Benutzer:Worms7/Wirtschaftsordnung Zisterzienser

Wirtschaft in Worms

Die Wirtschaftsordnung der Zisterzienser

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Im Jahr 1098 zog eine kleine Schar von Benediktinermönchen aus dem Kloster Molesme in Burgund aus, ein neues Kloster zu gründen. Die reichen und prächtigen Klöster jener Zeit waren ihnen fremd, ihr Ziel war die Rückkehr zu einem asketischen Leben nach den reinen Regeln von Benedikt von Nursia.

Aus den ersten Anfängen des neuen Klosters in Citeaux entwickelte sich in wenigen Jahrzehnten ein beeindruckender Orden, die Zisterzienser. Nach weniger als 50 Jahren gab es bereits in ganz Europa mehr als 350 Zisterzienserklöster.

Zwei Aspekte führten zum schnellen Durchbruch des Zisterzienserordens: die spirituelle Erneuerung und eine neue betriebswirtschaftliche höchst effiziente Ordensstruktur.

Das Vorgehen der Zisterzienser im 11. und 12. Jahrhundert war durchaus „modern“, es würde auch in die heutige Zeit passen, war aber damals revolutionär.

Das Umfeld

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Die europäische Wirtschaft war im ausgehenden 11. Jahrhundert noch vorwiegend geprägt durch die Agrarwirtschaft. Die Herrschenden vergaben Land oder später auch Rechte zu Lehen und erhielten dafür einen Anteil des Ertrages (Feudalwirtschaft). Dieser wurde zwar als Geldwert ausgedrückt, aber in aller Regel in Form von Naturalien erstattet. Geldmünzen waren rar.

Bild 2 veranschaulicht die mittel-alterliche Gedankenwelt. Über den Bauern (die „Labores“ oder Arbeiter) standen der Adel (die „Bellatores“ oder Kämpfer) sowie der Klerus und die Mönche (die „Oratores“ oder Beter). Adel, Klerus und Mönche wurden von den Bauern ernährt, im Gegenzug sicherten die Grundherren ihren Bauern Schutz zu, Klerus und Mönche darüber hinaus ihre Stellvertretung bei Gott.

Der neue Orden

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Die frühen Klöster waren zumeist Einzelgründungen, in denen die bereits im 6. Jahrhundert von Benedikt von Nursia aufgestellten Regeln individuell ausgelegt wurden: Der Mönch soll abgeschieden von der Welt in Armut und Keuschheit beten und für seinen Lebens-unterhalt arbeiten (ora et labora).

Im 9. Jahrhundert gab es in Europa unterschiedlichste Klöster, teilweise sehr reich geworden durch die Schenkungen der Gläubigen. Um das Jahr 1000 verbreitete sich von Cluny in Burgund aus eine Reformbewegung zur Rückkehr zur strengen Befolgung der Regeln Benedikts. Die Reformklöster unter-warfen sich in allen wesentlichen Fragen der Entscheidung des Abtes von Cluny, der erste christliche hierarchisch gegliederte Orden entstand. Binnen eines Jahrhunderts führte diese Machtkonzentration zu einer ungeheuren Prachtentfaltung, symbolisiert durch die „Kloster-kirche“ in Cluny (Bild 3), der damals größten Kirche der Christenheit.

Als Reaktion darauf gründete Roland von Molesme 1089 das „novum monasterium“ bei Citeaux in einer einsamen Waldgegend in Burgund. Seine Gefährten und er hielten sich streng an die Vorgaben Benedikts, ver-schärften diese sogar noch. Die Handarbeit der Mönche war ur-sprünglich nur eine Konsequenz des Armutsgebotes. Bei den Zisterzien-sern bekam Handarbeit einen hohen Stellenwert als Mittel der Askese.

In den ersten Jahren geriet das neue Kloster immer wieder an den Rand der Auflösung, aber mit dem Eintritt Bernhards von Clairvaux, gemeinsam mit 30 Anhängern, im Jahr 1113 setzte eine rasante Ent-wicklung ein. In einer einmaligen Erfolgsstory breitete sich der Orden über ganz Europa aus (Bild 4).

Organisation und Struktur

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Wie haben die Zisterzienser diese rasche Expansion beherrscht, wel-che Methoden haben sie genutzt, um ihre Identität zu wahren?

