´´´Rasso´´´, Graf der Karolingerzeit im Gebiet zwischen Ammersee und Starnbergersee, Kirchenstifter und Klostergründer von Grafrath, Volksheiliger, Grab in der St.Rassokirche in Grafrath (an der Amper, 5 km nördlich des Ammersees, ca 30 km westlich von München)

Rasso wird der Graf ursprünglich nur in lateinischen Schriften genannt. Beim Volk und in deutschen Lebensbeschreibungen bis in die Mitte des 19.Jh. hieß er Graf Rath, Graf Ratt oder Gráfrath. Deshalb wurde schon im Mittelalter der Ort, an dem die Kirche mit seinem Grab steht, nach ihm St.Grafrath genannt. Ursprünglicher Name des Ortes war Wörth, da der Graf die Kirche auf einer von Amper und Ampermoos umgebenen Insel erbaut hatte. Als sich im Jahre 1972 die beiden benachbarten Dörfer Unteralting und Wildenroth zusammenschlossen, gaben auch sie sich den Namen Grafrath. Nicht identisch ist er mit einem ´´Razo comes de Diezen´´, der in einer Freisinger Traditionsurkunde für die 1.Hälfte des 11.Jh. bezeugt ist.

Quellen und Überlieferung

Bearbeiten

Nichtschriftliche Quellen

Bearbeiten

Rasso/Grafrath ist bezeugt zunächst durch nichtschriftliche Quellen, d.h. durch sein Grab in der Mitte der Kirche, für das es eine ununterbrochene Überlieferung gibt, und durch seine Gebeine, die 1468 aus dem Bodengrab gehoben und in einem Hochgrab an der gleichen Stelle über der Erde wieder beigesetzt wurden. Die Inschrift auf der damals aus Rotmarmor neu angefertigten Grabplatte lautet: ´´Hie ligt wegraben der edel fürst und Graf sand Rasso der ditz Gotzhaus zum ersten hat gestifft in den eren unsers lieben herren und hie will wartten des jüngsten tags. Anno 954.´´ Nach dem Bau der jetzigen Barockkirche kamen die Gebeine im Jahr 1695 auf den Hochaltar. Die ursprüngliche Grabstätte wurde aber wegen der Verehrung des Grabes durch das Volk erhalten. Sowohl bei dem im Boden verborgenen Steinplattengrab wie auch beim Schädel der Stifterreliquie konnte 2003 durch archäologische bzw. anthropologische Untersuchungen die überlieferte Zugehörigkeit zum frühen Mittelalter bestätigt werden.

Schriftliche Quellen

Bearbeiten

Da das Kloster schon im Mittelalter wieder unterging, haben sich aus seiner Zeit keine schriftlichen Quellen erhalten. Doch findet sich umfangreiches schriftliches Quellenmaterial aus späterer Zeit an anderen Orten, nämlich in Andechs und Dießen. Dies hat bestimmte Gründe:

Zum einen hatte der Kirchenstifter wie andere Adelige seiner Zeit wertvolle Reliquien gesammelt, um seiner Stiftung besondere Bedeutung zu verleihen und sich sein Grab ´´ad sanctos´´ anlegen zu lassen. Diese Reliquien kamen beim Niedergang des Klosters mit ´´allen Kleinodien der Kirche´´ nach Andechs - so der Eintrag in einem dortigen alten Missale -, wo sie den Grundbestand des bekannten Heiltumschatzes bildeten. So wurde der Gründer von Grafrath Teil der Geschichte von Andechs und wird dort als Graf von Andechs in allen alten Quellen besonders erwähnt und gewürdigt. Zum anderen übergab Papst Innozenz II. im Jahr 1132 die Reste der Grafrather Klosterstiftung dem als Hauskloster der Andechser neu errichteten Chorherrenstift Dießen. Als hundert Jahre später das Geschlecht der Grafen von Andechs, das bis dahin das Andenken an den in Grafrath bestatteten Ahnherrn besonder gepflegt hatte, unterging, übernahem die Chorherren von Dießen die Gedächtnispflege. Ab dem Beginn des 16.Jh. versuchten frühe bayerische Historiker wie Johannes Aventinus und die Chorherren von Dießen, das Leben des Grafen Rasso genauer zu rekonstruieren. Dabei wichen sie in manchen Dingen von der älteren Andechser Überlieferung ab, was bis heute zu verschiedenen Aussagen über das Leben des Mannes führt.

