Johann August Heinrich Ulrich (* 16. April 1746 in Rudolstadt; † 4. Februar 1813 in Jena) war ein deutscher Philosoph. Er entwickelte u.a. eine Theorie des menschlichen Handelns mit Bezug auf die physische Organisation des Menschen.

Universität Jena 1848

Seit der nachreformatorischen Zeit war die Jenaer Universität mit den Bürgern ihrer Stadt eng verbunden. Die Bürger erwarteten von ihrer Universität Lehrer, die im Interesse der Ausbildung ihrer Söhne dem neuen protestantischen Denken im Sinne des Augsburger Bekenntnisses Geltung in allen Bereichen verschafften. Es wurde zur Tradition, dass Bürgerstöchter Professoren ehelichten. Ferner waren Professoren gesuchte Paten für die Kinder dieser Familien. Die Paulsen-Familie besaß zu dieser Zeit das Recht, Bürgermeister zu stellen. Ulrich heiratete eine Tochter des Bürgermeisters Johann Heinrich Paulsen. In dieser Ehe wurden eine Reihe von Kindern geboren. Zwei seiner Söhne waren Kaufleute.[1]

Ulrich lehrte als Professor der Philosophie lebenslang an der Universität Jena. Er begann 1767 als Privatdozent, wurde 1776 ordentlicher Honorarprofessor und 1783 ordentlicher Professor für Moral und Politik. 1792 war er Prorektor an der Jenaer Universität und nahm in den handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen studentischen Befürwortern und Gegnern geheimer unabhängiger Studentenvereinigungen, den Studentenorden, Partei für die Befürworter. Eine Handvoll Gegner demolierte Ulrichs Gartenhaus. In dieser Zeit stand er im brieflichen Kontakt mit Goethe, der in seiner Tätigkeit als Geheimrat der Regierung in Weimar für die Vollstreckung von Maßnahmen zur Zerschlagung der Studentenorden zuständig war. 1801 war Ulrich mit Schelling Mitglied der Kommission, vor der sich Hegel habilitierte. Während des Sommersemesters 1810 hatte Ulrich das Amt des Rektors inne.[2]

Er vertrat Leibniz nahe stehende anthropologische Auffassungen. Dazu veröffentlichte er in Jena Notio certitudinis magis evoluta et ad praescientiam futurorum contingentium – accommodata P. I-III (1766–67). Er beschäftigte sich ferner mit wissenschaftstheoretischen und ausbildungsrelevanten Fragen der Philosophie in seinen Veröffentlichungen Von der Beschaffenheit und dem Nutzen einer Encyklopädie in den Wissenschaften (Jena 1769) und in seinem zweibändigen Werk Erster Umriß einer Anleitung in den philosophischen Wissenschaften (Jena 1772–76). Schließlich diskutierte er in seiner Schrift Initia philosophiae iusti (Jena 1781) Wolff’sche Auffassungen zu wissenschaftlichen Grundlagen der Philosophie und Rechtsgrundsätze.

In seinen Institutiones Logicae et Metaphysicae (Jena 1785) erläuterte Ulrich Möglichkeiten, sowohl kantische als auch leibnizsche Sichtweisen so zu verbinden, dass ontologische Sichten keine Rolle mehr spielten. In den folgenden Jahren vertrat er, sowohl in seinen Vorlesungen als auch in seinen Schriften Eleutheriologie oder über Freiheit und Nothwendigkeit (Jena 1788) und seiner Einleitung zur Moral (Jena 1789), die Auffassung, dass deterministische Sichten unvermeidlich seien und erläuterte, wie diese sich mit der Freiheit des Menschen vereinbaren ließen. Diese Zusammenschau von naturgegebenen menschlichen Bedingungen und Entscheidungsfreiheit bezeichnet man als kompatibilistisch. Er setzte sich so deutlich von Kant ab.[3]

Aspekte seiner Philosophie

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holistisch und sensualistisch