War Bernhard von Clairveaux als Autorität in Glaubensfragen unbe-stritten, so war der Engländer Stephan Harding, dritter Abt von Citeaux, der kongeniale Organisator des Ordens (Bild 1). In Italien hatte er die Reformklöster Camaldoni und Valombrosa kennengelernt. Deren Gedanken verband er auf der Basis der benediktinischen Regeln mit zwei völlig neuartigen Ideen zur carta caritatis prior im Jahr 1119:

  • Der Orden wird nicht durch einen Oberen, sondern durch ein Gremium geführt, dem General-konvent aller Äbte, der einmal jährlich in Citeaux tagt. Gemein-sam werden die für alle Klöster gültigen Regeln festgelegt und Verstöße dagegen geahndet. Ein für damalige Verhältnisse revolu-tionärer Ansatz, der dem einzelnen Abt eine große Entscheidungsfreiheit innerhalb der Ordensregeln gibt!
  • Das bisherige System der Feudal-wirtschaft wird durch die Eigen-wirtschaft abgelöst. Das Kloster führt alle Arbeiten im Agrarbe-reich und in den Werkstätten mit eigenen Mitarbeitern und in ei-gener Verantwortung aus (keine Vergabe von Land an Bauern gegen Zehnten).

Diese Organisation schuf einen Aus-gleich zwischen den Interessen der Einzelklöster nach Selbständigkeit und denen der Ordensorganisation nach Einheitlichkeit.

Gründung eines Klosters

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Es gab auch im Mittelalter kein herrenloses Land! Wie heute bei einer Industrieansiedlung ging es um Land für das Kloster und die Agrarwirtschaft, Verkehrsanbindung, Energie (Wasserkraft) sowie Befreiung von Steuern und Abgaben. Vpr der Gründung wurde intensiv verhandelt zwischen dem Kloster, von dem die Neugründung ausgehen sollte, und dem Grund- herren, der die Ansiedlung des neuen Klosters durch Stiftungen unterstützte.


Als Beispiel nehmen wir die Neu-gründung des Klosters Schönau bei Heidelberg durch das Zisterzienser-kloster Eberbach im Rheingau auf Betreiben des Bischofs von Worms als Grundherr und Stifter. Durch die Stiftung will der Bischof seinen Herrschaftsanspruch am Unterlauf des Neckars gegenüber dem Reichskloster Lorsch dokumen-tieren, das zuvor ganz in der Nähe das Kloster Neuburg gegründet hatte (Bild 6). Zugleich sorgt er für sein Seelenheil, denn er möchte im Altarraum der neuen Klosterkirche bestattet werden.

Mit dem Bischof handelt das Mutterkloster Eberbach die Be-dingungen für die Neugründung aus:

• Der Bauplatz liegt an einem Bachlauf mit ausreichender Wasserführung; • Das Kloster erhält genügend abgabenfreien Grundbesitz, um dauerhaft überleben zu können. Der Bischof muss hierzu alle Rechte von den derzeitigen Besitzern zurückkaufen und zu-sammen mit dem Grundbesitz dem neuen Kloster schenken; • Der Bischof sorgt für die ersten einfachen Unterkünfte.

Nachdem der Generalkonvent in Citeaux die Neugründung genehmigt hatte, zogen im Jahr 1142 zwölf Mönche und der neue Abt als Gründungskonvent mit einer unbekannten Zahl von Laienbrüdern von Eberbach nach Schönau. Der Abt war von Anfang an verantwortlich für sein Kloster und konnte im Rahmen der Ordens-beschlüsse selbständig entscheiden. Der Abt von Eberbach kam jährlich zur Visitation und erstellte hierüber einen schriftlichen Bericht an den Generalkonvent in Citeaux.

Die Gründungsfolge brachte es mit sich, dass jedes Kloster einem Mutterkloster zugeordnet war, dessen Abt die Visitation durch-führte. Im Gegenzug waren die visitierten Äbte ebenfalls Visitatoren ihrer Tochterklöster. Bei oft 5 – 8 Tochterklöstern, die auch weit entfernt lagen, waren der Zeit-aufwand und die Mühe sicherlich be-trächtlich! Aber auf diese Weise war das ganze Netzwerk des Ordens einem konsequentem Controlling unterworfen (Bild 7).

Aber wer kontrollierte Citeaux? Etwa der Papst als oberster Herr des Ordens? Dieser Weg war dem Orden sicher suspekt, deshalb wählten sie eine andere, interessante Lösung: Die Äbte der vier von Citeaux direkt gegründeten sogenannten Primar-abteien visitierten gemeinsam ihr Mutterkloster!

