Schreibintensive Lehre ist eine Form von Hochschullehre, in der akademisches oder wissenschaftliches Schreiben eine zentrale Rolle spielt. Ziel ist dabei nicht nur, das wissenschaftliche Schreiben zu lernen, sondern auch, durch Schreiben fachliches Wissen/fachliche Kompetenzen zu erwerben und Formen des fachlichen Denkens und Handelns zu erproben. Schreibintensive Lehre kann deswegen in allen Studienfächern eingesetzt werden.

Schreibintensive Lehre dient der fachlichen Sozialisation oder Enkulturation in die jeweilige Diskursgemeinschaft, die eine besondere Fachwissenschaft oder Disziplin sein kann. Deswegen spielen Schreibaktivitäten und -aufgaben, in denen und durch die fachliche Fragen, Probleme und Denk- und Handlungsweisen erschlossen und diskutiert werden, in ihr eine zentrale Rolle.

Definition Bearbeiten

Schreibintensive Lehre ist eine Lehr- oder Veranstaltungsform an Hochschulen, in der Schreiben als Mittel des Lernens, das heißt der Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten und Praktiken eingesetzt wird. Schreiben wird dabei nicht nur zur Vor- und Nachbereitung, sondern auch zur Arbeit in Lehrveranstaltungen selbst genutzt, insbesondere in Seminaren. Der Fokus liegt weniger auf fertigen Textprodukten (wie einer Hausarbeit) als auf Texten, die das Lernen fördern. Besonders geeignet sind solche Texte, die Praktiken und Standards wissenschaftlichen Arbeitens deutlich werden lassen. Die Studierenden erarbeiten durch das Schreiben inhaltliche Zusammenhänge, können die wechselseitige Bezogenheit von Inhalt, Text und Schreib- (und Lese-) Prozess erkennen und erweitern ihre Schreibkompetenzen bzw. wissenschaftlichen Praktiken.[1]

WAC Clearinghouse: "Without doubt, the single most important reason for assigning writing tasks in disciplinary courses is to introduce students to the thinking and writing of that discipline. Even though students read disciplinary texts and learn course material, until they practice the language of the discipline through writing, they are less likely to learn that language thoroughly."

Der Anglist John Bean hat mit seinem Buch Engaging Ideas zahlreiche Vorschläge gemacht, wie intellektuell anregende Schreibaufgaben in verschiedenen Fächern aussehen können.[2] Bean rät Lehrenden, critical thinking problems – interessante, komplexe und offene fachliche Fragestellungen – zu entwickeln, an denen Studierende authentisch arbeiten können. Diese Schreibaufgaben werden nach dem Prinzip des Constructive Alignment konzipiert, also beginnend bei den Lernzielen der Veranstaltung bzw. der abschließenden prüfungsrelevanten Schreibaufgabe, aus der die dieser vorgelagerten, kleineren Schreibaufgaben abgeleitet werden. Grundidee ist, dass spätere Schreibaufgaben sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die relevanten Kompetenzen auf vorhergehenden Schreibaufgaben aufbauen. Ein weiterer Fokus liegt auf authentischen Schreibkontexten, beispielsweise durch echte Genres (z.B. Forschungsartikel, Review, wissenschaftlicher Vortrag) und durch eine erweiterte Leserschaft (z.B. studentische Zeitschriften, studentische Symposien, Blogs).

Schreibintensive Lehre basiert außerdem wesentlich auf sogenanntem explorativem (erkundendem) Schreiben. Dieses umfasst Schreibtätigkeiten, die nicht dem Nachweis von Wissen oder Kompetenzen, sondern vielmehr dem Lernen, Erschließen und Verstehen neuer, komplexer Inhalte dienen. In der angloamerikanischen Schreibdidaktik heißen die entsprechenden Schreibstrategien "prewriting strategies" (etwa: Schreibstrategien vor dem Schreiben).[3][4]

WID: https://wac.colostate.edu/repository/teaching/intro/wid/

https://www.jstor.org/stable/20456952

https://digital.library.pitt.edu/islandora/object/pitt%3A31735062135672

https://tools.bard.edu/wwwmedia/files/6790042/6/2%20Peter%20Elbow%20Teaching%20Thinking%20by%20Teaching%20Writing.pdf

The Elements of Teaching Writing: A Resource for Instructors in All Disciplines (Bedford/St. Martin's Professional Resources) Gottschalk, Katherine; Hjortshoj, Keith Schreibintensive Lehre schließt die Reflexion der Erfahrungen mit dem Schreiben ein, beispielweise durch kurze Autauschphasen nach einer Schreibübung. Dies zielt darauf ab, dass Studierende sich als Schreibende besser kennenlernen und ihre metakognitiven Fähigkeiten erweitern.