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Freiheit und Determination waren für viele Philosophen seit Beginn der Neuzeit unvereinbar. Geist bzw. Vernunft galten mehrheitlich als die Kraft bzw. Potenz mit der Menschen ihr Handeln und ihren Körper steuern können. Jeder Philosoph, der andere steuernde Ursachen annahm, wurde aus dieser Sicht als Determinist bezeichnet. Ulrichs Determinismus bezog sich im Wesentlichen auf sensualistische und holistische Sichtweisen. Reflektieren, wahrnehmen, vorstellen, empfinden, handeln betrachtete er als Phänomene der leibseelischen Einheit Mensch. Körperliche Empfindungen, meinte er, riefen Vorstellungen, Ideen und Handeln hervor und bestimmten so, was dem Menschen zum Denken und Entscheiden bleibe.[4] Die Anregung zu diesem Gedanken stammte von Leibniz. Vergleichbares findet sich bei Condillac, Hume, Helvetius und Lossius.

Die umfassende Darstellung seiner Gedanken in der Eleutheriologie bezeichnete Ulrich als "die wichtigsten und umgreifendsten Lehrstücke der Philosophie".[5] Er verknüpfte sie mit einer kritischen Darstellung grundlegend anderer Kantischer Auffassungen. Bereits in seinen Institutiones Logicae et Metaphysicae hatte er angemerkt, dass es den von Kant postulierten reinen Anschauungsformen von Raum und Zeit sowie den zeitlosen Kategorien an einer nachvollziehbaren Basis fehle. Kant habe die zu beweisenden Formen und Kategorien immer schon vorausgesetzt, während er behauptet habe, sie herzuleiten.[6] Damit sprach er ein Grundproblem apriorischer Beweisverfahren an, das auch der schottische Philosoph David Hume 1739 in seiner Abhandlung über die menschliche Natur erörtert hatte.

 
Parameter des Handelns, wie sie Ulrich in seiner Eleutheriologie beschreibt. Sie stellen eine Art Lebensprogramm dar. Werden diese Tätigkeiten regelmäßig gepflegt, können Menschen ihr Handeln kontinuierlich weiterentwickeln und verbessern.

In seiner Eleutheriologie ergänzte Ulrich seine Kritik an Kant u.a. in pragmatischer Hinsicht. Er wies darauf hin, dass Menschen unter zeitlichen und sich stets verändernden Bedingungen handelten. Zeitlos gültige und unveränderliche Kategorien seien daher empirisch weder fassbar noch anwendbar. Eine gesunde Vernunft sollte aber nützliche Anregungen zu gemeinschaftsstiftendem Handeln, d.h. zur Sittlichkeit geben können. Ulrich ging deshalb von Erfahrungen und Beobachtungen aus.

Dabei ergab sich für ihn, dass die physische Organisation des Menschen die notwendigen Anregungen zur Entwicklung einer akzeptablen Sittlichkeit gäbe. Menschen orientierten sich handelnd an eigenen Idealen. Diese Ideale entstünden durch Erlebnisse. Sie seien also sinnlichen Ursprunges, wie alles, was wir uns vorstellen und denken. Sie seien ferner mit angenehmen Empfindungen verbunden. Diese positiven Empfindungen bewirkten das Interesse an den eigenen Idealen und damit an der eigenen Weiterentwicklung.[7]

evolutionär

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Ferner könne man philosophierend nicht darüber hinweggehen, dass gemeinschaftsstiftendes Handeln sich im Laufe des menschlichen Lebens erst entwickle. In diesem Zusammenhang bezeichnete Ulrich Kant als Neutrum, der diesem Sachverhalt nirgendwo in seinen beiden ersten Kritiken Rechnung getragen habe. Aus den eigenen Idealen und nicht von ewigen Kategorien her entstehe ein hypothetisches Sollen, dem ein Wollen entspräche, sich stetig zu verbessern. Diese Verbesserung könne jeder Mensch eigenständig erreichen, wenn er es sich zur Gewohnheit machte, über sein Handeln nachzudenken, an seiner Gesinnung zu arbeiten und sich aufmerksam den Dingen und Menschen zuwende, mit denen er es zu tun habe. Kenntnisse und Fähigkeiten zu vervollständigen, gehörte ebenfalls dazu. Auf diese Weise vorbereitet, könnte der Mensch seine Entscheidungsfreiheit so gut wie möglich ausüben.

