Kitty Marion (um 1913)

Kitty Marion (geboren am 12. März 1871 als Katherina Maria Schäfer in Rietberg; gestorben am 9. Oktober 1944 in New York) war eine deutsche Schauspielerin und Frauenrechtsaktivistin. Sie wirkte hauptsächlich in Großbritannien, wo sie dem radikalsten Flügel der Suffragetten-Bewegung angehörte, und in den USA, wo sie sich für das für das Recht auf selbstbestimmte Familienplanung einsetzte. Sie war Mitbegründerin der American Birth Control League, die später zur Organisation Planned Parenthood wurde.

Katherina Maria Schäfer war die Tochter von Lena und Gustav Schäfer. Sie wurde in Rietberg bei Gütersloh geboren. Ihre Mutter starb, als sie zwei Jahre alt war. Ihr Vater zog daraufhin mit seiner Tochter nach Dortmund, wo er erneut heiratete. Ihre Stiefmutter starb bei der Geburt ihres ersten Kindes. Als Katharina Schäfer 15 Jahre alt war, floh sie vor der physischen und psychischen Gewalt ihres Vaters und wandte sich an ihren Onkel. Auf dessen Betreiben verließ Deutschland im Jahr 1886 und zog nach London, wo ihre Tante mit ihrem Ehemann und ihren fünf Kindern lebte.[1] Dort lernte sie im Selbststudium Englisch und begann noch im selben Jahr eine Ausbildung als Varieté-Tänzerin. Ihr erstes Engagement im Theatre Royal in Glasgow im Jahr 1889 war der Beginn ihrer Karriere als Schauspielerin und Sängerin. Sie verließ die Familie ihrer Tante, die den Beruf für unangemessen hielt, und nahm den Künstlernamen Kitty Marion an.[1][2]

Sie engagierte sich ab 1908 in der Women’s Social and Political Union und trat ein Jahr später in die gerade gegründete Actresses’ Franchise League ein. 1909 wurde sie zum ersten Mal wegen ihrer Teilnahme an militanten Protestaktionen für das Frauenwahlrecht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Im Gefängnis trat sie in den Hungerstreik und wurde zwangsernährt. Sie wurde noch zu zahlreichen weiteren Gefägnisstrafen veurteilt und wiederholt zwangsernährt, später auch unter dem Cat and Mouse Act freigelassen.[2]

Als der Erste Weltkrieg begann und die Women’s Social and Political Union ihren Aktivismus für das Frauenwahlrecht einstellte, um sich der Unterstützung des Krieges zu widmen, war Kitty Marion enttäuscht. Sie fürchtete außerdem, wegen ihrer deutschen Herkunft als feindliche Spionin verdächtigt oder wegen ihrer zahlreichen Straftaten nach Deutschland ausgewiesen zu werden. Deshalb zog sie im Oktober 1914 in die USA. Dort lernte sie die Aktivistin Margaret Sanger kennen. Mit ihr engagierte sich Kitty Marion für das Recht auf selbstbestimmte Familienplanung und war maßgeblich an der Einrichtung der ersten Klinik für Familienplanung und Geburtenkontrolle in den USA beteiligt.[2] 1930 kehrte sie kurzzeitig nach England zurück, entschloss sich aber schließlich, dauerhaft nach New York zu ziehen, und nahm die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an.[2][1] Sie starb im Alter von 73 Jahren im Margaret Sanger Home.[2]

Rezeption

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Kitty Marions Leben findet in vielen Darstellungen der Suffragetten-Bewegung keine Beachtung. Die Historikerin Fern Riddell führt dies darauf zurück, dass die Geschichte der Suffragetten lange Zeit beschönigend dargestellt wurde und die gewalttätigen Aspekte der Bewegung und damit auch ihre radikalsten Vertreterinnen ausgeblendet wurden.[3] Diese Sichtweise basiert den Forschungen von Laura E. Nym Mayhall zufolge auf den Darstellungen einiger ehemaliger Suffragetten, die in den 1920er und -30er Jahren in ihren Veröffentlichungen bewusst ein idealisierendes Bild der Bewegung zeichneten.[4] Die konservative Frauenbewegung habe außerdem Aktivistinnen, die sich offen für das Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität einsetzen, bewusst missachtet.[1] So wurde Kitty Marions Nachlass nicht in die Suffragette Fellowship Collection aufgenommen, die sich heute im Museum of London befindet und die Grundlage für die meisten Forschungsprojekten zur Geschichte der Suffragetten war,[4] obwohl sich Marion in ihren letzten Lebensjahren daran arbeitete, ihre Aufzeichnungen über ihre Erlebnisse für die Nachwelt zu sichern.[1][3]

2018 erschien Riddells Monografie über Kitty Marion. Darin charakterisiert sie Kitty Marion als eine Vorreiterin des sexpositiven Feminismus;[1] diese Darstellung blieb allerdings nicht unwidersprochen.[5]

Kitty Marions Autobiografie deckt ihr Leben von ihrer Kindheit bis ins Jahr 1934 ab. In den folgenden Jahren bemühte sich Marion vergeblich um eine Veröffentlichung, es wurden aber drei Exemplare ihres Manuskripts überliefert.[1] 2019 wird die Autobiografie erstmals als Buch erscheinen, herausgegeben von Viv Gardner und Diane Atkinson.

Literatur

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Commons: Mushushu/Kitty Marion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g Fern Riddell: Death in Ten Minutes. Kitty Marion – Activist, Arsonist, Suffragette. Hodder & Stoughton, London 2018, ISBN 978-1-4736-6618-4.
  2. a b c d e Elizabeth Crawford: The Women’s Suffrage Movement. A Reference Guide 1866–1928. Routledge, London 2000, ISBN 978-0-4152-3926-4, S. 376–379.
  3. a b Fern Riddell: Sanitising the Suffragettes. Why is it so easy to forget an unsavoury aspect of Britain’s recent past? In: History Today. Februar 2018, S. 8–11.
  4. a b Laura E. Nym Mayhall: Creating the “Suffragette Spirit”. British Feminism and the Historical Imagination. In: Women’s History Review. Band 4, 3 , 1995, S. 319. 331–332.
  5. Sarah Ditum: Kitty Marion: too radical even for the suffragettes. In: The Spectator. 28. April 2018, abgerufen am 19. Januar 2019 (englisch).

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