Abschlusskapitel von Bazerman: https://wac.colostate.edu/books/literateaction/v2/theory.pdf

https://books.google.de/books?id=Ty5Tp9MC2wMC&pg=PR7&hl=de&source=gbs_selected_pages&cad=1#v=onepage&q&f=false

http://peterelbow.com/writing_to_learn.html

Unerfahrene Schreibende setzen zu wenig pre-writing ein. {ergänzen, belegen}

Geschichte und Hintergrund Bearbeiten

https://journals.sagepub.com/doi/epdf/10.1177/0741088306289259

Als Form des Lernens und Lehrens stellt schreibintensive Lehre zum Teil eine Übernahme und Adaptation von Grundideen der schon deutlich älteren angloamerikanischen Bewegung Writing in the disciplines/Writing across the curriculum[5] dar.[6] Wesentliche konzeptuelle und praktische Beiträge zu ihr haben dort Charles Bazerman, David Russell[7], John Bean[8], Michael Carter[9],und Keith Hjortshoj[10] geleistet.

hierzu: Frank, Andrea; Lahm, Swantje (2016): Das Schreiblabor als lernende Organisation - von einer Beratungseinrichtung für Studierende zu einem universitätsweiten Programm "Schreiben in den Fächern". In: Hirsch-Weber, Andreas; Scherer, Stefan (Hrsg.): Wissenschaftliches Schreiben in Natur- und Technikwissenschaften, Wiesbaden.

https://cdn.discordapp.com/attachments/731194667940446248/1201872111933857852/2_PDF_Den_Shift_from_Teaching_to_Learning_selbst_vollziehen_Gedanken_zur_Selbstverortung_ei.pdf?ex=65cb65a1&is=65b8f0a1&hm=f19f74fe169210ce7fb73bd0adc1008e74270166f1efb24b79adcf929b9f0e44&

Die Idee, das Schreiben in regulären Fachcurricula zu fördern, wurde in Deutschland über die im Jahr 1999 an der Universität Bochum initiierte, seitdem zweijährig stattfindende internationale EATAW-Konferenz zunächst von einzelnen universitären Schreibzentren aufgegriffen. Der Begriff schreibintensive Lehre selbst ist in deutschen Publikationen seit Mitte der 2000er Jahre nachweisbar und beschreibt dort erste Versuche, die Entwicklung von Konzepten für schreibintensive Lehrveranstaltungen in den Fachdisziplinen deutscher Hochschulen zu unterstützen. Eine der ersten Initiativen dieser Art entwickelte das Bielefelder Schreiblabor mit seiner Fortbildung "Forschen Schreiben Lehren"[11]. Das Konzept wurde aber auch unabhängig von Schreibzentren von Wissenschaftler*innen mit schreibdidaktischer Expertise aufgegriffen, in drittmittelgeförderten Studienreformprojekten erprobt[12] und implementiert[13]. Inzwischen wird schreibintensive Lehre an verschiedensten Universitäten unterstützt, etwa in der Form von Weiterbildungen für Lehrende[14][15][16]. Schreibintensive Lehre wird zunehmend auch in curricular verankerten Lehrveranstaltungen praktiziert[17].

Ein Modell für schreibintensive Lehre hat die US-amerikanische Schreibforscherin Anne Beaufort entwickelt. Sie unterscheidet zwischen fünf Wissens- oder Kompetenzbereichen, die gemeinsam entwickelt werden müssen: inhaltliches/fachliches Wissen, rhetorisches Wissen, Genrewissen zu typischen akadmeischen Textsorten, Schreibprozesswissen und Wissen um die besonderen Erwartungen und Regeln einer spezifischen fachlichen Diskursgemeinschaft.[18]

+ authentische Aufgaben (als "didaktisches Prinzip"), Bean

Diskurstheoretischer Hintergrund (Hyland, Prior)

"Methoden" Bearbeiten

Kern: Schreiben fachtypischer Texte (Laborreport, Journalpublikation, Business Report, Rezension etc.)

