NS-Propaganda, September 1939:
Polen, verhaftete jüdische Frau
Original-Bildbeschreibung: „Jüdisches Flintenweib als Anführerin gemeiner Mordbanditen.
Von den deutschen Truppen wurde in der Nähe von Brest-Litowsk diese Warschauer Gettojüdin namens Bajla Gelblung aufgegriffen. Sie versuchte, in der Uniform eines polnischen Soldaten zu flüchten und wurde als Anführerin einer der grausamsten Mordbanden wiedererkannt. Trotz ihrer echt jüdischen Frechheit gelang es ihr nicht, die Taten abzuleugnen.“
NS-Propaganda, 1941:
Gefangene sowjetische Soldaten
Original-Bildbeschreibung: „Deutschlands Kampf gegen die Sowjetunion.
Mitten zwischen den Gefangenen Sowjetsoldaten steht eine Frau - auch sie hat es aufgegeben, weiteren Widerstand zu leisten. - Es ist ein Flintenweib und zugleich Sowjetkommissarin, die als die verbissensten Heckenschützen die Sowjetsoldaten bis zum letzten Widerstand antreiben.“
NS-Propaganda, September 1942:
Zwei von der Ordnungspolizei verhaftete Frauen
Original-Bildbeschreibung: „An der Sowjetfront: Polizei im Kampf gegen Banditen.
Auch Flintenweiber beteiligen sich an den Überfällen und Plünderungen der Banditen. Sie werden zum Verhör abgeführt.“

Flintenweib ist ein Neologismus des frühen 20. Jahrhunderts, der aus der Soldatensprache des Ersten Weltkriegs in die kriegsverherrlichende Literatur der Zwischenkriegszeit übernommen wurde. In der Propaganda des Nationalsozialismus diente er der Abwertung feindlicher Soldatinnen und Partisaninnen, wobei „jüdische Flintenweiber“ eine Verbindung der gegen die Kriegsgegner gerichteten Propaganda und der antisemitischen Hetze darstellte. Im Zusammenhang mit dem Kommissarbefehl wurde das Zerrbild des „Flintenweibs“ herangezogen, um die Ermordung sowjetischer Soldatinnen zu rechtfertigen.

Der Begriff Flintenweib hat seine Wurzeln im 19. Jahrhundert, seine Etymologie ist ungeklärt. Er setzt in seiner Bedeutung auf das Wort „Mannweib“ auf, mit dem Frauen aufgrund ihres Verhaltens, der getragenen Kleidung oder körperlicher Merkmale eine Vermännlichung oder ein Mangel an Weiblichkeit attestiert wird. Diesem stark abwertenden Begriff fügt das „Flintenweib“ den militärischen Kontext und die Gewaltbereitschaft hinzu. Für den männlichen Sprecher ist das „Mannweib“ schlicht unattraktiv, das „Flintenweib“ aber ein Schreckensbild und eine Feindbildkonstruktion.[1]

Bolschewiki und Rote Armee

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Den historischen Hintergrund stellen bewaffnete Frauen in den Reihen der Bolschewiki dar, mit denen sich deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg vereinzelt konfrontiert sahen. Ihre Bedeutung wurde allerdings stark übertrieben, insbesondere in Berichten über Scharfschützinnen oder vollständig aus Frauen zusammengestellte Bataillone. Tatsächlich dienten im Vergleich zu Soldatinnen im Sanitätsdienst oder mit anderen Aufgaben hinter der Front nur wenige Frauen an der Waffe. Es gab nur wenige Scharfschützinnen und die wenigen kleineren Fraueneinheiten wurden von männlichen Offizieren kommandiert.

