Die Zeitmaschine Karls des Großen ist ein alternativweltgeschichtlicher Roman des deutschen Schriftstellers Oliver Henkel, der 2001 erschien und den Debüt-Roman des Verfassers darstellt. Er spielt in einer Welt, wo das Weströmische Reich nie untergegangen ist, es somit nie ein Mittelalter gab und das Frankenreich unter Karl dem Großen sich nun als neue Regionalmacht im Norden etablieren konnte. Der Protagonist ist ein für den römischen Staat arbeitender Ostgote, der zu den Franken geschickt wird, um dort Gerüchten über merkwürdige politischen Veränderungen nachzugehen, während sich im Hintergrund ein neuer Krieg zwischen dem Oströmischen Reich und dem Perserreich abzeichnet. Der Roman wurde 2002 mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet.[1]

Handlung Bearbeiten

796 n. Chr.: Der Ostgote Andreas Sigurdius, Mitarbeiter im Föderatenbüro des Weströmischen Reiches wird mit einem besonderen Auftrag nach Norden geschickt: Er soll herausfinden, was derzeit im Fränkischen Reich geschieht. In den letzten drei Jahren sollen sich dort merkwürdige Dinge abspielen, berichten Kundschafter aus Ostrom: Der dortige Herrscher Karl hat das gesamte Reich auf ungewöhnliche Weise umstrukturiert und mit einem brutalen Feldzug die Sachsen unterworfen. Diese zwang er, einen Eid auf die Römische Kirche abzulegen – obwohl Rom innerhalb der christlichen Ordnung nur an dritter Stelle steht und das Oberhaupt der Christenheit in Konstantinopel ist. Zudem bezeichnet er sich nun als „Karl der Große“ und soll den Anspruch geäußert, dass er nach Gottes Wille der rechtmäßige Inhaber des Kaisertitels sei. In Westrom befürchtet man, da sich ein neuer Krieg zwischen Ostrom und den Persern abzeichnet, dass Karl die Lage zu einem Krieg ausnützen könnte, wenn viele weströmische Truppen zur Unterstützung nach Osten verlegt werden.

Andreas begibt sich unter dem Vorwand, die Denkmäler der römischen Vergangenheit bereisen und studieren zu wollen, in die fränkische Hauptstadt Trier, wo er sich über neueste Entwicklungen umhört. So erfährt er etwa, dass der Weg nach Aachen gesperrt ist und dort die Leibgarde des Königs selbst vor Ort ist. In dem Gasthaus, wo er unterkommt, begegnet er dem Angelsachsen Aethelred aus Mercia, mit dem er in das Gespräch kommt. Andreas fällt auf, dass der Mann ein auffällig gerade geformtes Gebiss besitzt und dass er stets glatt rasiert ist ohne eine sichtliche Verletzung der Haut. Zudem ist auch bestens mit der römische Geschichte vertraut, allerdings begeht er bei einem Gespräch einen merkwürdigen Fehler: Er behauptet, dass Odoaker damals in Ravenna eingezogen wäre, obwohl es allgemeines Grundwissen ist, dass Odoaker den Tod in der Schlacht fand und Rufus Scorpio, der Retter des Weströmischen Reiches, sich zum Kaiser machen ließ.

Andreas will daher erfahren, woher Aethelred wirklich kommt und beobachtet diesen genau. Er folgt diesem eines Tages und erfährt so, dass er eine Höhle in der Umgebung aufsucht. Dort findet er, als er sich in diese vorwagt, eine merkwürdige Konstruktion aus Metall vor, die mit ihm fremden Zeichen beschriftet ist. Er findet auch heraus, dass der Angelsachse mit Münzen zahlt, die sichtlich schlechte Nachahmungen echter Münzen sind und alle vollkommen gleich gestaltet sind, allerdings einen sehr reinen Silbergehalt besitzen – die Umschrift bezeichnet zudem Karl als römischen Kaiser. Als er schließlich bei einer günstigen Gelegenheit Aethelreds Zimmer durchsucht, findet er ein Buch in ungewohnter Aufmachung, dessen Sprache vereinzelt Ähnlichkeit mit dem Lateinischen besitzt. Er findet noch eine Karte Europas, die absurderweise auf das Jahr 813 n. Chr. datiert ist und Grenzen zeigt, die kaum etwas mit der Gegenwart zu tun haben und für ihn wie die Ausgeburt eines Verrückten wirken.