Im Laufe des Lebens entstehe so die Leichtigkeit des Handelns. Indeterministen müssten dagegen ihr Leben lang einen hohen Kraftaufwand betreiben. Das, was ein Determinist zusammen mit seiner physischen Organisation entwickle, ermögliche es ihm, sich zuverlässiger auf sittliche Vorschriften einzulassen, als Menschen die mit Kraftaufwand Normenbefolgten.[8] Da die Verbesserung seines Handelns für einen Deterministen im eigenem Interesse liege, erfülle sich damit auch der Wunsch nach Freiheit. Denn er könne Entscheidungen treffen, die in jedem Augenblick so gut sein könnten, wie es ihm im Hinblick auf die eigene Lebensgeschichte und des bisher Gelernten möglich sei.[4]


Deterministen seien sich darüber im Klaren, dass die Verbesserung der eigenen Sittlichkeit eine lebenslange Aufgabe sei, mit der sie nie fertig werden. Beschuldigung und Tadel seien hier überflüssig.[9] Auch den Feind Fehler gäbe es nicht mehr, denn: Kein Mensch kan, wenn wir seinen ganzen inneren und ausern Zustand bis auf den ersten Keim verfolgen, schon jezt anders, vollkommener, weiter seyn, als er ist.[10]

Reaktionen

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Mit Ulrichs gesunder Vernunft hat die Vernunftlehre Kants nichts zu tun. Kant ging von unveränderlichen, zeitlosen Kategorien und einer spekulativen Freiheitstheorie aus. Ulrichs Vernunft bezeichnete die Fähigkeit des Menschen eigenes veränderliches Tun zu reflektieren und Schlussfolgerungen zu ziehen. Seine Freiheitsvorstellung bestand in der Fähigkeit gemäß eigenen Idealen zu entscheiden. Im Hinblick auf die Kantsche Vernunftlehre ergab sich für Ulrich die Frage: Wie soll der Mensch angesichts des Unterschiedes zwischen Erfahrung und den zeitlos gültigen Kategorien der Vernunft, dem Intelligiblen diese umsetzen? Der Königsberger antwortete auf eine entsprechende schriftliche Anfrage Ulrichs nicht.[11]

Erst als eine Rezension zu Ulrichs Institutiones Logicae et Metaphysicae erschienen war, nahm Kant Stellung. Er halte das Problem des Herrn Ulrich für ein marginales Problem. Seine Vernunftlehre stehe fest auf ihren Kategorien, die die letzten Gründe unseres menschlichen Handelns und Denkens erklärten und Sittlichkeit ermöglichten. Schwierigkeiten bei der Umsetzung seiner Theorie, könnten diese nicht in Frage stellen.[12]

Der Königsberger Philosoph und Staatswissenschaftler Christian Jakob Kraus, der mit Kant jahrelang freundschaftlichen Kontakt hatte, schrieb eine Rezension zur Eleutheriologie. Kant stellte Kraus dafür eigene Manuskripte zur Verfügung. Die Verbindung des Physischen mit dem Moralischen bzw. der Vernunft, sei ein unlösbares Problem, meinte er auf die Fragestellung Ulrichs nach der Umsetzung der ewigen Kategorien. Die Schlussfolgerungen die Ulrich ziehe, gingen allerdings am Thema vorbei. Sich an physischen Notwendigkeiten zu orientieren, bedeute die Aufgabe jeder Sittlichkeit. Außerdem sei es ausgeschlossen, dass Menschen Urheber ihrer eigenen Sittlichkeit sein könnten.[13]

  • Notio certitudinis magis evoluta et ad praescientiam futurorum contingentium – accommodata P. I-III. Jena 1766–67.
  • Von der Beschaffenheit und dem Nutzen eines so genannten Cursus oder Encyclopädie in den Wißenschafften und insbesondere in der Weltweißheit. Eine Einladungsschrifft zu einem philosophl. Cursus über Feders Grundris der philosophischen Wissenschafften und seinen übrigen Wintervorlesungen. Jena (Cröker) 1769, 15.S.
  • Anleitung zu den philosophischen Wissenschaften. Jena (Gollner) 1772-1776.
  • Initia philosophiae iusti. Jena 1781
  • Institutiones Logicae et Metaphysicae. Jena 1785.
  • Eleutheriologie, oder über Freyheit und Nothwendigkeit. Jena 1788. Vollständig bei Google.
  • Einleitung zur Moral. Jena 1789.

