Sojus 11 Bearbeiten

Bahnparamter und Rückkehr Bearbeiten

Auf Grund des Bahnverlaufes wäre ein Abstieg entlang der üblichen Route mit Bremsmanöver nahe oder über dem afrikanischen Kontinent nur mit nächtlicher Landung möglich gewesen. Man wählte daher den letzten noch nutzbaren Überflug des kasachischen Landegebiets für eine Landung in der Morgendämmerung des 30. Juni 1971. Dazu mußte der Bremsimpuls etwa 10° nördlich des Äquators und deutlich weiter westlich als üblich über dem Atlantik erfolgen. Rückkehrkapsel und Orbitalteil wurden über Südfrankreich separiert, danach überflog die Kapsel Deutschland und Polen, ereichte zwischen Kiew und Kursk den nördlichsten Punkt der Flugbahn und gelangte hier während des Wiedereintritts in die dichten Atmosphärenschichten in das Blackout. Mit dem Entfalten des Hauptschirms wurde eine Sprechverbindung über die in den Fangleinen eingearbeitete UHF-Antenne möglich. Die Kapsel wurde noch während des Abstiegs mit vollständig entfaltetem Hauptschirm von den Besatzungen der Bergungshubschrauber gesichtet und bis zum nominal verlaufenden Aufsetzen begleitet. Alle Anfragen per Funk durch das Bergungsteam blieben jedoch unbeantwortet. Etwa zwei Minuten nach dem Aufsetzen erreichten die ersten Helfer die auf der Seite liegende Kapsel. Auf Klopfzeichen hin gab es keine Reaktion aus dem Inneren der Kapsel. Man öffnete die Luke und fand die Besatzung leblos in ihren Konturensitzen, blutend aus Mund, Nase und Ohren vor.

Zuerst barg man Dobrowolski aus der Centercouch, danach Pazajew und Wolkow und begann man mit den Versuchen einer Wiederbelebung. Allerdings lag der Eintritt des Herzstillstandes bei Beginn der Wiederbelebungsversuche bereits mehr als 30 Minuten zurück. Insgesamt war die Crew zuvor etwa 11 bis 12 Minuten dem Vakuum ungeschützt ausgesetzt.

Nachdem die Versuche zur Rettung der Besatzung erfolglos blieben, meldete der Leiter des Bergungsteams General Leonid Goregljad den Tod der drei Kosmonauten an den Befehlshaber der Luftstreitkräfte Marschall Kutachow in Moskau. Dieser informierte dann die Führung in Ministerien und Kreml. Etwa eine Stunde nach der Landung hatte General Kamanin im Flugleitzentrum Jewpatoria diese Information aus dem Verteidigungsministerium erhalten und gab sie an den Flugleiter Jelissejew weiter. Später informierte dann die Kosmonautin Valentina Tereschkowa die im ZKBEM in Kaliningrad wartenden Angehörigen mit den Worten "..es gibt keine Hoffnung mehr.." über den Tod der drei Kosmonauten. Etwa gegen 6:00 Uhr UT wurde die Weltöffentlichkeit über den tragischen Ausgang des Fluges informiert.