Lebensdaten

Bearbeiten

Andechser Überlieferung

Bearbeiten

Nach der älteren Andechser Tradition war Rasso bzw. Ratt ein Adeliger fränkischer Abstammung, der zur Zeit Karls des Großen (+ 814) im Gebiet zwischen Ammersee und Starnbergersee als Comes, d.h. als königlicher Verwaltungsbeamter eingesetzt war. Er wird stets als ´´Graf von Andechs´´ bezeichnet. Zur späteren Grafschaft Dießen wird kein Bezug hergestellt. Am Fuße seiner Burg Razzenberg, die man auf dem südlichen Hochufer über der Amper, dem heutigen Michelsberg, suchen muss, gründete er ein Benediktinerkloster, erbaute dazu eine Kirche mit dem Patrozinium St.Salvator und Apostel Philippus und Jakobus, erwarb für seine Kirche auf einer Pilgerfahrt in Konstantinopel, Jerusalem, Rom und Mailand wertvolle Herren- und Heiligenreliquien, trat nach seiner Rückkehr selber als Laienbruder in das Kloster ein, starb eines heiligmäßigen Todes und wurde nach seinem Tod in der Kirche bei den Reliquien beigesetzt. Das Kloster fiel zu Beginn des 10.Jh. wie andere bayerische Klöster der Säkularisierung durch Herzog Arnulf zum Opfer.

Dießener Überlieferung

Bearbeiten

Die Dießener Chronisten fußen zunächst auf den Andechser Quellen, nehmen dann aber das hinzu, was Aventin in seinem Geschichtswerk ´´Annales ducum Boiariae´´ über den Grafen Ratho schreibt, und bauen es aus, obowohl schon Aventin für seine Aussagen keine Belege vorweisen konnte. Für sie war Rasso ein Sohn des Grafen Rathold, dieser ein Sohn des Kaisers Arnulf von Kärnten und Stammvater des Geschlechts der Grafen von Dießen. Rasso wird als Markgraf von Österreich bezeichnet, und es werden ihm in dieser Funktion zwei bedeutende Siege zugeschrieben, die er mit Herzog Heinrich im Jahre 948 bei Mauerkirchen über die Ungarn errungen haben soll. Die Pilgerfahrt nach Jerusalem lassen sie ihn zusammen mit Herzogin Judith unternehmen. Was die Klostergründung, den Kirchenbau, die Sammlung von Reliquien und den heiligmäßigen Tod angeht, stimmen Aventin und die Dießener Chronisten mit der Andechser Tradition überein, nicht aber was den Zeitpunkt der Gründung und das Ende des Klosters betrifft. Bei der Klostergründung folgt Aventin dem in der 2.Hälfte des 14.Jh.lebenden Chronisten Albert von Dießen, der als Gründungsjahr 954 angibt. Das Ende bringt Aventin als erster mit dem Ungarneinfall 955 in Verbindung. Da ein so schnelles Ende des Klosters schon ein Jahr nach der Gründung wenig glaubhaft schien, gaben wohl spätere Chronisten das Jahr 954 als Todesjahr des Gründer aus.

Aussagewert der beiden Überlieferungen

Bearbeiten

Zwar hat sich ab dem 16.Jh. die Version der Dießener Chorherren, die die Kirche in Grafrath betreuten, immer mehr durchgesetzt, doch ist die Andechser Überlieferung nicht nur die ältere, sondern auch die stimmigere. Die Dießener Version erweist sich in vielen Dingen als Konstrukt und lässt dabei immer noch viele Fragen offen. Die Andechser Überlieferung bringt zwar weniger Details, doch ist das, was sie über den Grafen und seine Gründung überliefert, glaubwürdig, passt in die Zeit der Karolinger und stimmt mit den Erkenntnissen aus den nichtschriftlichen Quellen überein.