5. Betriebswirtschaftliches Vor-gehen

Das Vorgehen der Zisterzienser im weltlichen Bereich der Verwaltung, Produktion und Vermarktung lässt sich am ehesten durch zwei Merkmale charakterisieren:




 Sie gingen sehr rational und zielorientiert vor, auf das Not-wendige konzentriert. Alles Beiwerk (nicht nur in der Architektur) wurde abgelehnt.  Sie haben das kaufmännische, technische und agrarische Wissen ihrer Zeit aufgenommen und mit bestechender Konsequenz für ihre Zwecke eingesetzt und fortentwickelt.

Nach heutigen Begriffen wurde das Einzelkloster entsprechend dem Slogan „Think global, act local“ ge-führt. Jedes Kloster setzte seine eigenen wirtschaftlichen Schwer-punkte. Neben der dominierenden Land- und Wasserwirtschaft waren stets Werkstätten vorhanden, die nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch Waren für Dritte produzierten. Je nach örtlichen Verhältnissen betrieben die Klöster auch Bergbau (Eisen, Kupfer, Kohle und Salz) und Erzhütten. Dabei setzten die Mönche als Meister im Wasserbau die Wasserkraft bei Getreide- und Walkmühlen und im Bergbau sehr geschickt ein.

Im Agrarbereich, ihrer eigentlichen Domäne, optimierten sie die wesentlichen Produktionsfaktoren Boden und Arbeit. Die großen durch-organisierten Klosterhöfe unter klostereigener Leitung, auf denen anspruchslose Laienbrüder arbeite-ten, waren den Leibeigenen oder zehntpflichtigen Bauern auf kleinen Höfen weit überlegen.

Auch für den Absatz der Über-schüsse sorgte jedes Kloster selbst durch den Verkauf in eigenen Stadthöfen unter Ausschluss des Zwischenhandels. In der Regel wurden alle wirtschaftlichen Aktivi-täten unter eigener Regie betrieben.




Bild 8 Finanzielle Belastungen der Klöster

Den Einnahmen aus der Eigenwirt-schaft und Spenden der Gläubigen standen vielfältige Ausgaben gegen-über, sodass mit Recht von einem „Wirtschaftsunternehmen“ Zisterze gesprochen werden kann (Bild 8).






Bild 9 Personalstruktur eines Klosters

6. Persolarbeit

Das Personal eines Klosters setzte sich aus drei Gruppen zusammen (Bild 9). Zunächst waren da die Mönche, in der Regel Adlige und gebildet, soweit man das in dieser Zeit sagen darf. Lesen und Schreiben war eine eher unbekannte Kunst und musste häufig erst im Kloster gelernt werden.

Die Mönche lebten in der Klausur. Gespräche untereinander waren verboten, sie entwickelten deshalb eine Zeichensprache zu Verständi-gung. Täglich fanden acht Gottes-dienste in der Kirche statt, sodass es ihnen faktisch nicht möglich war, in größerem Umfang auf dem Felde zu arbeiten. Sie arbeiteten vor allem im Klostergarten und kopierten Bücher im Scriptorium.

Zweimal am Tag wurde ein sehr karges Essen ausgeteilt, meist bestand es aus einen Körner- und Gemüsebrei, gelegentlich gab es auch Fisch. Dazu gab es verdünnten Wein oder Bier und Wasser. Sie schliefen gemeinsam auf Stroh-lagern in einem großen, auch im Winter ungeheizten Schlafraum, von dem aus sie morgens um 2 Uhr (!) direkt zum ersten Gottesdienst gingen. Gekleidet waren die „weißen Mönche“ in einen Habit aus unge-färbter Wolle. sie trugen weder Strümpfe noch Fußwickel, lediglich Sandalen. Selten wurden sie viel älter als 30 Jahre.

Anders dagegen die Konversen: sie stammten aus dem Bauernstand, besaßen nur niedrige Weihen und mussten auch nur am Sonntag am Gottesdienst teilnehmen. Bei ihnen war das Schweigegebot gelockert, sie bekamen deutlich mehr zu essen, denn sie hatten körperlich hart zu arbeiten. Ihre Aufgabe war das „labora“.

Die Konversen gehörten nicht zum Klosterkonvent und waren damit weitgehend rechtlos. In der frühen Zeit war es sogar verboten, ihnen Lesen und Schreiben beizubringen. Im Kloster lebten sie streng ge-trennt von den Mönchen, in der Kirche waren sie von ihnen durch den Lettner getrennt (Bild 10).

Die Zisterzienser fanden trotz dieser harten Lebensbedingungen in den ersten zwei Jahunderten genügend Nachwuchs:

Die Orientierung auf das Jenseits viel stärker ausgeprägt als heute: Adlige und Bauern schickten einen Sohn ins Kloster als Fürsprecher für die ganze Familie. Und die Zisterzienser galten wegen ihrer asketischen Lebensweise als besonders fromm und gottgefällig.