Grundsätzliche Mängel der Untersuchung Bearbeiten

Die bei ungeklärten Todesfällen normalerweise erfolgende Einleitung von Ermittlungen durch Strafverfolgungsorgane unterblieb. Die Kapsel wurde von Experten des ZKBEM gemeinsam mit dem Bergungsteam der Luftwaffe vor Ort inspiziert, alle wichtigen Einstellungen dokumentiert und dann zur weiteren Untersuchung in das ZKBEM transportiert. Eine der unabhängigen Beweissicherung dienende staatsanwaltschaftliche bzw. richterliche Beschlagnahme erfolgte nicht. Die Zuständigkeit dafür hätte bei den regionalen Behörden Kasachstans gelegen. Somit war von vornherein eine von den in die Mission involvierten Institutionen und Personen unabhängige Aufklärung praktisch unmöglich. Für die in Folge dann nie wirklich bis in die physisch verursachenden Details gehende Untersuchung können daher Manipulationen durch das ZKBEM und die verantwortlichen Personen nicht ausgeschlossen werden. Die Mitglieder der staatlichen Untersuchungskommission, in der auch in die Mission involvierte Experten mitarbeiteten, kam zu keinem einen oder mehrere Verantwortliche benennenden Ergebnis. Zwar wurde die Entscheidung des ZKBEMs, Missionen gänzlich ohne schützende Raumanzüge durchzuführen, scharf kritisiert und deren Einsatz für die Zukunft zwingend vorgeschrieben, disziplinarische oder gar strafrechtliche Konsequenzen hatte dies jedoch nicht. Insbesondere die Zurückweisung jeglicher Verantwortung durch leitende ZKBEM Mitarbeiter (Mischin, Feoktistov) bis zu ihrem Tod, die beide den Verzicht auf die rettenden Raumanzüge seit 1964 unbelehrbar durchsetzten und verteidigten, erscheint zumindest fragwürdig. Später bekannt gewordenen Hinweisen von Schatalow zu der mangelhaften Qualität der Installation und Inspektion der Lüftungsventile belasten das ZKBEM darüber hinaus extrem schwer. Zu diesen Schlußfolgerungen kam die Gattin Vera des verunglückten Pazajews, die selbst im Raumfahrtbereich als Technikerin des zum ZKBEM benachbart gelegen TsNIIMash tätig war.

Das fehlerhafte Ventil Bearbeiten

Widersprüchliche Angaben durch Leonow Bearbeiten

Noch in einem Interview 1998 erklärte Leonow für sich und die ursprünglich vorgesehene Besatzung (Kubassow, Kolodin): ..wir wären auch gestorben... Später wiederum gab er an, als Verbindungssprecher (als der er aber offensichtlich gar nicht fungierte) aus dem Flugleitzentrum Kaliningrad Dobrowolski extra darauf hin gewiesen zu haben, dass beide Ventile vor dem Abtrennen des Orbitalmoduls manuell geschlossen sein und erst nach der Entfaltung des Hauptschirmes freigegeben werden sollten. Dies hätte der Checkliste zur Vorbereitung des Wiedereintritts widersprochen. Noch wichtiger: es hätte dann der manuellen Offnung eines der Ventile nach Entfaltung des Hauptschirmes bedurft, was im Widerspruch zum vollautomatischen Ablauf gestanden hätte. Dabei sollten die Druckausgleichsventile auch bei einer evtl. handlungsunfähigen Besatzung die Frischluftversorgung in der Kapsel nach der Landung sicherstellen. Tatsächlich erfolgte die Flugleitung von Jewpatoria auf der Krim. Dort waren Alexei Jelissejew als Flugleiter und Wladimir Schatalow als Verbindungssprecher am 29./30.06.1971 für die Verbindung zu Saljut-1 und Sojus-11 zuständig. Leonow selbst hatte mit der Flugleitung während der Nacht vor der Rückkehr nichts zu tun, wie auch, da er sich ja als Kommandant der abgelössten Hauptmannschaft mit seinen verständlichen aber cholerischen Reaktionen nach der unerwarteten Umbesetzung auf dem Kosmodrom in Baikonur wohl kaum für einen solchen Dienst empfohlen hatte. Das Kaliningrader Zentrum fungierte bis 1973 nur als Backup der Zentrale in Jewpatoria. Für die ASTP Mission wurde es ab 1972 umfassend neugestaltet und ähnelte dann auch dem Leitzentrum in Houston. Trotz allem belastete das Schicksal seiner Kameraden Leonow bis an sein Lebensende schwer, Dobrowolski und seine Familie waren seine Nachbarn im Sternenstädtchen, Pazajew und Wolkow kannte er als Mitglieder der sehr engagiert agierenden Bergungsmannschaft von seiner recht abenteuerlichen Landung mit Woschod-1 in der verschneiten Taiga.