Aethelred überrascht Andreas und gibt sich, da Andreas bereits viel weiß, ihm schließend zu erkennen: Sein richtiger Name ist Vincent Franklin und er stammt aus dem Jahre 1998. Er ist im Auftrag der National Agency for Temporal Exploration (NATE), einer wissenschaftlichen Zeitreiseorganisation, tätig. Seit sein Kollege Dave Larue bei einer solchen Mission, die in Pompeji kurz vor dessen Untergang stattfand, verschwunden ist, ist die bekannte Zeitlinie drastisch verändert worden. Franklin erzählt Andreas, wie die ihm bekannte Geschichte sich entwickelt hat, dafür wird er von Andreas aufgeklärt, wie es in dieser Welt geschehen ist. Franklin geht davon aus, als Andreas ihm erzählt, was im Frankenreich vor sich geht, dass Karl mitbekommen haben muss, wie die eigentliche Geschichte der Welt aussieht und muss sich um seinen Platz in der Geschichte betrogen fühlen: Während er dort Herrscher über große Teile Westeuropas ist, ist er hier nur ein halbbarbarischer Provinzkönig. Nun versucht er offenbar, seine Welt an diese andere anzugleichen. Franklin vermutet einen Zusammenhang mit seinem verschwundenen Kollegen. Beide Männer haben dabei den Verdacht, dass der Schlüssel zu allem in Aachen zu finden ist. Franklin meint, dass Aachen in der ihm bekannten Welt eine zentrale Stellung in Karls Reich zugekommen war. Sie beschließen, die Sache gemeinsam anzugehen.

So gelingt es ihnen, sich des Nachts in Aachen einzuschleichen, wo sie bestätigt werden: Karl lässt tatsächlich die Pfalzkapelle aus Franklins Welt nachbauen. Sie finden auch heraus, wo sich Franklins Kollege Larue befindet und können mit diesem reden. Sie erfahren von diesem, dass Karls Oberkämmerer Einhard einen Plan entwickelt hat, die Zeitlinie wieder zu korrigieren, was er als den Wahren Willen Gottes empfindet. Allerdings hat Karl für den Fall, dass dies nicht gelingt, einen Ersatzplan aufgestellt, nämlich die militärische Eroberung des Weströmischen Reiches, sodass er sich am Weihnachtstag 800 zum Kaiser krönen lassen kann. Franklin und Andreas erfahren auch, dass die Franken durch das Wissen aus der Zukunft in der Lage sind, nun Gewehre von der Art, wie sie im 18. Jahrhundert verwendet wurden, herzustellen. Damit hätten sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Römern. Sie wissen, dass dies nicht geschehen darf, weil sonst Einhards Plan nicht mehr verwirklicht wird.

Nachdem sie Aachen verlassen haben, gibt Andreas in Trier eine Nachricht nach Rom auf, wo er vor der drohenden Gefahr warnt. Mit Franklin begibt er sich nach Sachsen, von wo aus in das Gebiet der Abotriten vorstoßen. Im Heiligtum von Racigard hoffen sie, von den dortigen Priestern, die mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet sind, zu erfahren, wie man die Zeitlinie wieder beheben kann. Die dortigen Priester der Göttin Siwa meinen aber, dass es ihnen nicht gelungen ist, ein entsprechendes Gesicht zu erhalten. Die Göttin habe ihnen nur mitgeteilt, dass es einen Mann in der Klosteranlage auf dem Mons Securus gibt, der ihnen weiterhelfen kann. Sie reisen sogleich nach Rom, wo sie sich eine Genehmigung für den Besuch einholen, denn die dortigen Mönche, die sich ihr Leben lang mit Zauberkunst befassen, stellen ihre Dienste ausschließlich dem Reich zur Verfügung. In Rom erhalten sie ein Schreiben dafür, müssen aber auch erfahren, dass die Nachricht von Andreas nie angekommen ist, sondern von den Franken abgefangen wurde. Auch erfahren sie, dass der Krieg gegen die Perser ausgebrochen ist, man habe eine Eroberung Ägyptens, die fatale Folgen gehabt hatte, verhindern können, aber große Teile der Truppen sind nun erst noch im Osten. Nach einer erfolgreichen Schlacht ist das geeinte ost- und weströmische Heer nach Persien weitermarschiert und hat die Hauptstadt Ctesiphon erobert, das Perserreich ist somit Geschichte. Dort haben die beiden Kaiser aber erfahren, dass die Perser mit den Franken im Bunde stehen.

Als sie zum Mons Securus kommen, werden sie enttäuscht, denn der betreffende Mönch, wurde bereits von den Franken entführt. So begeben sie sich zurück nach Rom. Inzwischen ist es im Reich zu schweren Konflikten zwischen den Nicaeern und den Arianern gekommen, wohinter die Franken stecken. Nur durch das besonnene Handeln der Kaiserin können die aufgebrachten Gruppen wieder versöhnt werden. Inzwischen haben die Franken allerdings die Alpen überquert und sind in Italien eingefallen. Ihr Ziel ist es, Portus Romae zu erobern, um die Weizenversorgung aus Nordafrika zu kontrollieren und Rom auszuhungern.