Literatur

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  • Johannes Günther: Lebensskizzen der Professoren der Universität Jena seit 1558 bis 1858. Jena (Mauke) 1885, S.205.
  • Friedrich Nicolai (Hg.): Allgemeine deutsche Bibliothek, Band 87. Berlin&Stettin 1789, S.223ff.
  • Konstantin Pollok (Hg.): Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Hamburg (Meiner) 1997, S.129ff.
  • Martin Josef Schermaier: Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB. Wien&Köln&Weimar 2000, S.425ff.
  • Reinhard Brandt&Werner Stark: Neue Autographen und Dokumente zu Kants Leben, Schriften und Vorlesungen. Kantforschungen Band 1. Hamburg (Meiner) 1987, S.6ff.
  • Faustino Fabbianelli (Hg.): Karl Leonhard Reinhold. Beiträge zur Berichtigung bisheriger Missverständnisse der Philosophen. Band 2. Hamburg (Meiner) 2004, S.LVI ff.
  • Manfred Kühn: Eine Kant-Biografie. München (Beck) 2004, 5.Aufl., S.381.
  • George Di Giovanni: Freedom and religion in Kant and his immediate successors: the vocation of humankind. New York (Cambridge University Press) 2005, S.108ff.
  • Wundt, Max: Die Philosophie an der Universität Jena. In ihrem geschichtlichen Verlaufe dargestellt. Jena 1932.
  • Klaus Ries: Zwischen Universität und Stadt: Aspekte demographischer Entwicklung in Jena um 1800. 2004, S.63.

Einzelnachweise

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<references > 1. ^ Erich Maschke: Universität Jena. Köln (Böhlau) 1969, S. 55. und W. Daniel Wilson: Goethes Weimar und die Französische Revolution: Dokumente der Krisenjahre. Köln (Böhlau) 2004, S.18.

  1. Katja Deinhardt: Stapelstadt des Wissens: Jena als Universitätsstadt zwischen 1770 und 1830. Köln (Böhlau) 2007.
  2. Erich Maschke: Universität Jena. Köln (Böhlau) 1969, S. 55. und W. Daniel Wilson: Goethes Weimar und die Französische Revolution: Dokumente der Krisenjahre. Köln (Böhlau) 2004, S.18.
  3. Max Heinze: Ulrich, Johann August Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 39, Duncker & Humblot, Leipzig 1895, S. 258 f.
  4. a b Eleutheriologie, S. 54ff.
  5. Eleutheriologie, S. 21.
  6. Vgl. dazu auch Georg Eckardt, Matthias John, Temilo van Zantwijk, Paul Ziche : Anthropologie und empirische Psychologie um 1800: Ansätze einer Entwicklung zur Wissenschaft. Köln (Böhlau) 2001, S.59-61.
  7. Eleutheriologie, S.44ff.
  8. Eleutheriologie, S. 101ff.
  9. Eleutheriologie, S. 76ff.
  10. Eleutheriologie, S.63.
  11. Akademieausgabe von Kants gesammelten Werken Ulrich an Kant am 21.4.1785, Bd. X, S.402ff.
  12. Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften. In: Akademieausgabe von Kants gesammelten Werken, Bd. IV, S. 474/6.
  13. Akademieausgabe von Kants gesammelten Werken, Christian Jakob Kraus: Rezension zu Ulrichs 'Eleutheriologie', Bd. VIII, S. 451ff.


Stoffsammlung für Veränderungen und Ergänzungen

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SS 1810 Johann August Heinrich Ulrich Rektor an der Uni Jena http://www.uni-jena.de/unijenamedia/Downloads/einrichtungen/archiv/Rektorentabelle.pdf Hat sich als Prorektor 1792 während eines Studentenaufruhrs in der Antiduellbewegung für die Studenten eingesetzt. W. Daniel Wilson: Goethes Weimar und die Französische Revolution: Dokumente der Krisenjahre. Köln (Böhlau) 2004, S.18. "war 1776 ordentlicher Honorarprofessor und 1783 ordentlicher Professor für Moral und Politik geworden." Erich Maschke: Universität Jena. Böhlau 1969, S. 55. 1767 Privatdozent in Jena, 1783 Prof. der Moral und Politik; als Mitglied der philos. Fakultät bei Hegels Habilitation mitwirkend.Günther Nicolin: Hegel in Berichten seiner Zeitgenossen. Hamburg (Meiner) 1970, S. 580.