Widersprüche seitens des ZKBEM Bearbeiten

Die Ventilstellung der Ventilhandräder wurde offenbar bei der Endkontrolle durch die Techniker beim check-out getauscht. Ventil 1 sollte gemäß Checkliste für den Wiedereintritt und dem ausführlichen Manual für die Sojusraumschiffe geschlossen(manuell)-geschlossen(pyro) und Ventil 2 offen(manuell)-geschlossen(pyro) sein, und so wurde es auch bei allen vorherigen Missionen gehandhabt. Auch im Manual war dies so beschrieben. Aus einem nicht näher erklärten Grund hatten die Techniker des ZKBEM dies aber invers eingestellt. Damit wichen die Einstellungen der Ventile von dem Manual bzw. den checklisten ab. Für eine evtl. notwendige Schliessung von Ventil 2 waren Pazajew und für Ventil 1 Dobrowolski zuständig. Sollte die Besatzung den Notfall einer drohenden Dekompression durch Fehler der Ausgleichsventile trainiert haben, wäre nach Manual und check-liste Ventil 2 manuell zu schließen. Dieses war bei der Trennung des Orbitalteils aber bereits geschlossen. Zumindest die Hälfte des Ventilhubes von 10mm haben Dobrowolski und/oder Pazajew noch bei Ventil 1 schließen können, dann verloren sie durch die rapid ablaufende Dekompression die Kontrolle. Unklar ist, ob der zuständige Bordingenieur Wolkow eine Kontrolle der Stellung der manuellen Sperren vor dem Wechsel der Besatzung aus der Raumstation in die Landekapsel durchgeführt hatte.

Weitere Hypothesen Bearbeiten

Vorzeitiges Zünden einer Pyroladung Bearbeiten

Es gab Vermutungen, dass nicht die Schockwelle der Pyroladungen zur Separation des Orbitalsteils die vorzeitige Offnung des Ventils 1 auslöste, sondern auf dem Kosmodrom bei einem der Test die Pyrotechnik dieses Ventil versehentlich gezündet wurde. Da sich die äußere Ventilöffnung innerhalb des hermetischen verschlossenen Verbindungsstutzens zur Orbitalsektion befand, war die Dichtheit der Kapsel auch bei bereits gezündetem Ventil 1 und manueller Öffnung gewährleistet. Nach dem Absprengen des Orbitalteils entfiel diese äußere Abdichtung und es kam zur Dekompression etwa 160 km oberhalb der französischen Atlantikküste.

Eine Verletzung des Ventils durch Stosswellen, die eine Dekompression einleiten würde, konnte trotz intensiver Versuche in einer Vakuumkammer des ZKEBM nie nachgewiesen werden. Eine vorzeitige Zündung schon vor dem Start wäre konsistent mit dem gesamten Ablauf, der laut den Messwerten zum zeitlichen Verlauf des Kabinneninnendrucks zwischen Separation und Landung, die der Kommission seitens des ZKBEM vorgelegt wurden.

Fertigungsmangel Bearbeiten

Einer der Techniker des ZKBEM erwähnte, dass die Fixierschraube der abzusprengenden hermetischen Versiegelung (ein Korkball) innerhalb des Ventilauslasses nicht mit dem entsprechendem Moment angezogen gewesen sein soll. Eine Aussage, die konsistent mit Vorwürfen Schatalows ist, der dabei eine völlig unregelmäßige Fixierung bei verschiedenen Landekapseln monierte, von denen er mit Sojus 4, Sojus 8 und Sojus 10 selbst als Kommandant flog. Ein mit zu geringem Drehmoment fixierter Korkball erscheint konsistent mit dem Gesamtablauf des Unglücks. Der kombinierte Kraft- bzw. Formschluss des Korkballs im Inneren des Ventils wäre dann durch die übertragene Stoßwelle möglicherweise weiter geschwächt worden, so dass er dem anschliessenden Druckunterschied im Ventil nicht mehr standhielt und durch den Kabineninnendruck vorzeitig aus dem Ventil in das Vakuum gedrückt worden sein kann und damit die Dehermetisierung auslöste.