Nachwirken

Bearbeiten

Schon früh wurde der Graf vom Volk als Heiliger verehrt und vor seinen Namen ein ´´sand´´ oder ´´heilig´´ gesetzt (so z.B. in einer Herzogsurkunde von 1390). Ebenso bestägigen die Quellen, dass sein Grab schon im Mittelalter von vielen Pilgern aus ganz Süd- und Ostbayern, Schwaben und Tirol wegen der hier ´´tag und nacht ohne unterlass´´ geschehenden Wunder aufgesucht wurde. Angerufen wurde der Heilige vor allem bei ´´heimlichen und schambaren´´ Gebrechen, d.h. bei Unterleibsleiden. Woher diese Zuständigkeit rührt, bleibt dunkel, da sich in den verschiedenen Lebensbeschreibungen nicht der geringste Hinweis darauf findet. Im Jahr 1444 begann man die Wunder, die von Geheilten angezeigt wurden, aufzuschreiben. Erhalten sind in drei sogenannten Mirakelbüchern die Aufzeichnungen von etwa 180 Jahren mit einer Summe von fast 13000 Einträgen.

Heute wird der heilige Rasso hauptsächlich nur noch in Grafrath als Patron der Kirche verehrt, die auf ihn zurückgeht. Sein Fest wird am 19. Juni bzw. am darauf folgenden Sonntag feierlich begangen. Zeugnisse der früheren Verehrung gibt es aber noch an vielen Orten. Im Dom zu München finden sich vier Darstellungen von ihm, darunter die überlebensgroße Rassostatue, die der Meister von Rabenden um 1520 angefertigt hat. In der Andechser Kirche ist er siebenmal präsent, in Dießen viermal. Ein besonderes Schmuckstück ist die ihm geweihte kleine Rokokokirche in Gammenried (Ortsteil von Bad Wörishofen). Weitere Spuren finden sich in München (Kirche Mariä Schutz Pasing, St.Maximilian, Albertinum), ferner in Dettenschwang und Wolfgrub bei Dießen, in Utting, Landsberg am Lech, Untermühlhausen (Penzing), auf dem Auerberg, in Schweinegg (Eisenberg bei Füssen), Bad Oberdorf (Hindelang), Schwaig (Oberding bei Erding), Isen bei Erding, Hofolding (Brunnthal), Vagen (Feldkirchen-Westerham), Reichertshausen (Egling bei Wolfratshausen), Partenkirchen, Egern, Emmering, Dachau, Riedenzhofen (Röhrmoos), Jarzt (Fahrenzhausen), Machtenstein (Schwabhausen), Landshut, Unterköllnbach und Altfraunhofen bei Landshut, Donauwörth, Bergen bei Neuburg, Ingolstadt. In Fürstenfeldbruck ist nach ihm das Graf Rasso Gymnasium benannt.

Literatur

Bearbeiten

Rader,Matthäus: Rasso, in: Bavaria Sancta, Band 1. Papebrochius,Daniel: S.Rasso, in: Acta Sanctorum, Juni Band 3. Bauerreiß,Romuald (Hrsg.): Die geschichtlichen Einträge des Andechser Missale, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens 47 NF 16 (1929) S.52-90, 433-447. Kraft Benedikt (Hrsg.): Älteste Chronik, von Andechs, in: Andechser Studien II = OA 74 (1941) S.587-589. Fried, Pankraz: Rasso, in: Lexikon des Mittelalters, Bd.7. München 1995. Meßmer, Ernst: Graf Rasso - Heerführer Bayerns, Kirchenstifter und Klostergründer von Grafrath, Volksheiliger. St.Ottilien 2003. Ders.: Das wundersame Grab von Graf Rasso - Geschichte der ungewöhnlichen Wallfahrt und Wallfahrtskirche zu St.Grafrath. St.Ottilien 2004. Ders.: Neue Fragen zu Grafrath, in: Amperland 42 (2006) Heft 4, S.357-371.