Darüber hinaus hatte der Orden in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens einen besonderen Werbe- träger: Bernhard von Clairveaux, einen begnadeten Prediger, Berater der Könige und ungeheuer populär im Volk.

Die Identifikation ging soweit, dass die Zisterzienser zeitweise „Bern -hardiner“ genannt wurden.










Auch bot das Klosterleben Vorteile. Der Orden schützte gegen Willkür und Unrecht. Für die Versorgung im Alter war gesorgt. Der Eintritt in ein Kloster war neben dem Kriegsdienst (Kreuzzüge!) für zweitgeborene Adlige und freie Bauern die einzige standesgemäße Wahl. Und die Bevölkerung wuchs in dieser Zeit dramatisch an (siehe auch Bild 18)!

7. Wirtschaftlicher Erfolg

Der wirtschaftliche Erfolg der Zister-zienser beruhte auf der konse-quenten Nutzung aller dem Orden zur Verfügung stehenden Erfolgs-faktoren (Bild 11).

Welcher Unternehmer wünschte sich nicht, seine Produktionsmittel ge-schenkt bekommen und nur nied-rigste Löhne zahlen zu müssen. Das Kloster stellte nur Unterkunft und karges Essen sowie armselige, oft zer-schlissene Kleidung, wie man an einer zeitgenössischen Buchillustra-tion erkennen kann (Bild 12) – dennoch waren die Mitarbeiter hoch motiviert, die Belohnung lag im Jenseits.

In einer Zeit, in der andere Klöster prächtige Kirchen errichteten, strahlten die Zisterzienser strenge Askese aus. Als Folge dieses, man würde heute sagen, Konsumver-zichts blieb ein hoher Überschuss, der vor allem in den Kauf von zusätzlichen Landflächen reinvestiert wurde.

Ein weiterer Erfolgsfaktor lag in der Organisation: klare Führungsstruk-turen, Buchführung und Controlling. Unter dem Abt stand der Cellerar (Kellermeister), der Wirtschafts-manager des Klosters. Er hatte keineswegs nur den Weinkeller unter sich, er leitete das gesamte Wirtschaftsunternehmen (Bild 13).

In späteren Jahren, als die Geld-wirtschaft zunahm, wurde ihm oft







Bild 13 Klosterorganisation

ein Bursar zur Seite gestellt. Ihnen untergeordnet waren Konverse, die die einzelnen Werkstätten und bäuerlichen Betriebe sowie die Han-delshöfe verantwortlich leiteten.

Der Cellerar war verantwortlich für die Buchführung, die er dem Abt und auch dem Vaterabt (der Abt des Mutterklosters) bei der jährlichen Revision vorlegen musste. Er hatte einen Jahresplan aufzustellen, und dies war ihm natürlich nur möglich, wenn er eine Jahresabrechnung mit Soll/Ist-Vergleich zu Grunde legen konnte.

Als Wirtschaftmanager hatte er sich um viele weltliche Dinge zu kümmern, es ist kaum vorstellbar, dass er seinen Mönchspflichten regelmäßig nachkommen konnte. Bis in die heutige Zeit ist das Spannungsverhältnis zwischen dem spirituellen Geist der in der Klausur lebenden Mönche und den nach außen orientierten „Kellermeistern“ erkennbar, man denke nur an die Auseinandersetzungen im Kloster Andechs in den letzten Jahren!

Wie bereits erwähnt, bildete die Landwirtschaft im Mittelalter immer den wirtschaftlichen Schwerpunkt der Zisterzienser. Sie entwickelten in Anlehnung an die Königshöfe die so genannten Grangien. Diese Klos-terhöfe übertrafen die Größe von Bauernhöfen um ein Vielfaches. Der Hof selbst lag inmitten des eigenen Landes, stets außerhalb der ge-schlossenen Bebauung (Bild 14).

In dicht besiedeltem Gebiet musste das Kloster oft über Jahrzehnte mit viel Geduld und Zähigkeit einzelne Äcker und Rechte aufkaufen oder als Schenkung erwerben, bis das Ge-lände geeignet war, eine Grangie zu errichten.

Die Grangie ermöglichte eine großflächige Bewirtschaftung unter optimalen ökonomischen Bedingun-gen. Der Manager der Grangie war






Bild 14 Grangie

der Grangiar, ein Konverse, der sich durch seine Leistung aus der Gruppe der Landarbeiter hervorgetan hatte.