  • Johann August Heinrich Ulrichs Anleitung zu den philosophischen Wissenschaften: Vernunftlehre, Grundwissenschaft und natürliche Theologie, Band 1, Jena (Gollner) 1772 - 501 Seiten
  • Ulrich, Johann August Heinrich: Übersetzung von Denina, Carlo: Bibliopoeie, oder: Anweisung für Schriftsteller. Berlin ; Stralsund: Lange, 1783
  • Johann August Heinrich Ulrich: Eleutheriologie oder über Freyheit und Nothwendigkeit. Jena (Cröker) 1788, 106S.


Reinhard Brandt,Werner Stark: Neue Autographen und Dokumente zu Kants Leben, Schriften und Vorlesungen. Hamburg (Meiner) 1987, S. 6. Ulrichs Kritik an Kant entzündet sich an den Kategorien: Ist deren Herleitung nicht cirkulär? d.h. man fängt damit an und kommt damit heraus. Denkbar wäre auch, dass die Erscheinungen, eine bloße Folge von Vorstellungen sind, die keinen realen Zusammenhang haben, die prästabiliert durch göttlichen Willen bzw. physische Zusammenhänge? Diese Gedanken veröffentlichtete Ulrich in seiner Schrift Institutiones logicae et metaphysicae. Jena 1785.

Statt Theorie, dass Vernunft den Menschen steure: Verbesserung der praktischen Erkenntnisse (Hinsehen), Wahrnehmen von Anlässen, sich unterrichten, Erfahrung nutzen, Reflexion, Aufmerksamkeit. All dies "...von tausenderley Umstände abhange, die in der gesammelten Verknüpfung (der physischen Ursachen) liegen."

"Was wäre nun, wenn alles Sittliche zuletzt sich auf etwas Physisches zurückbringen ließe?" (181) "Der Mensch soll anders oder besser werden als er ist, auch kann er es werden. Nur kein Mensch kann jetzt schon anders oder besser sein, als er ist." (ebd.)Rezension des Staatswirtschaftler, Philosoph, öffentl. Lehrer in Königsberg, Kraus, Christian Jakob (1753-1807): Jena, in der Crökerschen Buchh. : Eleutheriologie oder über Freyheit und Nothwendigkeit, von Johann August Heinrich Ulrich. Zum Gebrauch der Vorlesungen in den Michaelsferien. 1788. 7 1/2 B. 8° (6 gr.) Allgemeine Literaturzeitung Nr. 100 25.4.1788. S.177-184. Kraus traf sich einige Jahre mit Kant zum Mittagessen.

Friedrich Nicolai (Hg.) Allgemeine deutsche Bibliothek, Band 87, S.223-230: Rezension von Johannes Schulz über Eleutheriologie oder über Freyheit und Nothwendigkeit, von Johann August Heinrich Ulrich. (Der Autor nennt sie eine "kleine unschätzbare Schrift". Briefwechsel zwischen Kant und Ulrich wird erwähnt in Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Hamburg (Meiner) 1997, S.129f. zwischen Goethe und Ulrich wird erwähnt in: H. Böhlau,Goethes werke , Teil 4,Band 15, S.113.

An Leibniz könnte ihn im Hinblick auf seine eigene physistisch geprägte Einstellung der Gedanke der "Geschlossenheit und strengen Gesetzlichkeit des Naturgeschehens" gefallen haben, mit dem Ulrich sich dann den Vorwurf Kraus' zuzog, Determinist zu sein. "Die prästabilierte Harmonie gilt nun auch für das Verhältnis von Leib und Seele. Die organischen Körper sind bis in ihre kleinsten Teilchen organisch; die Organismen sind »natürliche Automaten«, »göttliche Maschinen«, deren kleinste Teile noch Maschinen sind." (Eisler, Philosophenlexikon)

