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Gewaltüberwindung erfordert die Distanzierung von biblischer Gewalt, insbesondere zählen dazu in Teilen des Neuen Testaments auch
Gewalt befürwortende Jesusworte
BearbeitenJesu Tempelreinigung in Joh 2,13-22 zeugt davon, dass auch der Menschensohn nicht immun gegenüber gewalttätigen Tendenzen ist: als er die Händler den Tempel in Jerusalem als Marktplatz missbrauchen sieht, stürzte er ihre Stände und Tische um und trieb sie alle mit einer selbstgemachten "Geißel aus Stricken" hinaus.
Neben Jesu Tempelreinigung zeigen allerdings auch einige weitere Stellen im NT, dass Jesus nicht nur Gewaltfreiheit predigte. Das Drohen mit Gewalt und Folter ist nach heutigem ethischen Empfinden auch Gewalt, also auch Jesu Höllendrohungen.
Etwa 20 Mal droht Jesus im NT mit der Hölle: - direkt: Mt 5,22.29.30(Bergpredigt!); 10,28; 11,23(Lk 10,15); 18,9(Mk 9,43.45.47); 23,15.33; - indirekt: Lk 8,31; 16,23ff; - umschrieben durch (äußerste) Finsternis, da wird sein Heulen und Zähneklappern: Mt 8,12; 22,13, Verdammnis: Mt 12,37; Mk 16,16; Joh 3,18, Feuerofen/ewiges Feuer/ewige Strafe: Mt 13,30.41f.49f; 18,8; 25,41.46; Joh 15,6.
In einigen Jesusworten kommen darüber hinaus gewalttätige Tendenzen Jesu deutlich zum Ausdruck. Falsche Propheten vergleicht er mit einem faulen Baum, der nicht gute Früchte bringt und sagt: "Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen."(Mt 7, 19) Denen, die nicht auf ihn hören, droht er schlimmeres Ergehen als Sodom und Gomorra an. (Mt 10,14f) In einem Gleichnis vergleicht er sich mit einem Herrn, der einen bösen Knecht "in Stücke hauen (lassen) wird" und sagt, ein ungehorsamer Knecht werde "viel Schläge erleiden müssen" (Lk 12,46f). In einem anderen Gleichnis vergleicht er sich mit einem König, der seine Feinde niedermachen (Lutherbibel: "erwürgen") lassen will (Lk 19,27) und in einem weiteren mit dem Herrn eines Weinbergs, der die bösen Weingärtner umbringen wird (Mk 12,9).
In Lk 13, 1-5 droht Jesus mit Vernichtung denen, die nicht Buße tun und er wünscht den zu ersäufen, der ein gläubiges Kind zum Abfall verführt (Mt 18,6; Mk 9,42; Lk 17,2). Selbst das Mosegesetz, das die Todesstrafe für ungeratene Söhne, Ehebrecher, Homosexuelle und Gotteslästerer vorschreibt, will er laut Mt 5,17ff (Mt 23,2f; Lk 16,17) bis auf den kleinsten Buchstaben erfüllen. (s.a. Hebr 10,28) Schließlich droht Jesus, dass es bei seinem Kommen wie bei der Sintflut oder noch schlimmer sein wird (Mt 24, 37.40; Mk 13,19). Solche Jesusworte zeigen, dass Jesus nicht nur zu einem geringen Teil noch von dem gewaltsamen Vergeltungs- und Gehorsamkeitsdenken seiner Zeit geprägt war. Dagegen und damit unvereinbar stehen die Bibelstellen, in denen Jesus zur Nächstenliebe und zur Einhaltung der Goldenen Regel auffordert.
Es drängt sich die Frage auf, wie Nächstenliebe, Goldene Regel und damit Gewaltüberwindung überhaupt entscheidend positive Wirkung durch Christen gewinnen sollen, solange diese sich nicht von den hier genannten Gewalt befürwortenden Bibelstellen distanzieren und "die" Bibel samt dieser Stellen als Gottes Wort verstehen.
