Levi selbst erklärte im Jahr 1976, alle seine Bücher seien in Paaren entstanden. Das periodische System, die Biografie eines anorganischen Chemikers, sollte ursprünglich einem zweiten Text gegenübergestellt werden, der das Handwerk eines organischen Chemikers beschreiben würde. Das Buch trug den Arbeitstitel Il doppio legame (die Doppelbindung), wurde jedoch nie fertiggestellt. Stattdessen entschied sich Levi, das periodische System mit La chiave a stella (deutsch Der Ringschlüssel) zu kombinieren, einer weiteren Sammlung von Kurztexten, die im Jahr 1978 erschien und einen Monteur zur Hauptfigur hat. Pierpaolo Antonello beschreibt die Paarung dieser beiden Texte als Diptychon, das von Levis Version des Homo faber handelt.[1]

Heinz Thoma und Hermann H. Wentzel sehen in Das periodische System den Versuch, unter Verwendung einer aus der Chemie geliehenen Systematik „Ordnung in das Chaos erinnerten Erlebens zu bringen.“[2] Dabei bestünden Parallelen zum Roman Die unsichtbaren Städte von Levis Freund Italo Calvino, der ebenfalls einen naturwissenschaftlichen Hintergrund hat. Auch nach dem Niedergang des italienischen Neorealismus halte Levi an der Aufgabe der Literatur fest, Sinn zu vermittelt, und stelle die Kommunikationsfähigkeit von Sprache nicht infrage.(müsste man noch erklären) Dadurch stehe er in einem Gegensatz zu Zeitgenossen wie Samuel Beckett, obwohl auch in seinem Werk die Absurdität eine Rolle spiele. Thoma und Wentzel sehen in Levi einen Erben von Aufklärung und Positivismus, der sich dem Verstehen von naturgesetzlichen Grundlagen des Erfahrenen verschrieben habe.[2]

Auch Barbara Kleiner betont in Kindlers Literatur Lexikon, Levi verschränke die wissenschaftliche Haltung des Chemikers mit der des Schriftstellers. Dabei beweise er, dass Beobachtung und Untersuchung, die in der Chemie unerlässlich seien, auch für den Schriftsteller zum Handwerkszeug gehörten.[3]

Catalina Botez betont, die Elemente Wissenschaft, Autobiografie und Fiktion stünden in Das periodische System gleichberechtigt nebeneinander. Im Zentrum des Textes stehe der Versuch, durch die Arbeit als Wissenschaftler einerseits und als Schriftsteller andererseits aus dem Schatten des Holocaust zu treten. Diese (wissenschaftliche wie intellektuelle) Arbeit selbst werde dabei als Möglichkeit dargestellt, menschliche Würde wiederherzustellen. Dabei sei es nur teilweise möglich, Autor, Erzähler und Protagonisten als ein und dieselbe Person zu sehen. Für Botez, die erzählerische und linguistische Kunstgriffe im periodischen System herausarbeitet, spielt die Fiktionalisierung der Erinnerung eine entscheidende Rolle.[4]

Auch für didaktische Zwecke kam Das periodische System schon zum Einsatz: An der Universidade de São Paulo diente das Kapitel Kalium als Grundlage für Aufgaben, die Chemiestudenten im ersten Semester gestellt wurden. Die Dozenten kamen zu dem Schluss, dabei seien erfolreich Schwierigkeiten und falsche Annahmen bei den Studenten aufgedeckt worden.[5]

  1. Pierpaolo Antonello: Primo Levi and ‘man as maker’, in: Robert S. C. Gordon (Hrsg.), The Cambridge Companion to Primo Levi, Cambridge University Press: Cambridge (2007), S. 89 f.
  2. a b Heinz Thoma und Hermann H. Wentzel: Novecento, in: Volker Knapp (Hrsg.), Italienische Literaturgeschichte, Metzler: Stuttgart, Weimar (1992), S. 364
  3. Barbara Kleiner: Il sistema periodico, in: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Kindlers Literatur Lexikon, 3. Auflage, Bd. 10, Metzler: Stuttgart, Weimar (2009), S. 82
  4. Catalina Botez: Contiguous spaces of remembrance in identity writing: chemistry, fiction and the autobiographic question in Primo Levi's The Periodic Table, in: European Review of History: Revue européenne d'histoire, Volume 19, 2012 – Issue 5: The politics of contested narratives: biographical approaches to modern European history, pp. 711–727
  5. Viktoria Klara Lakatos Osorio, Peter Wilhelm Tiedemann, Paulo Alves Porto: Primo Levi and the Periodic Table: Teaching Chemistry Using A Literary Text, in: Journal of Chemical Education, 2007, Vol.84(5), pp .775-778