Unterstützung durch explorative Methoden

Schreibintensive Lehre nutzt Schreibaufgaben und Textprodukte, die das fachliche Lernen und die Entwicklung von Schreibkompetenzen fördern und die wechselseitige Bezogenheit von Text, Inhalt und Prozess deutlich werden lassen. Die Methoden können nach ihren hauptsächlichen Einsatzphasen und Zielen grob in explorative Methoden, Entwurfsmethoden, und Methoden für Feedback und Austausch eingeteilt werden.

Explorative Methoden Bearbeiten

Explorative Methoden zielen auf den Schreibprozess und das Gewinnen und Klären von ersten Ideen. Die entstehenden Texte werden oft nicht direkt weiterverwendet. Die meisten sind kurz und setzen sogar einen gewissen Zeitdruck ein, damit die Schreibenden lernen, Unfertiges zu Papierzu bringen. Verbreitete Beispiele für explorative Methoden sind

Entwurfsmethoden Bearbeiten

Entwurfsmethoden bereiten einen zu schreibenden Text - zum Beispiel ein Essay, eine Hausarbeit, eine Bachelorarbeit oder eine Masterarbeit - vor. Meist geht es darum, Textziel und Textstruktur zu klären.

  • Outline
  • Argumentationsgang (Venn-Diagramm)
  • Drehbuch {Bader, Kreitz & Pirl und Wyman-Band}
  • Im Pentagon-Modell nach Rienecker und Stray Jørgensen[19] wird ein Thema für eine schriftliche Arbeit durch die Beantwortung von fünf Fragen präzisiert. Die Fragen beziehen sich auf die Fragestellung oder Arbeitshypothese, das Ziel oder den Nutzen, Daten/Phänomene/Material, Konzepte/Theorien/Methoden und die Vorgehensweise.[20]
  • Zetteln {Hofmann im Wymann-Band}

Peer-Feedback-Methoden Bearbeiten

Feedback-Methoden bringen Studierende in den Austausch untereinander. Das Ziel solcher Methoden in der schreibintensiven Lehre ist weniger, die Texte zu verbessern, als vielmehr Austausch und Sprechen als pre-writing-Strategie zu nutzen.

  • Schreib-Gespräch {Eckert & Marton in Wyman-Band?}
  • Sayback nach Elbow und Belanoff
  • Feedback-Konferenz {Lahm, Höbel und Kühl im Wymann-Band}
  • ...

Andere Bearbeiten

  • Arbeitsjournal /Projekt-Journal (Amman im Wamann-Band)

Schreibintensive Lehre in der Weiterbildung von Hochschullehrenden Bearbeiten

Schreibintensive Lehre ist ein Bestandteil der Weiterbildung von Hochschullehrenden, beispielsweise an den Universitäten Bielefeld[21] und Paderborn[22]. Sie soll den Transfer der in schreibdidaktischen Weiterbildungen erworbenen Kompetenzen in tatsächliche Lehre sichern.

Literatur Bearbeiten

Fachspezifische Information bieten die von der Bielefelder Schreibdidaktikerin Swantje Lahm herausgegebenen Bände "Schreiben im Studium".[23] Eine fachunspezifische Einführung ist Lahms eigenes Buch "Schreiben in der Lehre".[24]

