Hannover 1874
schwarz-weiß-rot
an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, heute: Hannoversche Burschenschaft Alt-Germania
Burschenschaft Gothia Hannover Hannover 1902
grün-rot-gold
heute: Hannoversche Burschenschaft Teutonia
Karlsruher Burschenschaft Arminia Karlsruhe 1876
schwarz-gold-blau
Burschenschaft Germania Karlsruhe Karlsruhe 1877
schwarz-gold-rot
heute: Karlsruher Burschenschaft Teutonia
Karlsruher Burschenschaft Teutonia Karlsruhe 1843
rot-schwarz
Karlsruher Burschenschaft Tuiskonia Karlsruhe 1877
gold-weiß-violett
Burschenschaft Gothia München München 1896
gold-rot-schwarz-gold
heute: Münchener Burschenschaft Arminia-Rhenania
Burschenschaft Guelfia München München 1893
schwarz-rot-gold
heute: Münchener Burschenschaft Franco-Bavaria
Münchener Burschenschaft Stauffia München 1893
schwarz-weiß-rot auf gold
Burschenschaft Vandalia München München 1878
rosa-weiß-grün
heute: Münchener Burschenschaft Alemannia
Burschenschaft Alemannia Stuttgart Stuttgart 1866
schwarz-gold-rot
Stuttgarter Burschenschaft Ghibellinia Stuttgart 1862
blau-gold-rot
Burschenschaft Hilaritas Stuttgart 1873
rot-silber-schwarz
Stuttgarter Burschenschaft Ulmia Stuttgart 1881
schwarz-weiß-schwarz

v.u. = Farben von unten gelesen

Bekannte Burschenschafter des RVdB Bearbeiten

Couleurkarten Bearbeiten

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Albert Benz: Rüdesheimer Verband deutscher Burschenschaften, 4. Aufl. Frankfurt a. M. 1912.
  • Hugo Böttger (Hrsg.): Handbuch für den Deutschen Burschenschafter. Berlin 1912. S. 300–301.
  • Frank Grobe: Zirkel und Zahnrad. Ingenieure im bürgerlichen Emanzipationskampf um 1900. Die Geschichte der technischen Burschenschaft, in: Oldenhage, Klaus (Hrsg.), Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 17, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2009. ISBN 978-3-8253-5644-6.
  • Frank Grobe: Das technische Korporationshaus – Festung gegen die Moderne und Mittel zur Distinktion, in: Sigler, Sebastian: Sich stellen – und bestehen! Festschrift für Klaus Gerstein, Essen 2010, S. 241–256.
  • Frank Grobe: "Mit burschenschaftlichen Grüßen". Couleurkarten des Rüdesheimer Verbandes deutscher Burschenschaften, Essen 2011. ISBN 978-3-939413-16-5.
  • Karl Hensing: Handbuch für den deutschen N.D.C.-Burschenschafter, Leipzig 1896.
  • Karl Hensing: Handbuch für den deutschen R.D.C.-Burschenschafter, 2. Aufl. Leipzig 1901.
  • Karl Hensing: Handbuch für den Rüdesheimer Verband deutscher Burschenschaften, 3. Aufl. Leipzig 1907.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Niederwald-Deputierten-Konvent, in: Meyers Konversations-Lexikon, 5. Auflage, Band 18. Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien, 1898, S. 668.
  2. Franz Egon Rode: Die Universitätsburschenschaften im Kaiserreich. In: Christian Oppermann (Hrsg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 23, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2021, ISBN 978-3-8253-4727-7, S. 398–399