Hier wird deutlich erkennbar, wie die ursprünglichen Ordensregeln durch die wirtschaftliche Notwendigkeit korrigiert wurden. Schließlich war den Konversen zunächst verboten, Schreiben und Lesen zu lernen! Unterlagen aus dem 13. Jhdt. zeigen, dass einzelne Grangiare ständig mit Vertragsverhandlungen im Auftrag des Cellerars beschäftigt waren. Daneben hatten sie um-fangreiche Verwaltungsaufgaben zu erfüllen (Bild 15).






Bild 15 Die Aufgaben des Grangiars

Welch ein sozialer Aufstieg für einen ehemaligen Bauernjungen und sicher ein Anreiz für strebsame junge Menschen, als Konverse ins Kloster einzutreten!

8. Agrarproduktion

Der Erfolg ließ nicht auf sich warten. Die Güter warfen steigende Über-schüsse ab. Bild 16 zeigt einige Zahlen als Beispiel, wobei diese Mengen nicht die einzigen Produkte des jeweiligen Klosters waren. In England waren die Produktionsein-






Bild 16 Agrarproduktion en gros heiten besonders hoch, darüber hin- aus beherrschten die Zisterzienser einen Großteil des Wollhandels. Um für ihre sehr gute Ware einen hohen Preis zu erzielen, differenzierten sie den Markt durch Qualitätsklassen.

Dieser Reichtum führte natürlich auch zu negativen Konsequenzen. So waren die englischen Zisterzen im Jahr 1194 gezwungen, ein Sechstel des von England zu zahlenden Lösegeldes für Richard Löwenherz beizusteuern. Dort, wo sich solche Abgaben an Staat oder Kirche nicht vermeiden ließen, ver-mied der Orden geschickt das Ent-stehen einer regelmäßigen Zah-lungsverpflichtung.

9. Logistik und Absatz


Die Großproduktion erforderte neue Absatzmethoden. Man löst sich vom







Bild 17 Das warme Mittelalter

Zwischenhandel, sorgte durch inten-sives Lobbying für eine weitgehende Befreiung von allen möglichen Abgaben und hatte zudem das Glück, in einen schnell wachsenden Markt zu produzieren.

Von etwa 1100 bis 1300 lag die mittlere Jahrestemperatur in Mittel-europa um 1 bis 2 Grad über der bisherigen Temperatur (Bild 17). Der Erfolg waren größere Ernten, es gab nur wenige der sonst häufigen Hungersnöte, die Sterblichkeit sank. Die Bevölkerung nahm rasant zu und mit ihr die Zahl der Städte (Bild 18). Und Städte brauchen Lebensmittel, da ihre eigene Agrar-produktion nicht ausreicht. Die Klöster erkannten ihre Chance!

Sie gründeten in den Städten ihrer Umgebung Stadthöfe als Verkaufs-






Bild 18 Gründerjahre im Mittelalter

stellen für ihre Agrar-Überschüsse. Selbst Kloster Schönau als eher unbedeutendes Kloster besaß fünf Stadthöfe (Heidelberg, Speyer, Ladenburg, Worms und Frankfurt). In Worms gab es daneben auch einen Stadthof der Zisterze Otterberg in der Pfalz (Bild 19). Im Bild ist die Umfassungsmauer deut-







Bild 19 Der Otterberger Hof in Worms lich zu sehen, sie grenzte den Gültigkeitsbereich des Stadtrechtes von dem des Klosterrechtes ab.

Die Gründungen von Stadthöfen lag in der Verantwortung des jeweiligen Klosters, ganz im Sinne des eigen- verantwortlichen Unternehmertums. So existierten in Köln die Stadthöfe von 13 Zisterzen in Konkurrenz zueinander. Bild 20 zeigt die Lage von drei dieser Stadthöfe in Köln.

Die Stadthöfe waren neben dem direkten Handel auch für Rechts-geschäfte zuständig. Man konnte bei ihnen wie auch in den Klöstern Geld bzw. Wertgegenstände sicher ver-wahren. Es gibt schöne Geschich-ten über den Unwillen der Mönche, einmal hinterlegtes Geld wieder herauszurücken.

Von drei Klöstern ist belegt, dass sie ihren Wein sogar mit eigenen Schiffen bis nach Antwerpen trans- portierten (Bild 21): Kloster Eber-bach im Rheingau, Kloster Himme-rod an der Mosel und Kloster Neu-burg im Elsaß.