Zweiter Weltkrieg

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Wehrmacht und NS-Propaganda

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In der Wahrnehmung der Kriegsgegner wird den kämpfenden Frauen hingegen Entmenschlichung und Rohheit bis zum Ziel der Kastration zugeschrieben. Derartige Bilder sind gelegentlich mit antisemitischen Stereotypen vermischt

Beispiel für die befohlene Ermordung: Am 28. Oktober 1941 erklärte General Ernst Hammer als Kommandeur der 75. Infanterie-Division der Wehrmacht, die im Rahmen des Unternehmens Barbarossa zunächst bei Kiew und dann bei Belgorod eingesetzt wurde, „Frauenpersonen in russischer Uniform“ seien „grundsätzlich sofort zu erschießen“, da sie „nicht als Angehörige der feindlichen Wehrmacht betrachtet werden könnten“.[2]

221. Sicherungs-Division an Verbrechen der Wehrmacht in der Sowjetunion beteiligt. Die erhalten gebliebenen Meldungen und Einsatzberichte belegen die Befolgung desKommissarbefehls und das Erschießen weiblicher Angehöriger der Roten Armee als "Flintenweiber".[3]

Rote Armee und sowjetische Propaganda

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Während des “Großen Vaterländischen Krieges” etwa 800.000[4] bis eine Million Frauen in der Roten Armee .

Russische „Flintenweiber“[5][6] prägten die Vorstellung der Kriegsgegner

Ihre Fronteinsätze wurden zunächst mystifiziert oder später mit Diskriminierung[7] betrachtet.

Besondere Aufmerksamkeit fanden die Präzisionsschützinnen:[8] Nina Petrowa, Nina Lobkowskaja, Lidjia Gudovanzewa, Tatiana Baramsina, Natalja Kowtschowa, Olga Schirnina, Rosa Schanina, Ziba DeNoise/Ganijewa, Jefgenia Makeewa und Maria Poliwanowa. Die meisten Abschüsse (309) hatte Ljudmila Michailowna Pawlitschenko, auch „Lady Death“[9] genannt.

In der Propaganda von Partisanenorganisationen oder sowjetischen Medien wurde der Einsatz der bewaffneten Frauen als der Kampf gleichberechtigter Soldatinnen dargestellt.

Spätere Verwendung

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Aufarbeitung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

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Etwa 450.000 Frauen dienten dem NS-Staat als Wehrmachthelferinnen. Sie nahmen weit überwiegend unter dem Kommando männlicher Vorgesetzter Aufgaben wie Botengänge, und Bürotätigkeiten aus oder wurden im Fernmeldedienst oder im Militärsanitätsdienst eingesetzt. Nur eine geringe Zahl wurde Flakhelferin und dabei bedienten sie meist nur die Schweinwerferbatterien und andere Hilfsgeräte. Wenige Tausend Frauen waren uniformierte SS-Helferinnen, weibliche Angehörige der Waffen-SS mit SS-Runen an der Uniform. Sie übten überwiegend Tätigkeiten in Büros und im Fernmeldewesen aus, auch im Reichssicherheitshauptamt oder in den Konzentrationslagern.

Ebenfalls wenige Tausend Frauen gehörten zum SS-Gefolge. Sie waren, anders als die Wehrmachthelferinen und die SS-Helferinnen, keine Angehörigen von Wehrmacht oder Waffen-SS, sondern Zivilangestellte der Schutzstaffel in Uniformen, diese aber ohne SS-Embleme. Sie stellten den Großteil der Aufseherinnen in den Konzentrationslagern. Ihr Status als Angestellte ohne SS-Dienstgrade macht deutlich, dass sie nur eine untergeordnete Rolle wahrnahmen und nur die Uniform, aber nicht die Waffe oder die formale Einbindung in die NS-Hierarchie, ihr kennzeichnendes Attribut war. Dennoch wurden diese Täterinnen nach Kriegsende vielfach als „Flintenweiber“ geächtet. Der Begriff „Flintenweib“ fand durch sie Eingang in die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg und in die Berichterstattung über NS-Prozesse. [1][10]

Alltagssprache

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Ein Beispiel für die Bearbeitung des „Flintenweibs“ in der sexistischen und kriegsverherrlichenden Trivialliteratur ist Heinz G. Konsaliks 1981 veröffentlichter Weltkriegsroman Frauenbataillon, in dem eine fiktive russische Scharfschützeneinheit und ihre Soldatinnen dargestellt werden. Der Roman hatte wie andere Veröffentlichungen Konsaliks einen großen Erfolg beim Publikum, wurde aber in Politik und Literaturkritik scharf kritisiert. Konsalik erhielt 1981 für Frauenbataillon den „Kriegspreis“ der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. In seiner „Laudatio“ sagte Peter O. Chotjewitz, Konsalik habe mit Büchern wie dem Frauenbataillon „die weite Grauzone zwischen Literatur, die diesen Namen verdient, und militaristisch-faschistischem Schund als satten Weidegrund für sich gepachtet“.[11][12]

Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts fand der Begriff losgelöst von der Kriegsthematik Eingang in die Alltagssprache, wobei er in Bereichen wie der Trivialliteratur, dem Volkstheater und bei vorwiegend männlichen Sprechern bildungsferner Schichten plakativ zur Bezeichnung von energisch auftretenden, machtbewussten oder nicht dem männlich geprägten Schönheitsideal entsprechenden Frauen dient.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. a b Insa Eschebach: Gespaltene Frauenbilder. Geschlechterdramaturgien im juristischen Diskurs ostdeutscher Gerichte. In: Ulrike Weckel, Edgar Wolfrum (Hrsg.): „Bestien“ und „Befehlsempfänger“. Frauen und Männer in NS-Prozessen nach 1945. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-36272-2, S. 95–116, hier S. 110 f..
  2. Zitiert nach: Felix Römer: Gewaltsame Geschlechterordnung. Wehrmacht und „Flintenweiber“ an der Ostfront 1941/42. In: Klaus Latzel, Franka Maubach und Silke Satjukow (Hrsg.): Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2011, S. 331–351, hier S. 336.
  3. * Christian Hartmann: Wehrmacht im Ostkrieg. Front und Militärisches Hinterland 1941/42 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Band 75), R. Oldenbourg Verlag, München 2009, ISBN 978-3-486-58064-8, S. 496–499 und 523–526.
  4. Swetlana Alexejewitsch: Mascha und Nina und Katjuscha – Frauen in der Roten Armee 1941 – 1945. Ch. Links Verlag 2002. ISBN 978-3-86153-281-1.
  5. Hitlers Vernichtungskrieg. Siegen helfen. Frauen waren im Ostfeldzug allgegenwärtig: Sie kämpften mit der Waffe, arbeiteten in der Verwaltung und versorgten die Verletzten. Das Schreckbild der sowjetischen „Flintenweiber“. Zeit Online, 24. Mai 2011
  6. 8. Mai: Die vergessenen „Flintenweiber“. Etwa 1 Million Frauen haben in der Sowjet-Armee gegen Nazi-Deutschland gekämpft. Freiwillig. Danach wurden sie in ihrer Heimat dafür geächtet. Die Soldaten waren Helden, die Soldatinnen Huren. Sonia Mikich, lange TV-Korrespondentin in Moskau, schreibt über die Heldinnen – aus ihrer Sicht. Emma, 6. Mai 2015
  7. Judith Kessler: Frauen in der Roten Armee. Beitrag vom 5. Mai 2015 auf AVIVA-Berlin.de, abgerufen am 25. Februar 2022.
  8. Sowjetische Scharfschützinnen im 2. Weltkrieg. Diese zwölf Frauen haben 775 Soldaten erschossen! BILD-Zeitung, 19. Januar 2015
  9. Nachkolorierte Fotos berühmter weiblicher Scharfschützen der Sowjetunion. Daily Mail, 19. April 2017
  10. Sylvia Einöder: Handlungsräume von Frauen während der NS-Zeit jenseits der „Opfer-Täterinnen-Dualität“. Magisterarbeit, Institut für Geschichte, Universität Graz. Graz 2010, S. 74 (uni-graz.at [PDF; 829 kB]).
  11. Matthias Harder: Erfahrung Krieg. Zur Darstellung des Zweiten Weltkrieges in den Romanen von Heinz G. Konsalik. Mit einer Bibliographie der deutschsprachigen Veröffentlichungen des Autors 1943–1996. Königshausen & Neumann, 1999, ISBN 3-8260-1565-7, S. 191-196.
  12. Peter O. Chotjewitz: Kriegsficker und Hinterbliebene. Laudatio auf Heinz Günther Konsalik für sein Buch "Frauenbataillon" anläßlich der Vergabe des Kriegspreises. In: Konkret. Nr. 11, 1981, S. 46–49.

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