Franklin und Andreas kehren nach Rom zurück, wo sie ihren Teil dazu beitragen, dass das militärische Vorhaben der Franken vereitelt wird. Diese unterliegen schließlich trotz des Vorteils durch die Gewehre und fliehen zurück ins Frankenreich. Karl weiß, als er davon erfährt, dass sein Plan gescheitert ist. Er bereut, nicht auf Einhard gehört zu haben, dieser meint jedoch, dass es immer noch möglich ist, die Zeitlinie zu korrigieren. Larue soll zurückgeschickt werden, um den Fehler zu korrigieren, Karl besteht darauf, ihn selbst dorthin zu begleiten und Sorge dafür zu tragen, dass Gottes Wahrer Wille auch erfüllt wird.

Andreas und Franklin gelangen mit der weströmischen Armee nach Trier, wo sie in Karls Palast den gefangenen Mönch vom Mons Securus finden. Dieser erzählt ihnen, was er auch Einhard erzählt hat, nämlich dass Larue in Pompeji eine junge Frau namens Julia, zu der er ein freundschaftliche Gefühle entwickelte, einen Hinweis gab, Pompeji zu verlassen. Sie überlebte so die Katastrophe und heiratet später einen Offizier, der zum Ahnherrn des späteren Hauses Scorpio wird. Franklin und Andreas begeben sich sogleich zur Höhle, wo Franklins Zeitmaschine versteckt ist, um damit nach Pompeji zu reisen. Franklin hat Grund zur Befürchtung, dass Larue vor hat, die Frau vor ihrem Schicksal zu retten, womit die Zeitlinie nicht korrigiert werden würde.

In der Vergangenheit angekommen finden sie die zweite Zeitmaschine vor und Franklin sieht seine Befürchtung bestätigt: Neben dieser liegt Karl, der von Larue ermordet wurde. Sie begeben sich nach Pompeji und mieten sich dort ein Zimmer, von dem aus sie das belebte Zentrum gut beobachten können. Franklin hat ein Scharfschützengewehr mitgebracht und wartet darauf, dass sich Larue mit Julia trifft, um diese zu erschießen und damit die Zeitlinie wiederherzustellen. Da wird Andreas nachdenklich und erinnert sich daran, dass Franklin, als er ihn bat, mit nach Pompeji zu kommen, meinte, dass er nicht wolle, dass ihm etwas geschehen würde. Dadurch wird Andreas plötzlich bewusst, dass seine eigene Welt durch die Korrektur der Zeitlinie nicht, wie behauptet, fortbestehen würde - seine ganze Welt würde schlicht aufhören zu bestehen. Darauf angesprochen gibt Franklin dies zu und meinte, er nahm Andreas mit ihn die Vergangenheit, da er nicht wollte, dass Andreas ebenfalls einfach vergeht. Andreas fühlt sich betrogen und ist wütend, er greift Franklin an. Im Garangel löst sich ein Schuss, der zur Folge hat, dass ein reicher Kaufmann, der gerade mit einer Reihe wertvoller Schriftrollen Pompeji verlässt, erschrickt und einige Rollen fallen lässt. Er hebt sie wieder auf und geht weiter, übersieht dabei aber eine, die liegen bleibt. Es handelt sich um De Tempora des Philippus von Syracus, die 1944 gefunden wurde und die Grundlage für die amerikanische Zeitreisetechnologie darstellte. Da diese nun in Pempeji untergeht, wird die Zukunft so korrigiert, dass diese Schrift verschollen bleibt und damit nie NATE entsteht.

Franklin kann Andreas kurzzeitig ausschalten und Julia erschießen, womit seine Aufgabe erfüllt ist. Andreas kommt wieder zu sich und erschlägt ihn, muss aber feststellen, dass er zu spät ist. Er begibt sich wieder zurück zur Zeitmaschine. Dort erinnert er sich an einen Knopf, von dem er Franklin meinte, dass man sich damit im Notfall zurück in die Gegenwart versetzen lassen kann. Andreas drückt diesen und wird bewusstlos. Er wird schließlich nackt in der Höhle bei Aachen gefunden und in das Universitätsklinikum Aachen gebracht. Dort gilt er als interessanter Fall, denn er wird als Verrückter eingestuft, der sich eine Fantasiesprache aus Latein und Italienisch beigebracht hat und wirre Sachen von einem Kaiser namens Skorpion, Karl dem Großen und eine Zeitreise gemeinsam mit einem US-Amerikaner namens Vincent Franklin erzählt. Letzteren, so findet man heraus, gibt es dem Namen nach wirklich, er arbeitet in Frankfurt in der Verwaltung der US-Armee. Man hält die Namensgleichheit aber für einen Zufall. Eine Psychologin, die hinzugezogen wurde, hält den Fall für in hohem Maße interessant und ist sehr gespannt darauf, den Fremden demnächst näher untersuchen zu können.