Im Mittelalter kamen sich die Rheinschiffer wahrscheinlich ähnlich vor wie heutzutage die LKW-Fahrer auf den Autobahnen. Um 1200 gab es bereits 37 Rheinzölle auf der Strecke von Straßburg nach Köln! Wer eine weitgehende Zollbefreiung erreichen konnte, hatte natürlich einen erheblichen Handelsvorteil. Und auch auf diesem Gebiet waren die Zisterzienser Meister. Mit Hinweis auf ihr gottesfürchtiges Leben in Armut und Askese erreichten sie vielerorts die Zoll- und Steuerfreiheit.

Angefangen vom Papst, der sie von allen Kirchenabgaben befreite, über den Kaiser bis hin zu den kleinen Rittern sorgten sie durch ständiges „Lobbying“ für gute Geschäftsbe-dingungen. Dies war natürlich sehr zeitaufwendig, vor allem, weil man beim Tod des Rechtsinhabers gut daran tat, sich die Befreiung vom Nachfolger und von möglichst vielen Zeugen bestätigen zu lassen.

Die Privilegien waren eigentlich nur für den Eigenbedarf des Klosters gedacht, aber wie sollte man diesen von der Handelsware trennen? So gab es immer wieder Klagen über die Zisterzienser. Als vor Seeland ein Schiff des Ordens von Seeräubern überfallen worden war, notierte ein Kölner, dass man sich allenthalben darüber freue, schließ-lich seien die Zisterzienser keine Mönche, sondern Kaufleute…

10. Frühkapitalistische Auswüchse: Das Bauernlegen

Am schlimmsten wirkte sich das frühkapitalistische Gebaren der weißen Mönche beim „Bauernlegen“ aus: Hatte ein Kloster sukzessive alle Ländereien und Rechte eines Gebietes in seinen Besitz gebracht, gründete es eine Grangie. Nur gab es dort leider auch noch das Dorf mit den Bauern, die bis dahin die Felder bearbeitet hatten. Kaum zu glauben, aber die Leute wurden fort-gejagt und das Dorf niedergelegt.

So geschah es den Einwohnern der Ansiedlung Kez (Ketsch) nahe Heidelberg. Ab 1159 übertrug der Speyerer Bischof immer mehr Ei-gentumsrechte an den Bauernhö-fen, Wiesen und Feldern auf das Kloster Maulbronn. Schließlich er-richtete Maulbronn eine Grangie, das Dorf wurde aufgelöst. Das Dorf Ketsch lebte erst gut hundert Jahre später wieder auf, als man die Grangie in Zehnthöfe für „die armen leuthe“ aufteilte.

Nicht so erfolgreich war das Kloster Schönau mit seinem Dorf Plank-stadt. Die Plankstädter wehrten sich, verweigerten den Abzug trotz Zwangsmaßnahmen der Kirche bis hin zum Interdikt (Ausschluss von den Sakramenten, auch von der Taufe und dem Sterbesakrament!). Erst auf Druck des Pfalzgrafen bei Rhein gab der Abt von Schönau nach jahrelangem Kampf nach und verpachtete das Land an die Bauern.

Aus dieser Zeit stammt auch der Ausspruch „Wehe, wenn Dein Land an das der Zisterzienser grenzt, es wird Dir nicht mehr lange gehören“.

Extrem war die Situation in England, wo die großen Zisterzienserklöster weite Landstriche für die Schafzucht besaßen. Überliefert ist der Spruch eines englischen Zisterziensers:

The earth is the Lord’s and we, we only are the sons of the Most High, and besides us there is none worthy to posses it.

(Die Erde ist Gottes Werk und wir alleine sind die Söhne des All-mächtigen. Außer uns ist niemand wert, sie zu besitzen!)

Dieses radikale Vorgehen brachte dem Orden einen sehr schlechten Ruf ein. Das Generalkapitel versuch-te deshalb im Jahr 1182 sogar den weiteren Landkauf zu unterbinden, aber die wirtschaftliche Interessen-lage und die Landgier der Mönche war stärker.

11. Effizienz

Das änderte aber nichts an der großen fachlichen Überlegenheit der Zisterzienser auf so verschiedenen Gebieten wie der Agrarwirtschaft, des Handwerks und der Technik. Auch ihre hoch entwickelten buchhalterischen und organisatori-schen Fähigkeiten machte sie zu be-gehrten Partnern. Die großen Betriebseinheiten förder-ten die Heranbildung von Spezia-listen. Zu deren Weiterbildung tru-gen auch die jährlichen Treffen in Citeaux bei. Die dort versammelten Äbte behandelten keineswegs nur spirituelle Fragen, sondern auch ganz handfeste ökonomische Probleme. Nirgendwo in Europa gab es im 11. und 12. Jhdt. auch nur an-satzweise einen derartigen Wissens- und Erfahrungsaustausch über alle Herrschaftsgrenzen hinweg.