Anknüpfungspunkte für Wolff: Die Philosophie ist ihrer Methode nach Begründung der Dinge durch »vernünftige Gedanken«, … Sie ist inhaltlich die »Wissenschaft aller möglichen Dinge, wie und warum sie möglich sind« (»scientia possibilium, quatenus esse possunt«; »scientia eorum quae sunt vel fiunt, quorumque ratio reddi potest«), … Die Logik ...hilft uns dazu, daß wir die Kräfte des menschlichen Verstandes und ihren rechten Gebrauch in Erkenntnis der Wahrheit erkennen lernen. An der Spitze alles Denkens steht als oberstes Denkgesetz der Satz des Widerspruches (»es kann etwas nicht zugleich sein und auch nicht sein«). Aus ihm leitet W. den Satz des zureichenden Grundes (»alles, was ist, hat seinen zureichenden Grund, warum es vielmehr ist als nicht ist«) ab; indem er meint: »Da... unmöglich ist, daß aus nichts etwas werden kann, so muß auch alles, was ist, seinen zureichenden Grund haben, warum es ist.«  … Was einem Dinge erst in Hinsicht auf ein anderes zukommt, ist eine Relation, und diese fügt dem Dinge selbst keine neue Wirklichkeit hinzu (»relatio nullam enti realitatem superaddit«), hat aber in den Dingen (den »Relaten«) ein »Fundament«. … Der Raum ist die »Ordnung der Dinge, die zugleich sind« (»ordo simultaneorum, quatenus scilicet coëxistunt«). Die Zeit ist die »Ordnung dessen, was aufeinander folget« (»ordo suecessivorum in serie continua«). Das Zusammengesetzte besteht aus Einfachem, und dieses ist unausgedehnt, ohne Gestalt und Größe, unteilbar. Die Welt ist die Reihe von endlichen Dingen und Vorgängen, die insgesamt miteinander verknüpft sind. Die Welt ist als Ganzes kontingent, logisch zufällig, sie ist nur so, weil Gott sie so geschaffen hat, nicht durch sich selbst notwendig. … Die »prästabilierte Harmonie« Leibniz' ist als Hypothese nicht unmöglich, [Eisler: Philosophenlexikon.]

  • Notio certitudinis magis evoluta et ad praescientiam futurorum contingentium – accommodata P. I-III. Jena 1766–67.
  • Von der Beschaffenheit und dem Nutzen eines so genannten Cursus oder Encyclopädie in den Wißenschafften und insbesondere in der Weltweißheit. Eine Einladungsschrifft zu einem philosophl. Cursus über Feders Grundris der philosophischen Wissenschafften und seinen übrigen Wintervorlesungen. Jena (Cröker) 1769, 15.S.
  • Anleitung zu den philosophischen Wissenschaften: Vernunftlehre, Grundwissenschaft und natürliche Theologie, Band 1. Jean (Gollner) 1772.
  • Initia philosophiae iusti. Jena 1781
  • Eleutheriologie, oder über Freyheit und Nothwendigkeit. Jena 1788. Vollständig bei Google.
  • Einleitung zur Moral. Jena 1789
  • Institutiones Logicae et Metaphysicae. Jena 1792.

Literatur

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  • Johannes Günther: Lebensskizzen der Professoren der Universität Jena seit 1558 bis 1858. Jena (Mauke) 1885, S.205.
  • Friedrich Nicolai (Hg.): Allgemeine deutsche Bibliothek, Band 87. Berlin&Stettin 1789, S.223ff.
  • Konstantin Pollok (Hg.): Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Hamburg (Meiner) 1997, S.129ff.
  • Martin Josef Schermaier: Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums von den Glossatoren bis zum BGB. Wien&Köln&Weimar 2000, S.425ff.
  • Reinhard Brandt&Werner Stark: Neue Autographen und Dokumente zu Kants Leben, Schriften und Vorlesungen. Kantforschungen Band 1. Hamburg (Meiner) 1987, S.6ff.
  • Faustino Fabbianelli (Hg.): Karl Leonhard Reinhold.Beiträge zur Berichtigung bisheriger Missverständnisse der Philosophen. Band 2. Hamburg (Meiner) 2004, S.LVI ff.
  • Manfred Kühn: Eine Kant-Biografie. München (Beck) 2004, 5.Aufl., S.381.
  • George Di Giovanni: Freedom and religion in Kant and his immediate successors: the vocation of humankind. New York (Cambridge University Press) 2005, S.108ff.