Dargestellte Welt Bearbeiten

In der im Roman dargestellten Welt, die im Jahre 897 nach Christus spielt, ist das Weströmische Reich nie untergegangen. Den Wendepunkt stellt hierbei die Schlacht um Ravenna dar: Der Ostgotenkönig Theoderich war in dieser gestorben, Odoaker wurde ermordet. Der siegreiche Feldherr Rufus Scorpio zog in Ravenna ein ließ sich danach vom Senat zum neuen Kaiser krönen und es gelang ihm, dem Reich wieder dauerhaft zu Stabilität zu verhelfen. So war es Westrom möglich, auch eine Reihe verlorener Provinzen wieder zurückzuerobern. Nur Gallien und Teile Germaniens blieben ihnen verwehrt, wo sich die Franken als neue Macht etablieren konnten. Seit einem verlorenen Krieg sind die Franken durch einen Freundschaftsvertrag mit Rom verbunden, nach einem geheimen Zusatzvertrag sind sie de facto jedoch Föderaten. In Westrom leben viele Germanen wie Westgoten, Ostgoten oder Vandalen, die dort Föderaten sind, zum Zeitpunkt der Handlung gestaltet sich das Zusammenleben friedlich. Östlich vom Frankenreich liegen die slawischen Gebiete, hier ist vor allem das Reich der Abodriten durch seinen Handel mit Bernstein mächtig. Der Osten Europas wird vom Oströmischen Reich dominiert.

Die technische Entwicklung ist bereits weiter als im tatsächlichen Mittelalter, so gibt es bereits Druckerpressen, wenngleich sie noch nicht weit verbreitet sind, und Papier als Schreibmittel ist verstärkt im Aufwind. Ebenfalls verfügt man über ein Netzwerk optischer Telegrafen.

Der Islam erfuhr in dieser Welt keine Ausbreitung, der Aufstand Mohammeds wurde niedergeschlagen.

Rezeption Bearbeiten

Gunther Barnewald bezeichnete 2013 zu Erscheinen der Neuauflage im Atlantis-Verlag den Roman als „gelungen und überzeugend“ sowie als „ausgefeilt und intelligent“. Die Geschichte sei spannend und die dargestellte Alternativwelt gründlich ausgearbeitet. Der Roman sei vor allem gut recherchiert worden, Barnewald lobte vor allem „ den Umfang der historischen Recherchen des Autors. Egal ob es um historische Figuren, Schlachtformationen, Bewaffnungen, religiöse Gegebenheiten oder ähnliches geht, immer hat der Leser das Gefühl von Authentizität.“ Stellenweise würde der Roman an Henry Beam Pipers Der Mann, der die Zeit betrog erinnern, wenngleich Henkel wesentlich souveräner erzähle. Als Kritikpunkte nannte er ein wenig zu viel Esoterik sowie dass die Charaktere „noch etwas stärker“ herausgearbeitet hätte werden können. Das Ende, das mit John Brunners Zeiten ohne Zahl verglich, sah er ebenfalls als Manko, wenngleich auch nur ein leichtes. Unter dem Strich zähle Die Zeitmaschine Karls des Großen für Barnewald „zum Besten […], was die deutsche SF je hervorgebracht hat“. Barnewald fragte sich, „warum das Werk nicht damals 2001 bei einem der etablierten Verlage erschienen ist“ und weshalb das Werk beim Kurd-Laßwitz-Preis nicht einmal unter die besten fünf Romane kam. Dass Andreas Eschbachs Quest damals den Preis gewonnen hatte, bezeichnete er als Fehlentscheidung, da das Werk zwar optisch ansprechend gestaltet sei, aber ein „inhaltlich leeres und oberflächliches Buch“ darstellen würde.[2]

Ausgaben Bearbeiten

  • Oliver Henkel: Die Zeitmaschine Karls des Großen, Accra, Norderstedt 2001, ISBN 3-8311-1661-X.
  • Oliver Henkel: Die Zeitmaschine Karls des Großen, Atlantis, Stolberg 2013.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. https://www.sf-lit.de/preistr%C3%A4ger/deutscher-science-fiction-preis/
  2. Gunther Barnewald: Oliver Henkel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (Buch), phantastiknwes.de vom 11. Juli 2013, abgerufen vom 30. Mai 2023.