Ob es sich um Fragen des Bergbaus, der Salzgewinnung, neuer Obstsor-ten, der Landbearbeitung oder auch Fragen der Organisation handelte, hier fand sich unter den hunderten Teilnehmern des Generalkonvents sicher jemand, der Rat geben konnte.

Die Äbte kamen nicht einzeln nach Citeaux, man reiste gemeinsam mit den Delegationen befreundeter Nachbarabteien. Die Äbte wurden begleitet von Konversen und Knechten. Auch war häufig ein bewaffneter Begleitschutz erforder-lich, so dass sicher mehrere tausend Menschen einmal im Jahr aus allen Himmelsrichtungen gen Citeaux zogen.

Nur die Äbte trafen sich im Kloster von Citeaux, die Übrigen nahmen Quartier in Dijon, wo es wohl, nach den Klagen der Stadt zu urteilen, recht zügellos zugehen konnte. Aber es wird auch zu ganz zwanglosen Kontakten zwischen den Konversen gekommen sein - heute veranstalten globale Unternehmen ganz gezielt derartige Treffen, bei denen der soziale Kontakt wichtiger ist als die offiziellen Sachthemen. Es ist also kein Wunder, dass sich nicht nur die Klöster untereinander Fachleute ausliehen, sondern auch Fürsten und Bischöfe gerne die Expertise der weißen Mönche nutz-ten. Ein Beispiel von vielen: Der Erzbischof von Köln beauftragte einen Zisterzienser, die Betriebs-abrechnung seines Landbesitzes neu zu gestalten – man kann hier von einem mittelalterlichen Consultant sprechen.

Im 12. Jahrhundert nahm das „Ausleihen“ von Mönchen und Kon-versen derart zu, dass man sich zum Schutz der spirituellen Kloster-gemeinschaft sogar genötigt sah, das Ausmaß zu begrenzen.

Vor allem bei den erfolgreichen Neugründungen von Klöstern in Spanien und im Osten (Bild 22) kam die Vorbildfunktion zum Tragen. Slawische Fürsten riefen die Zisterzienser ins Land zur Neuge- staltung von Landwirtschaft und Handwerk. Tochterklöster vor allem der niederrheinischen Zisterze Kamp und anderer Zisterzen finden sich nicht nur in Mitteldeutschland und dem jetzigen Polen und der Tschechei, sondern auch im Baltikum. Lediglich das spätere Ostpreußen war in der Hand des Deutschen Ordens und blieb den Zisterziensern verschlossen.

Nach der erfolgreichen Vertreibung der Mauren aus Spanien im 13. Jahrhundert eröffnete sich den weißen Mönchen die Möglichkeit, ihr Konzept der agrarischen Großbe-triebe in der Weite der eroberten Gebiete erfolgreich umzusetzen.

So waren die ersten zwei Jahr-hunderte des Ordens beginnend mit der Gründung 1098 die erfolg-reichste Zeit der Zisterzienser.

12. Niedergang

Der Niedergang von Unternehmen kann heute innerhalb weniger Jahre geschehen. Meist erkennt man zumindest im Nachhinein, dass das Beharren auf den ehemals erfolg-reichen Geschäftsgebieten der Aus-löser für den Absturz des Unter-nehmens war.

Nicht anders war es vor 700 Jahren bei den Zisterziensern: Das spirituelle Umfeld ändert sich im 14. Jahrhundert entscheidend: Die neuen, in der Stadt wirkenden Predigerorden, Franziskaner und Dominikaner, werden nun höher bewertet als die von der Welt abgeschiedenen Zisterzienser. Hier-durch versiegte nicht nur der Strom der Schenkungen an den Orden, sondern auch das Interesse daran, als Mönch oder Konverse in den Orden einzutreten (Bild 23).

Vor allem die jungen Bauernsöhne sehen in der Stadt eine attraktive Alternative zum Klosterleben. Die Zahl der Konversen fällt so stark, dass die Klöster ihr Land nicht mehr selbst bearbeiten können. Das Land wird verpachtet oder mit (teuren) Lohnarbeitern bewirtschaftet. Der Anteil der Eigenwirtschaft geht zurück und damit auch der Wettbewerbsvorteil durch billige und willige Arbeitskräfte. Zudem verliert







Bild 23 Gründe für den Niedergang

die Agrarwirtschaft zu Gunsten der gewerblichen Produktion der wachsenden Städte an Bedeutung. Die Agrarpreise sinken. Der Ertrag aus der Agrarwirtschaft, dem mit Abstand wichtigsten Erwerbszweig der Zisterzienser, sinkt dramatisch.