  • Wymann, Christian (Hg.) (2019). Praxishandbuch Schreibdidaktik: Übungen zur Vermittlung wissenschaftlicher Schreibkompetenzen. Opladen: Verlag Barbara Budrich. ISBN: 978-3-8252-5264-9
  • Hyland, Ken (2011). Learning to write: Issues in theory, research and pedagogy. In Manchón, Rosa (Hg.), Learning to write and writing to learn in an additional language (S. 17-35). Amsterdam: Benjamins
  • Prior, Paul (2006). A sociocultural theory of writing. In: Charles A. McArthur, Steve Graham & Jill Fitzgerald (Hg.), Handbook of writing research (S. 54-66). New York: Guilford Press.
  1. Lahm, Swantje: Schreiben in der Lehre: Handwerkszeug für Lehrende. 1. Auflage. Barbara Budrich, Opladen 2016, ISBN 978-3-8252-4573-3.
  2. Bean, John C.: Engaging ideas: The professor's guide to integrating writing, critical thinking, and active learning in the classroom. 2. überarb. Auflage. Hoboken, NJ., 2011.
  3. Prewriting. Abgerufen am 13. November 2023.
  4. Holmes, Kerry P.: Show, don't tell: The importance of explicit prewriting instruction. In: The Clearing House: A Journal of Educational Strategies, Issues and Ideas. Band 67, Nr. 5, S. 241–243.
  5. Writing across the curriculum. Abgerufen am 13. November 2023.
  6. Russell, David R.: Writing in the academic disciplines: A curricular history. 2. Auflage. Southern Illinois University Press, Carbondale 2002, ISBN 978-0-8093-2467-5.
  7. David R. Russell: Rethinking Genre in School and Society: An Activity Theory Analysis. In: Written Communication. Band 14, Nr. 4, Oktober 1997, ISSN 0741-0883, S. 504–554, doi:10.1177/0741088397014004004 (sagepub.com [abgerufen am 14. November 2023]).
  8. Bean, John C.: Engaging Ideas. The Professor’s Guide to Integrating Writing, Critical Thinking, and Active Learning in the Classroom. Jossey-Bass, San Francisco 2011.
  9. Carter, Michael: Ways of knowing, doing, and writing in the disciplines. In: College Composition and Communication. Band 58, Nr. 3, 2007.
  10. Hjortshoj, Keith: The transition to college writing. Bedford/St. Martin’s, Boston/New York 2001.
  11. Lahm, Swantje: Lehrend in die Wissenschaft: Die Qualifizierung von Doktorand/innen für schreibintensive Lehre am John S. Knight Institute for Writing in the Disciplines, Cornell University, USA. In: Das Hochschulwesen. Band 58, Nr. 1, 2010, S. 21–27.
  12. Literale Kompetenzen - Universität Bielefeld. Abgerufen am 14. November 2023.
  13. Schindler, Kirsten: Wissenschaftliches Schreiben in Sprach- und Kommunikationswissenschaft – Zwei Beispiele für schreibintensive Lehrveranstaltungen in den Geisteswissenschaften. In: Zeitschrift Schreiben: Schreiben in Schule, Hochschule und Beruf. 11. Mai 2008.
  14. Zertifikatsprogramm "Schreibdidaktik an der Hochschule" an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Abgerufen am 13. November 2023.
  15. Weiterbildung "Schreiben lehren" an der Universität Paderborn. Abgerufen am 13. November 2023.
  16. Wissenschaftliches Schreiben und Arbeiten in der Lehre an der Universität Wien. Abgerufen am 13. November 2023.
  17. Die publikationsorientierte Vermittlung von Schreibkompetenzen: Zur Orientierung des studentischen Schreibens in der Soziologie am wissenschaftlichen Veröffentlichungsprozess | Soziologie - Forum der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. 15. August 2018 (soziologie.de [abgerufen am 14. November 2023]).
  18. Beaufort, Anne: College writing and beyond: A new framework for university writing instruction. Utah State University Press, Logan, Utah 2007.
  19. Rienecker, Lotte;Jørgensen, Peter Stray: From working with students to working through faculty: A genre-centered focus to writing development. In: Thaiss, Chris; Bräuer, Gerd; Carlino, Paula; Ganobcsik-Williams, Lisa; Sinha, Aparna (Hrsg.): Writing Programs Worldwide: Profiles of Academic Writing in Many Places. The WAC Clearinghouse and Parlor Press, Fort Collins, Colorado 2012, S. 169–180.
  20. Frank, Andrea; Haacke, Stefanie; Lahm, Swantje: Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf. 2. aktual. und erweit. Auflage. J. B. Metzler, Stuttgart 2013, S. 25.
  21. Schreibdidaktische Weiterbildung am Schreiblabor der Universität Bielefeld. Abgerufen am 20. Januar 2024.
  22. Weiterbildung "Schreiben lehren" am Kompetenzzentrum Schreiben der Universität Paderborn. Abgerufen am 20. Januar 2024.
  23. Webseite der Reihe beim utb-Verlag. Abgerufen am 28. Juni 2023.
  24. Swantje Lahm: Schreiben in der Lehre: Handwerkszeug für Lehrende. 1. Auflage. Barbara Budrich, Opladen 2016, ISBN 978-3-8252-4573-3.