Hallo Andreas,

Ich schreibe dir, weil ich "das Gefühl des Weltuntergangs" selber kenn' ;-), aber die allgemein verbreitete Horror-Darstellung von ChemTrails dank meines ChemStudiums als betrügerisch motivierte Panikmache identifiziere.

((Nebenbei ist dies auch ein Brief an einen Bekannten, der mich vor einigen Wochen drauf aufmerksam gemacht hat, dass ihn dieses Thema sehr besorgt.))

Die Internet-Berichte darüber sind dürftig oder unseriös. Ich habe vergeblich nach einer umfangreichen und wissenschaftlichen Kritik gesucht, dafür aber eine Sekten-artige "pro-Chemtrails"-Seite gefunden, die sich auf den Weltuntergang total einen abwichst und nebenbei viel Unsinn über Wunderheilung und Schutz vor Chemtrails verbreitet - sie ist übrigens das ERSTE, was google einem dazu anbietet - das passt so gar nicht zu Verschwörung ! Nun aber zum rein objektiven Teil: Ich bin Chemie-Student. Schon mit Ergebnissen der "einfachen" Grenzflächenchemie, die nebenbei seit etwa 100 Jahren existieren und daher nicht auf Verschwörungspläne zu reduzieren sind, kann ich die "Chemtrails" (so wie sie im Internet ausschließlich definiert werden) als harmlose Kondensstreifen erklären. Die einfachste Erklärung ist zudem oft richtig. Du musst folgende Begriffe in wissenschaftlichen "Physikalische Chemie" Büchern (bei so etwas niemals dem Internet glauben!) recherchieren und verstehen, wenn du MIR nicht gauben willst:

- Nebelbildung: Temperatur- und Druck-abhängig stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Verdunstung und Kondensation ein. - Grenzflächenspannung (surface tension) fest/gasförmig und flüssig/gasförmig: Verunreinigungen in der Luft beeinflussen die Stabilität von Nebeltröpfchen - Differenzdruck an Phasengrenzen, Nukleation: große Tropfen wachsen zu Lasten kleiner, bis ein den Umständen entsprechender optimaler Radius erreicht ist !

Damit wirst du nachvollziehen können, dass Kondensstreifen extrem unterschiedliche Lebensdauer und Gestalt besitzen können (wie Wolken), die von der Luftverschmutzung (Partikel), der relativen Luftfeuchtigkeit und dem Druck in verschiedenen Höhen abhängig sind. Sie können unter günstigen Umständen auch die Nukleation von Wassertröpfchen katalysieren, so dass dort, wo einfache Kondensstreifen sind, breite Wolken wachsen. Militärflugzeuge dürfen tiefer fliegen, als andere. Sie verursachen daher eher lang anhaltende, aber dabei normal verschmutzte Kondensstreifen. Ich selbst kenne diesen Effekt rein optisch etwa, seit ich 6 Jahre alt bin. Das war 1987, also lange vor 1999, dem "Erfindungsjahr der Chemtrails". Damals sausten häufig tieffliegende Düsenjets über unsere Köpfe.

Ich bestreite in dem Zusammenhang nicht, dass es tatsächlich unschöne Experimente mit Sprühflugzeugen gibt, z.B. zur Entlaubung, Insektenvernichtung (DDT-Skandal), auch zur Veränderung der OF-Spannung von Wassertröpfchen, die zum Abregnen von Wolken führen soll. Die besagte Horror-Seite hat sich darum auch der Bilder von solchen Sprühvorrichtungen bedient. Das alles ergibt für mich aber kein Bild von "Geheimexperimenten in großem Maßstab über deutschen Köpfen", sondern eher von "philosophisch oder gar religiös verzweifelter Weltuntergangssucht".

Ob die Radar-Ablenkung durch Metallstäube in Kriegsgebieten möglich ist, kann ich übrigens leider nicht beurteilen. Bis auf den super-umweltschädlichen Flugzeugabgas-Scheiss, Ozonloch, Polschmelze und Smog-Alarm gibt es meiner Meinung nach aber keinen Grund, mit einer erkrankten Phyntasie auch noch mysteriöse Gifte in die (zugegeben etwas unnatürlich anmutenden) Kondensstreifen zu interpreteren :-)

Vielleicht konnte ich dich ja etwas überzeugen, ((und Dominik, wenn er diesen Brief erhält)) Harro