Große italienische und süddeutsche Handelsunternehmen und Banken dominieren nun den Fernhandel und die Finanzwirtschaft. Haben bis da-hin die Klöster Geld verliehen (wobei sie das Zinsverbot der Kirche auf vielfältige Weise umgingen), müssen sie jetzt selbst Geld aufnehmen, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Die letztlich nur halbherzigen Bemühungen der Zisterzienser, sich auf die neuen Gegebenheiten ein-zustellen, können in vielen Fällen das wachsende finanzielle und personelle Ausbluten der Zisterzen nicht aufhalten.

Es kommt zu ersten Klosterauf-lösungen, .d.h. „Konkursen“. Die je-weiligen Mutterklöster befinden sich selbst in Schwierigkeiten und können oder wollen keine Unter-stützung leisten - die Ähnlichkeit mit heutigen Vorgängen ist evident! Die wenigen noch vorhandenen Mönche werden auf die Straße gejagt, der Generalkonvent „bittet“ lediglich die anderen Klöster um deren christliche Hilfe und Aufnahme der heimatlosen Mönche. Die Schulden der aufge-lösten Klöster verfallen mangels Masse, da der Orden eine Über-nahme verweigert.

Der so ausgelöste rapide Verfall der Reputation und das schwindende Interesse des Papstes als der über-geordneten Kirchenorganisation führen zum entscheidenden Bedeu-tungsverlust des Ordens innerhalb weniger Jahre. Trotz mehrfacher Re-formen und Ansätze zum Neube-ginn konnte der Orden seine frühere Bedeutung nie wiedererlangen.

Das faszinierende, aber teilweise auch erschreckende frühkapita-listische Unternehmertum der „weißen Mönche“ ist Vergangenheit.






Weiterführende Literatur:

 Bouchard, Constance Brittain: Holy Entrepreneurs, Ithaca and London: Cornell University Press 1991  Carta Caritatis Prior, Internet-Seite des Zisterzienser-Ordens, www.ocist.com/ccpri.htm  Dinzelbacher, Peter: Europa im Hochmittelalter 1050 -1250, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003  Eberl, Immo: Die Zisterzienser, Stuttgart: Thorbecke 2002  Elm, Kaspar; Joerißen, P.; Roth, H. J. (Hrsg.): Die Zisterzienser, Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, Köln: Rheinland-Verlag 1980  Elm, Kaspar (Hrsg.): Die Zisterzienser, Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, Ergänzungsband, Köln:Rheinland-Verlag 1982  Glaser, Rüdiger: Klimageschichte Mitteleuropas, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2001  Graves, Coburn V.: The Economic Activities of The Cistercians in Medieval England, Analecta Sacri Ordinis cistercinsis, Roma: Editiones cistercienses 1957  Hunt, Edwin S., Murray, James M.: A History of Business in Medieval Europe, Cambridge University Press 1999  Jedin, Hubert u.a.: Atlas zur Kirchengeschichte Freiburg: Herder 2004  Klein, Thomas F.: 900 Jahre Zisterzienser, Arbeitsgem. Zisterzienser der Fremdenverkehrsverbände Deutschlands, Koblenz: Görres 1998  Lekai,Louis J.: The Cistercians, Ideals and Reality, The Kent State University Press 1977  Mayr, Markus: Die Wirtschaftsführung der Zisterzienser im Mittelalter und das Konzept der strategischen Unternehmensführung, Cisterci Kiado, Analecta Cisterciensia 2002  Nagel, Bernhard: Die Eigenarbeit der Zisterzienser, Marburg: Metropolis 2006  Schich, Winfried (Hrsg.): Zisterziensische Wirtschaft und Kulturlandschaft, Berlin: Lukas 1998  Schneider, Ambrosius u.a.: Die Cistercienser (Geschichte, Geist, Kultur) Köln: Wienand 1986  Steinwascher, Gerd: Die Zisterzienser-Stadthöfe in Köln, Altenberger Dom-Verein, Bergisch Gladbach: Haider 1981  Toepfer, Michael: Die Konversen der Zisterzienser, Berliner historische Studien Bd. 10, Berlin: Dunker & Humblot 1983  Scholkmann, Barbara; Lorenz, Söhnke (Hrsg.): Von Citeaux nach Beben-hausen, Tübingen: Attempto 2000