Quellen
Bearbeiten- Das neue Testament. Luther-Übersetzung [rev. Fassung], Basisausgabe, Stuttgart 2000
Luthers maßgeblicher Beitrag zur Hexenverfolgung
BearbeitenLuther trug maßgeblich bei zur Hexenverfolgung („die nach der Judenverfolgung größte nicht kriegsbedingte Massentötung“ [G. Schormann, Hexenprozesse in Deutschland, Göttingen 1986, S. 5]). Schon 1516 hatte er in seinen Predigten über die zehn Gebote deren Bestrafung gefordert. Seit 1526 rief er zur Tötung der Hexen auf, fünf mal allein in seiner Predigt über 2. Mose 22,16: Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen. Schließlich droht er Hexen in Predigten 1529 (15.8./12.9.) und 1536 (über Gal 5,20) auch mit Folter und fordert in der letzteren Predigt für Hexen auch den Scheiterhaufen. Am 22.8.1529 spricht Luther auch den Bann über Hexen in Wittenberg aus. Seit 1536 will er wiederholt nicht nur Folter und Todesstrafe, sondern auch die Verbrennung der Hexen. (siehe Übersicht)
1540 werden in Wittenberg vier Personen als Hexen und Zauberer verbrannt – besonders grausam lebend geschmäucht und an Säulen gebraten, wie durch einen Holzschnitt von Lucas Cranach d.J. zur Abschreckung bekannt gemacht. (s. Abb., aus: J. Haustein, s.u., S. 142)
Der Kirchenhistoriker Nikolaus Paulus, dessen Arbeiten den Abschluss einer langjährigen Auseinandersetzung über die Verantwortung der Kirchen für die Hexenverfolgung bildeten, schreibt (in ders.: Hexenwahn und Hexenprozeß – vornehmlich im 16. Jahrhundert, Freiburg 1910): „Bei dem großen dogmatischen Ansehen, welches Luther genoß, wurde sein Teufels- und Hexenglauben maßgebend in der lutherischen Kirche.“(S. 49) und hebt hervor, „daß seine Aufforderungen zu strenger Bestrafung der ‚Teufelshuren‘ den Hexenprozessen mächtig Vorschub geleistet haben.“ (S. 52) Selbst Protestanten, die den katholischen Hexenhammer verwarfen, befürworteten die „Hexen“-Verbrennung mit Berufung auf Luther und die Bibel, welche ihnen als „alleinige Richtschnur“ galt. (ebd. 60ff u. 99) So wurden zuerst in Kursachsen 1572 die Strafgesetze Karls V. lutherisch „dahin verschärft, daß Zauberer und Hexen wegen des Bündnisses mit dem Teufel, auch wenn sie niemand beschädigt hätten, verbrannt werden sollten; auch einfache Wahrsagerei wurde mit dem Tode bestraft.“(ebd. 54) Dazu der Historiker H.-J. Wolf: „Hier spiegelt sich die reformatorische Denkweise, sie geht später in das vom lutherisch gesinnten Kurfürsten Ludwig 1582 publizierte kurpfälzische und später in das preußische Landrecht ein.“ (Geschichte der Hexenprozesse, Erlensee 1995, S. 959)
Übersicht zu Luthers Hexenreden
Bearbeiten1516
Juli: Predigt über die 10 Gebote, Das erste Gebot: Über die Hexen, die mit dem Teufel einen Bund eingehen. W3,1148ff Luther will Bestrafung der Hexen. W3,1179f Okt.: Vorlesungen über den Galaterbrief, Gal 3,1 u. 5,20: Zauberei sei durch Erfahrung und Bibel bestätigt W8,1463.1611f
Wiederholungen in:
1518 Erklärung der 10 Gebote W3,1356 1520 Vorläufer des Katechismus W10,153 1522 Betbüchlein WA10/2,380
1522
Predigt: Am Tage d. hl. drei Könige: Hexen = böse Teufelshuren, die ... W11,319f
1523
Predigt über den 1. Petrusbrief: Weiber-Natur = Zauberei / Aberglaube W9,1053f Predigt über 1. Mose 3,1-6 v. 14.5.: Frauen vom Teufel bevorzugt W3,73.77 Predigt über 1. Mose 6,1-4 v. 14.6.: böser Geist schwängert Zauberinnen ebd. 137
1526
Predigt über 2. Mose 22,18: Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen: „Deshalb töte man sie, ... auch, weil sie mit dem Teufel Umgang haben.“ WA16,551f
1529
Predigt vom 15.8.: Folterdrohungen an Wettermacherinnen WA29,520f 22.8.: Bannspruch über angebliche Hexen ebd.539 12.9.: Gebet gegen Hexen, damit sie entdeckt und gefoltert werden ebd.557f Großer Katechismus: Erklärung des Vaterunsers: Macht des Teufels W10,115.121 Auslegung des 1. Gebotes: Die Teufelsverbündeten ebd.34
1531
Kommentar zum Galaterbrief (Gal3,1): Herrschaft des Teufels / Wechselbälge W9,255f
1534/35
Pred.‘n üb. d. Taufe v. 18.1.1534 u. 6.1.1535: schändl. Wettermacherinnen / Teufelshuren WA37,261.636f; W10,2066f
1536
Vorlesung über Genesis 6: Buhlteufel und Teufelskinder / Wechselbälge W1,447 Predigt über Gal 5,20: Folter und Scheiterhaufen für Hexen WA41,683
1538
Predigt vom 19.4.: Warnung bei Todesstrafe vor Zauberei u. Ketzerei WA46,287 Tischreden: Teufelskinder ersäufen * W22,755ff 25.8.: „Mit Hexen muß man kein Mitleid haben; ich wollte sie selber verbrennen.“ W22,782ff
1539
Von den Konzilien und der Kirche: „Teufelshuren ... wo man sie kriegt, mit Feuer verbrennt, wie recht ist, ... um der Lästerung willen.“ W16,2296
1540
Predigt vom 2.5.: Über Teufelshuren und Zauberinnen mit Berufung auf Hiob W7,1354f Tischreden: Treiben der Hexen nehme wieder überhand WA TR 4,621
(* auch 1545 Pred. v. 6.9. WA51,57)
Anmerkung: Der heutige Kirchenhistoriker Jörg Haustein konnte in seinem Buch: Martin Luthers Stellung zum Zauber- und Hexenwesen, Stuttgart 1990, das Urteil N. Paulus’ nicht entkräften.
Quellen
BearbeitenQuellenangaben in: „Luthers Hexenreden“, Beilage zu:
- Hannes Müller, "Wurzeln der Gewalt in Bibel und Christentum", Berlin 2003
(Erstfass. veröfftl. in „dahlemit“ 2/2004)
W = Walch (Hrsg.), Luthers Sämtl. Schriften, 1986/87; WA = Weimarer Ausg.
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